Europäischer Aktionstag der Bahngewerkschaften
«Hände weg von den Bahnen!»
In ganz Europa finden heute Aktionen der Bahngewerkschaften statt. Sie richten sich gegen das so genannte 4. Eisenbahnpaket der EU, das eine vollständige Liberalisierung der Bahnen anstrebt – ungeachtet der Risiken und Nachteile. Der SEV macht an der Aktion mit, weil die Schweiz beim Verkehr voll auf EU-Kurs ist.
Die Gewerkschaft des Verkehrspersonals SEV beschäftigt sich seit langem intensiv mit der Verkehrspolitik der Europäischen Union, denn aufgrund des Landverkehrsabkommens mit der EU ist die Schweiz stark an die Beschlüsse aus Brüssel gebunden. «Wir stellen gar eine deutliche Tendenz zum vorauseilenden Gehorsam fest», betont SEV-Präsident Giorgio Tuti, unter anderem mit Blick auf den Expertenbericht zur Organisation der Bahninfrastruktur, der zurzeit vom Bundesrat behandelt wird.
Am heutigen Aktionstag der Europäischen Transportarbeiter-Föderation (ETF) beteiligt sich der SEV mit einer Briefaktion an die Verkehrskommissionen des Europäischen Parlaments. Im Schreiben weist der SEV darauf hin, dass vor kurzem der Kongress als oberstes Organ des SEV Stellung zur europäischen Verkehrspolitik genommen hat. Im Positionspapier «Europa», das der Kongress in Anwesenheit von Bundesrätin Doris Leuthard verabschiedet hat, steht unter anderem: «Die ETF und der SEV wollen eine Liberalisierung im Schienenpersonenverkehr verhindern. Sie setzen sich gegen Wettbewerb im Schienenpersonenverkehr ein, der Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert. Zudem versuchen sie Lohn- und Sozialdumping zu verhindern, indem sie sich für die klare Vorgaben von Sozialstandards und Arbeitnehmerschutz bei Ausschreibungen von öffentlichen Verkehrsleistungen auf Strasse und Schiene stark machen.»
Die Gewerkschaften der ETF, die in EU-Ländern aktiv sind, wenden sich heute mit Postkarten direkt an ihre EU-Parlamentarier. Unter dem Motto «Hände weg von den europäischen Bahnen!» betont die ETF ihre klare Haltung: «Mit dem so genannten 4. Eisenbahnpaket strebt die Europäische Kommission die vollständige Liberalisierung aller Schienenpersonenverkehrsdienste an und will das gleiche fragmentierte Modell in allen Mitgliedstaaten durchsetzen. Ungeachtet der Erfahrung mit der Finanzkrise treibt die Kommission ihren dogmatischen neo-liberalen Ansatz für die Eisenbahn voran und behauptet, die Marktöffnung sei die Zauberlösung, wobei sie den Schaden ignoriert, den die Liberalisierung bereits für den Sektor angerichtet hat.»
Giorgio Tuti weist auf den elementaren Widerspruch in der Haltung der EU hin: «Immer wieder wird die Schweiz als vorbildliches Bahnland dargestellt, und fast im gleichen Atemzug verlangen die gleichen Leute die vollständige Trennung von Infrastruktur und Betrieb. Dabei ist genau die integrierte Bahn – also Infrastruktur und Betrieb aus einer Hand – der zentrale Punkt des Erfolgsmodells der SBB.»