Frauenbildungstag des sev
Frauenbewegungen in Zeiten der Krise
Am 24. November fand im Hotel Bern der Frauenbildungstag des SEV zum Thema «Frauenbewegungen in Zeiten der Krise» statt. Die Rede war von Frauen, die Geschichte geschrieben haben: Starke, mutige Frauen, die ihr Leben oder Teile davon dem Kampf für die Frauenrechte gewidmet haben oder immer noch widmen, in der Schweiz und in der ganzen Welt.
Nach der Begrüssung durch Lucie Waser, Gleichstellungsbeauftragte des SEV, und Vizepräsident Christian Fankhauser kamen bedeutende Vertreterinnen der nationalen und internationalen Frauenbewegung zu Wort: Sabine Trier, stellvertretende Generalsekretärin der ETF (Europäische Transportarbeiter-Föderation), zum Thema «Die Frauen in der ETF stellen sich auf die Mobilität der Zukunft ein»; Dore Heim, Historikerin und ehemalige Zentralsekretärin des SGB, die über die «Frauenbewegung im SGB – stark auch in Krisenzeiten» sprach; Ruth-Gaby Vermot-Mangold, Präsidentin der Frauenföderation für Weltfrieden, zum Thema «Frauen und ihre Bedeutung in der Friedensbewegung und bei der Krisenbewältigung»; und schliesslich Martine Gagnebin, Präsidentin der Schweizer Vereinigung für Frauenrechte SVF-ADF: Sie präsentierte das «Internationale Netzwerk für Frauenrechte, das kämpft bis zum Tag, an dem es nicht mehr nötig ist».
Bevor es ums eigentliche Thema ging, sprach Christian Fankhauser mit der ihm eigenen Ironie und Sensibilität über die Rolle der Frau und des Mannes in der heutigen Schweiz, insbesondere in Bezug auf den öffentlichen Verkehr. Die Branche erklärt – zumindest auf dem Papier –, dass sie ihre Berufe für Frauen attraktiver machen will. Aber was tut sie konkret, um dieses Ziel zu erreichen? Kann eine Branche ernsthaft attraktiv sein, wenn sie teilweise Teilzeitpensen über 12 oder 13 Stunden am Tag verteilt, in denen die Frauen dem Arbeitgeber faktisch zur Verfügung stehen müssen, wovon aber nur 4 oder 5 bezahlt sind?
Die Frauen in der ETF kümmern sich um die Mobilität der Zukunft
Sabine Trier erklärte, wie die ETF sich für ein nachhaltiges und klimafreundliches Verkehrssystem einsetzt, das zudem sozial ist und die Gleichstellung von Frau und Mann einhält. Mit diesen Zielen im Blick konzentrieren sich die Frauen der ETF auf drei Punkte:
- die Kampagne «Mehr Frauen im öffentlichen Verkehr. Die Branche an die Bedürfnisse der Frauen anpassen»;
- Digitalisierung und Automatisierung zugunsten der Frauen nützen;
- Kampf gegen geschlechterspezifische Gewalt im Verkehr.
Es ist klar, dass der Verkehr eine männerdominierte Branche ist, mit lediglich 22 % Frauen (18,5 % im Jahr 2010). Etwas genauer aufgeteilt sind es 15 % im Landverkehr, 40 % in der Zivilluftfahrt (wovon nur 6 % Pilotinnen) und 22 % in der Schifffahrt. Es bleibt somit auch 2024 eine Priorität der ETF, die Branche für Frauen attraktiver zu machen.
Etwas Geschichte
Danach sprach die Historikerin Dore Heim über die Rolle der Frauen in den Schweizer Gewerkschaften, insbesondere im SEV, wo es von Anfang an starke Frauen hatte, wenn auch immer als deutliche Minderheit gegenüber den Männern. Die ehemalige SGB-Zentralsekretärin erläuterte, wie die Gründung des SEV eine direkte Folge des Generalstreiks von 1918 war, bei welchem zahlreiche Eisenbahner im Gefängnis gelandet waren.
Der 1919 gegründete SEV vereint die verschiedenen Berufsgruppen, die zu jener Zeit sahen, wie wichtig es ist, geeint und organisiert zu sein. Die Frauen sind eine Minderheit sowohl in der Gewerkschaft wie im öffentlichen Verkehr, und sie arbeiten oft in Berufen, die durch die technische Entwicklung und die Automatisierung bedroht sind. Höhere Berufe bleiben für sie schwer zugänglich, und im Vergleich zu anderen Branchen waren sie länger ausgeschlossen.
Erst 1985 stellten die Verkehrsbetriebe Freiburg die erste Lokomotivführerin ein, 1991 war es bei der SBB soweit, und im gleichen Jahr wurde auch die erste Frau Zugchefin bei der SBB. In jenem Jahr fand am 14. Juni der erste Frauenstreik statt, und es wurde die Frauenkommission des SEV gegründet. Helene Weber war die erste Gewerkschaftssekretärin im SEV.
Die Bedeutung der Frauen in der Friedensbewegung
Ruth-Gaby Vermot-Mangold, ehemalige Nationalrätin und Delegierte im Europarat, heute Präsidentin der Frauenföderation für Weltfrieden, sprach aus persönlicher Erfahrung über die oft elementare Rolle der Frauen bei Friedensprozessen: Bei Konflikten sind es die Frauen, die wieder aufbauen, was durch die Waffen zerstört worden ist; aber von den formellen Friedensprozessen, von den Friedenserklärungen und den Vereinbarungen für die Nachkriegszeit bleiben sie ausgeschlossen.
Die Machtgefüge und das starke Patriarchat in der Mehrheit der Konfliktstaaten bilden keine gute Grundlage für den Einbezug der Interessen der Frauen beim Friedensprozess. Dennoch lassen sich die Frauen nicht mehr so leicht übergehen, und es gibt vielversprechende Beispiele für ihre Beteiligung.
Grenzüberschreitende Frauensolidarität
Martine Gagnebin, die recht spät in ihrem Leben mit der Frauenbewegung in Berührung kam, richtete den Blick der Anwesenden auf die Ungleichheit der Geschlechter in der Vergangenheit und der Gegenwart, ausgehend vom Kampf fürs Frauenstimmrecht in der Schweiz über das Gleichstellungsgesetz bis zur heutigen Situation. Sie sprach von der internationalen Verschwesterung und von der Tatsache, dass Frauenarmut und Gewalt gegen Frauen leider die beiden Themen sind, die alle Länder der Welt verbinden, und davon, wie auch kleine Dinge, wenn sie mit den anderen Frauenrechtsbewegungen vernetzt werden, etwas verändern können.
Am Schluss der Tagung zeigten sich Organisatorinnen und Teilnehmerinnen sehr zufrieden. Sie treffen sich nächstes Jahr am 15. November wieder, zum Thema der Rentenreformen und ihren Auswirkungen auf jede Einzelne.
Veronica Galster