Interview mit Giorgio Tuti nach 100 Tagen als Präsident der ETF-Eisenbahnsektion
«Ich kämpfe gegen Dumping!»
Seit 100 Tagen steht SEV-Präsident Giorgio Tuti der-Eisenbahnsektion der Europäischen Transportarbeiter-Föderation (ETF) vor. Das ist ein guter Grund, die heissen Themen der Eisenbahnpolitik genauer zu betrachten.
Giorgio, wie fühlst du dich nach 100 Tagen an der Spitze der ETF-Eisenbahnsektion?
Ich fühle mich wohl an der Seite meines Steering Committees, das aus 8 Personen besteht, die sehr gute Zusammenarbeit leisten. Das habe ich während unserer Retraite vom 4. und 5. Juli bemerkt, wo wir gemeinsam unsere Arbeitsweise festgelegt und die Aufgaben verteilt haben. Das Klima war sehr kollegial und konstruktiv. Wir sind ein echtest Team – das ist mir sehr wichtig.
Mit welchen Problemen hat das Personal der europäischen Eisenbahnen zurzeit vor allem zu kämpfen?
Für die Arbeit der ETF-Eisenbahnsektion wurden am ETF-Kongress Ende Mai in Barcelona drei Prioritäten festgelegt: der Kampf gegen Privatisierung und Liberalisierung, das Bekämpfen von Sozialdumping und den Schutz der Arbeitnehmenden einerseits und der Eisenbahn andererseits. Das Steering Committee hat jetzt einen Aktionsplan erstellt, den die Eisenbahnsektion am 30. November diskutieren wird.
Woraus besteht dieser Aktionsplan? Kannst du uns Einblick in die wichtigsten Punkte gewähren?
Der Fokus liegt natürlich auf den Prioritäten, die ich eben aufgezählt habe. Der Plan ist in drei Phasen unterteilt: In einem ersten Schritt werden die schlimmsten Dumping-Praktiken in Europa – also Dumping bei Lohn, Arbeitszeit und in Bezug auf die Sicherheit – zusammengetragen und analysiert.
In der zweiten Phase werden wir diese Praktiken öffentlich verurteilen und im dritten und letzten Schritt mit den Arbeitgebern im Rahmen des sozialen Dialogs verhandeln, und zwar in den einzelnen Ländern und in der Europäischen Union. Der Kampf gegen Dumping sollte auch in ihrem Interesse sein…
Diese Probleme lassen sich wohl kaum in zwei Monaten beheben. Wie sieht der Zeithorizont aus?
Am 28. September hatten wir eine Sitzung mit den Arbeitgebern. Dort wurde ein Arbeitsprogramm für den sozialen Dialog auf die Beine gestellt, als Vorbereitung auf das «Plenary Meeting» am 1. Dezember, wo Verhandlungen stattfinden werden. Die Delegationen jeder Partei bestehen aus maximal 28 Mitgliedern.
Am 1. Dezember werde ich als Präsident der ETF-Eisenbahndelegation das Steuer in die Hand nehmen und den sozialen Dialog während den nächsten zwei Jahre leiten. Dies erfolgt in einem abwechselnden Turnus zwischen der Arbeitnehmer- und der Arbeitgeberseite.
Wir sprechen viel über den europäischen sozialen Dialog. Kannst du noch einmal erklären, was das heisst?
Der soziale Dialog ist eine Diskussionsplattform zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, den die EU vorgeschlagen hat. Es gibt ihn in zahlreichen Branchen. Diese Plattform kann Empfehlungen für die Eisenbahnbranche abgeben oder verbindliche Vereinbarungen eingehen.
Vivian Bologna / kt