Gleichstellung
Die Diskriminierung hat strukturelle Gründe
In den mehrheitlich von Frauen ausgeübten Berufen sind die Stundenlöhne verglichen mit anderen Berufen viel niedriger, wie eine Studie des SGB zeigt. Die Studie warnt vor Diskussionen zur Teilzeitarbeit, die das wirkliche Problem verschleiern: strukturell tiefere Löhne für die Mehrheit der Frauen.
Verglichen mit vor dreissig Jahren sind Frauen heute wirtschaftlich unabhängiger. Allerdings bleibt auch trotz zunehmend hohem Ausbildungsniveau ihre Integration in den Arbeitsmarkt problematisch. Denn auch wenn sie hart arbeiten, ist der Verdienst tief und das Armutsrisiko hoch. Ein niedriger Lohn bestraft diese Frauen nicht nur in der Zeit der Erwerbstätigkeit, sondern wirkt sich auch auf die Altersvorsorge aus.
Gemäss Analysen des SGB verdienen vier von zehn Frauen, auch wenn sie gut ausgebildet sind, weniger als 5000 Franken im Monat (bei Vollzeit), und 25 % verdienen sogar weniger als 4500 Franken.
Kein dreizehnter Monatslohn für alle
Was den «Dreizehnten» angeht, den übers Ganze gesehen acht von zehn Erwerbstätigen erhalten, ist er in vielen Sektoren, in denen hauptsächlich Frauen arbeiten, inexistent. Dies ist beispielsweise bei Coiffeusen und Kosmetikerinnen der Fall, dort erhalten ihn gerade mal 8 %. Auch im Verkauf sieht es nicht viel besser aus, nur die Hälfte der Bekleidungsverkäuferinnen erhalten ihn.
Dienstjahre zählen weniger
Weiter geht es mit der Diskriminierung, indem der Einfluss von Dienstjahren auf das Salär in den «typischen Frauenberufen» gering ist. Frauen ab fünfzig verdienen im Durchschnitt 1072 Franken mehr als ihre zwanzigjährigen Kolleginnen. Demgegenüber liegt die durchschnittliche Differenz bei «typischen Männerberufen» bei 1440 Franken. Besonders gross ist der Lohnunterschied für Frauen in der Lebensphase, in denen sie Betreuungsaufgaben übernehmen, und zwar unabhängig davon, ob sie in vorwiegend männlichen oder in mehrheitlich von Frauen ausgeübten Sparten arbeiten. Gemäss Natascha Wey, Vizepräsidentin SGB, ist dies kein Zufall: «Arbeitgeber profitieren oft von familiären Verpflichtungen, um tiefere Löhne zu zahlen.»
Teilzeit- und unbezahlte Arbeit
Angesichts des Umstands, dass viele Frauen Teilzeit arbeiten müssen, um Carearbeit – also Kinderbetreuung, Hausarbeit und Pflege von Angehörigen – zu leisten, und dass diese nach wie vor mehrheitlich auf ihren Schultern lastet, ist verständlich, dass sie trotz harter Arbeit wenig Geld sehen. Tatsächlich zeigt die SGB-Studie, dass ein Viertel der Frauen weniger als 2700 Franken pro Monat verdienen.
Ein Rentensystem, das benachteiligt
All dies geschieht in einem Land, in welchem die Altervorsorge aus einer ersten Säule besteht, die nicht zum Leben reicht, und aus einer zweiten Säule, die mittels Kapitalisierung finanziert wird und strukturell die Besserverdienenden bevorzugt. Man fragt sich, wie Frauen im Rentenalter ein finanziell unabhängiges Leben in Würde führen können, wenn ihre Löhne stagnieren und strukturell zu tief sind.
Was tun?
Der SGB fordert eine «rasche Neubewertung der niedrigen Löhne in Sektoren, in denen Frauen traditionell in der Mehrheit sind». Nur durch gewerkschaftliche Arbeit in Betrieben und Branchen und eine Verbesserung der GAV könne die Lohnsituation von Frauen deutlich und nachhaltig verbessert werden, so Wey. Konkret fordert der SGB:
Mindestens 5000 Franken für Berufstätige mit Lehre, Festlegung der Mindestlöhne in Gesamtarbeitsverträgen.
Kein Lohn von unter 4500 Franken.
13. Monatslohn für alle.
Konsequente Massnahmen gegen Lohndiskriminierung: obligatorische Lohnanalysen in allen Firmen und wirksame Sanktionen bei Lohndiskriminierungen.
Kinderbetreuung muss als Service public organisiert werden, für eine fairere Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit zwischen Männern und Frauen.
Höhere öffentliche Investitionen in den Service public müssen auch zu besseren Arbeitsbedingungen in der Kinderbetreuung, im Gesundheitswesen und im Sozialwesen führen.
Veronica Galster