Verspätung und Ausfall eines IC: Warum das Zug- und Lokpersonal fehlte
In einer Innerschweizer Zeitung erschien am 11. März ein Bericht mit dem Titel «Zug steckt im Bahnhof fest – kein Lokführer da». Gemeint ist der Intercity-Zug, der am Vortag Arth-Goldau um 16.15 Uhr Richtung Zürich hätte verlassen sollen. Doch noch eine halbe Stunde später stehen die Passagiere ratlos auf dem Perron, wie die Zeitung berichtet. «Auf der Anzeigetafel steht ‹unbestimmte Verspätung›. Vor 17 Uhr dann eine Durchsage über die Lautsprecher mit weiteren Infos: ‹Wegen fehlendem Zugspersonal hat der IC 2 nach Zürich Verspätung.› Kurz darauf traf ein Ersatzzug aus Luzern ein. Dass ein Zug wegen eines fehlenden Lokführers nicht weiterfahren kann, kommt relativ selten vor. Fakt war heute, dass der IC 2 bereits im Tessin fast eine halbe Stunde Verspätung hatte (Arbeitszeitproblem).»
Verkürzte Information wirft Fragen auf
Dass Kundeninformationen kurz gehalten und standardisiert werden müssen, ist verständlich, doch haben sie so den Nachteil, dass sie bei der Kundschaft Fragen zur Zuverlässigkeit des Personals aufwerfen können. Auf dem Perron wartende Reisende fragen sich wohl schon: «Was ist mit diesen Lokführern und Zugbegleiterinnen los? Hat sich da einer so kurzfristig krankgemeldet? Oder Dienst nach Vorschrift gemacht, weil er oder sie den Feierabend geniessen wollte? Und ich muss jetzt hier warten … Und warum hat schon im Tessin ein Zugbegleiter gefehlt und so den Zug verspätet?» Auch die Zeitung liess diese Fragen zuerst offen, weil wohl die Zeit zum Nachfragen fehlte, kam aber auf Anregung des SEV am 18. März auf die Hintergründe zurück.
Das Lok- und Zugpersonal trifft keine Schuld
Die Erklärung der SBB-Medienstelle zeigt, dass dem beteiligten Lok- und Zugpersonal wirklich nichts vorgeworfen werden kann: «Damit eine Doppeltraktion des Giruno durch den Gotthard-Basistunnel fahren kann, muss pro Zug ein:e Kundenbegleiter:in auf dem Zug sein. Ansonsten wird ein Teil geschlossen. Aufgrund der Stellwerkstörung in Giubiasco hat leider ein:e Kundenbegleiter:in gefehlt. Der Zug durfte erst abfahren, als beide Züge besetzt waren. Aufgrund der Verspätung hat der Lokführer bei der Ankunft in Arth-Goldau seine maximale Arbeitszeit gemäss Arbeitsrecht erreicht und durfte nicht mehr weiterfahren. Bei der SBB besteht hier aus Sicherheitsgründen Nulltoleranz. Der/die Lokführer:in darf den Zug verlassen, sobald dieser korrekt gesichert ist. Auch wenn der/die neue Lokführer:in noch nicht auf dem Zug ist. Die Sicherheit ist dabei immer gewährleistet. Leider unterlief ein Dispositionsfehler und es wurde nicht rechtzeitig ein:e Ersatzlokführer:in nach Arth-Goldau bestellt. Dies ist ein äusserst seltener Fehler und die SBB entschuldigt sich dafür.»
Anzufügen ist, dass die SBB in den letzten Jahren bei der Kundenbegleitung sehr erfolgreich alle Personalvorhaltungen (Reserven) an den einzelnen Standorten aus Spargründen abgeschafft hat, ebenso beim Lokpersonal, auch wegen Personalmangel. Das führt nun halt dazu, dass solche Situationen häufiger vorkommen.
Markus Fischer
Kommentare
Florian Mösch 01/04/2023 11:00:13
Hallo Markus
Leider strotzt der Artikel von Fehlern. Die Lautsprecherdurchsagen an diesem Tag wurden von den Systemen mehrfach und zeitgerecht kommuniziert. Zudem nennen wir Seitens Betriebszentrale seit längerem extra nicht mehr „fehlendes Zugspersonal“ sondern bewusst neutraler „kurzfristige Personaldisposition“, da wir die Rückmeldungen der Reisebegleiter und Lokführer durch die enge Begleitung und Absprachen sofort ernst genommen haben. Ich spüre durch solche Artikel einmal mehr, wie den SEV primär den Fokus auf das Personal im Zug hat und nicht fähig ist die Perspektive des Personals in den Betriebszentralen einzunehmen. Dass eine Person gut und gerne die Kundeninformation von 50-100 Bhf abdeckt in einer hoch automatisierten Systemlandschaft und dabei äusserst agil sein muss und sich der Job 180 grad verändert hat und dabei mal ein Fehler passieren kann, geht im Artikel einfach mal gekonnt unter. Aber das Personal in den Zügen, das ist wichtig. Obwohl unsere Jobs in den BZ wohl einiges gefährdeter sind (aber viel Spass machen), und wir viel flexibler sein mussten und dies beinPersonalunterbestand. Es macht sich halt für den SEV besser und ist einfacher, sich nur auf die grösste Berufsgruppe zu fokussieren.
Grüsse Florian
Markus Fischer 04/04/2023 15:47:28
Lieber Florian
Ziel des Artikels war nicht Kritik am BZ-Personal, das natürlich generell und speziell in solchen Situationen einen sehr schwierigen Job macht und andere Prioritäten hat als sprachliche Finessen. Tut mir leid, dass der Bericht für dich als ungerechte Kritik rübergekommen ist, was aber nicht die Absicht war. Der Bericht kam durch eine Intervention bei der Zeitung zustande, welche «fehlendes Zugspersonal» als Durchsagetext angegeben hatte und in ihrem Bericht zwischen den Zeilen die Zuverlässigkeit des Personals auf den Zügen in Frage stellte. Sie hat aber dann dank unserer Intervention eine Woche später einen zweiten, klärenden Artikel gebracht.
In (meinem) Artikel ist der Durchsagetext «fehlendes Zugspersonal» Teil des Zitats des ursprünglichen Zeitungsberichts. Falls «kurzfristige Personaldisposition» am 10. März der wirkliche Text der Durchsage am Bahnhof Arth-Goldau oder im Zug war, stellt sich die Frage, warum die Zeitung von «fehlendem Zugspersonal» sprach.
Die Durchsache «Kurzfristige Personaldisposition» ist wohl eine gute Lösung, weil sie das Zug- und Lokpersonal aus der Schusslinie nimmt.
Herzlicher Gruss
Markus