Luftverkehr
«Die Branche ist sehr volatil»
Die Berichtsperiode war für die Luftverkehrsbranche sehr turbulent. Analyse des Verantwortlichen Philipp Hadorn, Gewerkschaftssekretär und Präsident von SEV-GATA, der Luftverkehrsabteilung des SEV.
Philipp, welche Erfolge hat SEV-GATA seit 2019 erzielt?
Während dem Höchstand der Corona-Pandemie war der Luftverkehr faktisch gegroundet. In schwierigen Verhandlungen gelang es uns, mit «Krisen-Vereinbarungen» nicht alle, aber viele negative Folgen bei Swiss und Swissport ZRH abzuwenden, den Swiss-GAV für die Zeit nach der Krise auf vorherigem Niveau bis Ende 2026 zu sichern und einen GAV bei Swissport GVA abzuschliessen. Die Anerkennung der Luftfahrt als systemrelevant und der Erhalt von Bundesgarantien als einzige Branche während der Corona-Krise erforderten grosse Anstrengungen, waren aber erfolgreich. Gelebte Solidarität innerhalb des kollektiven Verkehrs war deutlich erkennbar, nicht nur bei den erfolgreichen Protestaktionen.
Andererseits, wenn du die schwierigen Momente nennen müsstest: Welche sind es?
Es sind die gleichen Momente. Entgegen der Absichtserklärung des vorherigen CEO löste Swiss unter neuer Leitung im Mai 2021 eine Massenentlassung aus, die Hunderten Kolleg:innen die berufliche Existenz raubte. Die Groundhandler (konkret Swissport) als letztes Glied in der «Nahrungskette» der Luftfahrt machen extrem Druck auf die Arbeitsbedingungen. Beides führte zu schwierigen Verhandlungen und auch zur Anrufung eines Gerichtes gegen die Swiss. Die Unterlassung des Bundes, die Gewährung der «Sondermittel für die Luftfahrt» an die unsererseits geforderten Social Standards zu binden (bspw. keine Entlassungen), war ein Tiefpunkt der schweizerischen Pandemiepolitik.
Wie entwickelt sich die gewerkschaftliche Arbeit im Luftverkehr insgesamt?
Der Luftverkehr ist eine sehr volatile Branche. Endlich hat sich die Diskussion um Klimaschutz insofern ausgewirkt, dass sich die Branche auf «Nachhaltigkeit» und Verwendung klimaneutraler (synthetischer) Treibstoffe fokussiert. Dies ist wichtig, damit die Arbeitsplätze erhalten bleiben und der Luftverkehr ein sinnvoller Teil in der Mobilitätskette bleiben kann.
Bedauerlicherweise haben Low-Cost-Carriers mit mehrheitlich lausigen Arbeitsbedingungen und ohne GAV den ruinösen Preiskampf bereits wieder lanciert, und die Überkapazitäten tragen ebenfalls zu einer ungesunden Entwicklung bei. Der Personalmangel hat zwei Seiten: Einerseits ist zu erwarten, dass die anhaltenden Rekrutierungsprobleme der Luftverkehrsbranche uns helfen, bessere Arbeitsbedingungen zu erkämpfen. Andererseits bezahlen aktuell viele Mitarbeitende einen hohen Preis, da sie mit weniger Ruhezeiten und anhaltendem Zeitdruck und Stress die Arbeit fehlender Kolleg:innen wettzumachen versuchen müssen.
Welche Herausforderungen erwarten SEV-GATA?
Die Arbeitsbedingungen im Luftverkehr sind prekär. Um dies zu verbessern, kämpfen wir für einen höheren Organisationsgrad, für Branchenlösungen (durch Druck auf vertragslose Anbieter) und für internationale Standards. Mitarbeitende der Luftfahrt müssen als Teil des kollektiven Verkehrs zwingend auch zu gleichwertigen Bedingungen arbeiten können. Dazu braucht es auch das solidarische Engagement aller SEV-Mitglieder.