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Swissport-Versammlung

«Wer 100% arbeitet, muss davon lebenkönnen!»

Die Coronakrise hat die Aviatik-Branche in eine endlose Spirale von Sparmassnahmen gestürzt. Die Bodenabfertigungsfirma Swissport Zürich muss dringend sparen, doch die Verhandlungen über den Sozialplan und temporäre Anpassungen zum Gesamtarbeitsvertrag (GAV) wurden abgebrochen. Die Mitglieder von SEV-GATA stimmen für die Wiederaufnahme.

Swissport beschäftigt am Flughafen Zürich rund 2500 Mitarbeitende, unter anderem in den Bereichen Check-in und Gate, Gepäckdienste und Pushback. Durch die fehlenden Einnahmen aufgrund der Covid-19-Pandemie steht die Firma aktuell unter grossem finanziellem Druck. In Anbetracht möglicher Entlassungen und damit der Normalbetrieb wieder aufgenommen werden kann, verhandelten die Sozialpartner im Juni über einen neuen Sozialplan sowie temporäre Anpassungen im GAV. «Der Sozialplan und die GAV-Anpassungen waren von Anfang an ein Paket, wir haben beides zusammen verhandelt und wollten entweder beides einführen oder nichts», erklärt Regula Pauli, zuständige SEV-Gewerkschaftssekretärin. «Mit den temporären Anpassungen würde der GAV um ein Jahr verlängert, denn wir wollten nicht 2021 einen neuen GAV verhandeln.» Im Jahr 2022 hofft die Verhandlungsdelegation, bestehend aus Regula Pauli, Andreas Marti, Thomas Blum und Alexandros Fokas vom SEV sowie Vertreter/innen vom VPOD und vom Kaufmännischen Verband, auf eine bessere Ausgangslage.

Die Verhandlungen im Juni waren jedoch fruchtlos. Swissport International hätte den neuen Sozialplan akzeptiert, nicht aber die GAV-Anpassungen; so scheiterte das Verhandlungsresultat als Ganzes. «Sie finden, wir hätten in dieser kritischen Lage noch mehr Zugeständnisse machen müssen», sagt Pauli. Da nun auch Swiss, beziehungsweise deren Mutterfirma Lufthansa, stark auf die Preise drückt, muss Swissport die Kosten weiter herunterfahren. Sonst ist zu befürchten, dass die Lufthansa die Bodenabfertigung oder Teile davon an einen Konkurrenten – wohlgemerkt ohne GAV – vergibt. Dies wäre für Swissport Zürich existenzbedrohend: Die Swiss ist in Zürich ihr grösster Kunde . Ob die Verhandlungen unter diesen Umständen wieder aufgenommen werden, mussten die Mitglieder von SEV-GATA an einer Versammlung am 12. August entscheiden.

Die Mitglieder entscheiden

Zu Beginn der Versammlung erklärte Regula Pauli die Ausgangslage und präsentierte die abgelehnten Verhandlungsresultate der temporären GAV-Anpassungen und des neu verhandelten Sozialplans. Vor der Abstimmung entstand eine Diskussion unter den Mitgliedern. Zunächst kam die Frage auf, was geschieht, falls es keine weiteren Verhandlungen gibt. «Dann gilt vorerst weiterhin der aktuelle GAV und Sozialplan», erklärte die Gewerkschaftssekretärin. «Sollte dieser aber gekündigt werden, müsste ein neuer Sozialplan ausgehandelt werden.»

Mehrere Teilnehmende bezweifelten, dass die Lufthansa den Swiss-Auftrag in Zürich tatsächlich an eine andere Firma vergeben würde. «Damit drohen sie doch seit Jahren vor jeder Verhandlung», meinte ein Mitglied. «Aber keine der beiden Konkurrenzfirmen wäre überhaupt fähig, das ganze Auftragsvolumen zu übernehmen.» Andreas Marti betonte hierzu jedoch, dass bereits ein Teilverlust des Auftrags Swissport an seine existenziellen Grenzen bringen könnte.

Existenzängste beim Personal

Viele der anwesenden Mitglieder fühlen sich von der Firma ausgenutzt, seit Anfang Jahr haben schon über 200 Mitarbeitende Swissport verlassen. «Manche meiner Kollegen müssen sich sogar verschulden, um zu überleben», erzählte ein Teilnehmer. «Das kann doch nicht sein. Wer 100% pro Woche arbeitet, muss davon leben können!» Er fürchtet sich davor, noch mehr hergeben zu müssen. Marti konnte ihn beruhigen: «Klar fordern sie aktuell extrem viel, weil sie denken, wir tun alles, um unsere Jobs zu retten. Ich verspreche euch, dass wir nichts verhandeln werden, wo wir nicht dahinterstehen können. Aber uns den Verhandlungen zu verweigern, bringt auch nichts und am Schluss können immer noch die Mitglieder über das Resultat befinden.» Regula Pauli erklärte weiter: «Das ist auch der Grund, warum wir weiterhin im Paket verhandeln wollen – Sozialplan und GAV zusammen – und uns weiterhin an temporären Anpassungen orientieren wollen.»

Schliesslich haben Regula Pauli und Andreas Marti die Mitglieder überzeugt: Sie stimmten einstimmig dafür, die Verhandlungen über die temporären GAV-Massnahmen und den Sozialplan wieder aufzunehmen, und zwar im Paket.

Inzwischen haben sich auch die anderen Verbände für eine Wiederaufnahme ausgesprochen und so gehen die Verhandlungen Ende August weiter.

Karin Taglang