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Kongress

Christian Fankhauser, ein Weg abseits der Norm

Der Kongress wird am 4. Juni einen neuen Vizepräsidenten wählen. Nominiert als Nachfolger von Manuel Avallone ist Christian Fankhauser. Dieser ist in den Kreisen des VPT bestens bekannt, weniger jedoch in den SBB-Unterverbänden und in der Deutschschweiz. Eine Begegnung.

Christian Fankhauser am 1. Mai 2019 in Freiburg.

«Es war mir nicht vorbestimmt, Gewerkschafter zu werden, noch viel weniger ein allfälliger Aufstieg zum Vizepräsidenten des SEV», schmunzelt Christian Fankhauser. In einer Kaffeepause beschreibt er seinen gar nicht typischen Weg. Aufgewachsen in Tramelan (Berner Jura), gehörte er zu den Kindern, die «eigentlich nicht für die Schule gemacht sind», zumal das System schon den Zehnjährigen nicht mehr wirklich Spielraum lässt. «Nach der obligatorischen Schulzeit folgte eine kaufmännische Lehre in einem mechanischen Betrieb in meinem Geburtsort. Dort hatte ich meine erste Begegnung mit einer Gewerkschaft, dem SMUV, aber ich habe mich für den Beitritt zum Kaufmännischen Verband entschieden, dessen Ausbildungsangebot besser zu meinem Beruf passte.»

Seine gewerkschaftliche Ader entwickelt sich bei der Lektüre von Emile Zola, genauer von «Die Bestie im Menschen» («La bête humaine»). So landet er bei der Gewerkschaft Bau und Holz (GBH) in Zürich, um die Westschweizer Sektionen bei der Rechnungsprüfung zu unterstützen. Einige Jahre später wechselt er zu IBM: «Ende der 80er Jahre ist die Informatik voll im Boom. Auf Hochtouren wird eingestellt, und ich begegne in Zürich den verschiedensten Menschen. Aber eine grosse Umstrukturierung zwingt meinen Vorgesetzten zur Frühpensionierung, nachdem er sein ganzes Berufsleben im Betrieb verbracht hat. Ich verspürte grosse Ungerechtigkeit und völliges Unverständnis. Ich bin gegangen und habe mich arbeitslos gemeldet.»

Von der GBI zum SEV

Das ist der Wendepunkt. Nun sucht er sein Glück bei der Gewerkschaft Bau und Industrie (GBI): «Ich rechnete nicht damit, dass sie mich als Verantwortlichen für die Sektion Waadt-Nord nehmen. Ich hatte nie dreckige Hände von der Arbeit», erinnert er sich. «Aber meine professionelle Einstellung bei der GBH hat sich ausgezahlt.» Er bleibt zehn Jahre, dann trifft er bei einer Weiterbildung an der Uni Genf den SEV-Gewerkschaftssekretär Eric Levrat. «Ich habe mich beworben, weil der SEV in der Westschweiz ausbauen wollte. Bis dahin sah ich den SEV als sehr kompromissorientierte Gewerkschaft. Für mich, der von der GBI mit ihrer harten Linie kam, erschien das unvereinbar. Das kämpferischere Bild der Sektionen TPG und TL hat mich aber ermutigt, und ich hatte Lust, am Aufbau des SEV-Regionalsekretariats in Lausanne mitzuwirken.»

Seit 15 Jahren ist der Junge aus Tramelan, der zum Gewerkschafter geworden ist, nun für die VPT-Sektionen im Einsatz. Er ist Koordinator der Branche Bus und hat mehrere Kampagnen auf die Beine gestellt, etwa gegen die Aggressionen im öffentlichen Verkehr und für den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz.

Im Juli wird er 56 Jahre alt und stellt sich nun darauf ein, wohl Vizepräsident zu werden. Was will er erreichen? «Die Arbeitswelt ist in den letzten Jahrzehnten härter geworden, auch im öffentlichen Verkehr. Ich bin überzeugt, dass wir uns noch angriffiger zeigen müssen, besonders angesichts der Digitalisierung. Ich möchte unsere Organisation nach einem Grundsatz weiterentwickeln, der mir viel bedeutet: Auf der Basis von klaren Mandaten vertreten wir die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.»

Über das Persönliche hinaus wird die Wahl von Christian Fankhauser auch zum Wendepunkt für die Romands, die seit dem Tod von Pierre-Alain Gentil vor zehn Jahren nicht mehr in der SEV-Geschäftsleitung vertreten waren.

Vivian Bologna, Übersetzung: Peter Moor

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