Auf den Spuren von ...
Larissa Bantli, Bähnlerin
Larissa Bantli ist Bähnlerin durch und durch. Die 27-jährige Bündnerin arbeitet bei der SBB einerseits in der Fachführung Kundenbegleitung im Büro. Andererseits ist sie einmal pro Woche als Kundenbegleiterin im Zug unterwegs. Sie ist eine der jüngsten SEV-Sektionspräsidentinnen, nämlich beim ZPV Rheintal-Chur.
«Ein paar Leute begannen im Zug zu rauchen und irgendwann stieg die Klimaanlage aus. Aber es hatte auch viele nette Familien, und zum Glück waren die meisten Gäste noch nicht betrunken», erzählt Larissa Bantli. Sie ist am Bahnhof Bern und hat gerade eine mehrstündige Fahrt mit dem Cupfinal-Sonderzug für Fussballfans aus St. Gallen begleitet.
Larissa Bantli arbeitet in der Regel einen Tag pro Woche im Zug. Aussergewöhnliche Vorkommnisse im Personenverkehr, wie ein Cupfinal, beschäftigen sie aber auch in ihrer momentanen Haupttätigkeit im Büro. Sie macht ein Stage bei der Fachführung des Zugpersonals in Bern. «Viele Kundeninformationen, die man im Zug hört, laufen über mich. Also, wenn das Zugpersonal zum Beispiel einen speziellen Hinweis über den Lautsprecher im Zug durchgeben muss, stelle ich den Inhalt dieser Spezialdurchsage bereit», erklärt sie. Sie sorgt dafür, dass die korrekten Botschaften im System aufgeschaltet werden und im Toureninformationsportal «TIP 2» des Zugpersonals landen. Zusätzlich übernimmt sie andere Aufgaben im Zusammenhang mit Kundeninformationen. Sie arbeitet an Projekten und in Arbeitsgruppen mit, wo sie beispielsweise Kennzahlen zur Kundenzufriedenheit und zu Kundenreaktionen analysieren und interpretieren muss.
Im Büro und im Zug unterwegs
Vier Tage pro Woche arbeitet sie entweder im Büro im Berner Wylerquartier oder zu Hause in Maienfeld im Homeoffice. Das war nicht immer so. Sie machte die Lehre zur Kauffrau öffentlicher Verkehr und lernte dort die Arbeit auf dem Zug kennen, was ihr sofort gefiel. Nach der Berufslehre begann sie in den Depots Basel und – zum Französischlernen – Lausanne als Zugbegleiterin zu arbeiten. Dann bildete sie sich an der Höheren Fachschule für Tourismus in Luzern zur Tourismusfachfrau weiter. Im Herbst 2021 erhielt sie ihr Diplom und die Gelegenheit, bei der Fachführung Zugpersonal der SBB ein neues Arbeitsumfeld kennenzulernen. Doch den Kontakt zur Kundschaft und zu den Kolleginnen und Kollegen im Zug wollte sie nicht ganz verlieren. Deshalb arbeitet sie nun weiterhin an vier Tagen im Monat, häufig am Wochenende, auf dem Zug für das Depot Chur. «Ich liebe diesen Ausgleich zwischen Büro und Zug», sagt sie.
«Zuhause sagen sie mir: ‹Du bist eine echte Bähnlerin›», erzählt Larissa Bantli lachend, und dazu gehört für sie auch das Engagement in der Gewerkschaft der Bähnler, dem SEV. Als sie nach ihren «Lehr- und Wanderjahren» wieder zurück nach Graubünden kam, begann sie sich im Vorstand der ZPV-Sektion Rheintal-Chur zu engagieren, zuerst als Vizepräsidentin und seit Ende 2021 als Präsidentin: «Wir dürfen nicht vergessen, dass der SEV für uns Bahnangestellte sehr viel geleistet hat. Es motiviert mich, bei der Gewerkschaft mitzumachen, weil man etwas bewirken kann. Und es ist wichtig, dass wir Jungen bei der Bahn unsere Stimme einbringen können.» Als eine der jüngsten Sektionspräsidentinnen beim SEV spielte sie eine Vorreiterinnenrolle, denn nicht nur die SBB braucht vermehrt junges Personal, sondern auch die Gewerkschaft.
Frischer Wind für die Gewerkschaft
In ihrer Sektion mangelt es nicht an Nachwuchs, denn ein grosser Teil des Zugpersonals im Depot Chur ist im SEV organisiert. Für Larissa Bantli ist klar, Jung und Alt müssen ihre Stärken gemeinsam nutzen: «Es ist wichtig, dass alle Altersklassen in der Gewerkschaft vertreten sind. Wir können von der Erfahrung der Dienstälteren sehr viel profitieren. Andererseits können wir Jungen neue Ideen einbringen und für frischen Wind sorgen. Ich versuche dafür zu sorgen, dass wir uns nicht gegenseitig ausspielen, sondern dass wir voneinander profitieren.»
Nicht nur eine Verjüngung ist sowohl bei der SBB als auch beim SEV wichtig, sondern auch eine weiblichere Zukunft. Auch hier beobachtet Larissa Bantli Fortschritte, allerdings sagt sie auch: «Ich wünsche mir, dass wir lernen, noch ein bisschen mehr aus dem eigenen ‹Gärtli› raus zu schauen, andere Meinungen anzuhören und zu respektieren. Das gilt sowohl für Mann und Frau als auch für Alt und Jung.» Grundsätzlich aber ist sie sehr glücklich bei der Bahn und könnte sich im Moment nicht vorstellen, an einem anderen Ort zu arbeiten.
Michael Spahr