Kongress zur Verteidigung der Renten
Pensionierte stellen Forderungen an Politik
Rund 300 Rentner/innen haben am 31. August in Gossau klare Forderungen zur Altersvorsorge verabschiedet: Hände weg von bestehenden Renten und vom Mischindex der AHV sowie Ausbau der AHV auf Kosten der krisenanfälligen 2. Säule.
Trotz wunderbarem Wetter war der Fürstenlandsaal in Gossau gestossen voll, als SEV-Präsident und SGB-Vizepräsident Giorgio Tuti den «Kongress zur Verteidigung der Renten» eröffnete. Organisiert wurde dieser von den Gewerkschaften SEV, VPOD und Syndicom und vom Gewerkschaftsbund des Kantons St. Gallen, und zwar als «bodenständigere Gegenveranstaltung» (so Tuti) zum «World Ageing & Generations Congress», der in der gleichen Woche an der Hochschule St. Gallen stattfand.
Am Beispiel der Pensionskasse SBB zeigte Tuti kurz die Krisenanfälligkeit der 2. Säule auf: Die Kasse wurde 1999 bei ihrer Verselbständigung nicht korrekt ausfinanziert, erhielt insbesondere keine Wertschwankungsreserve und geriet so beim Börsenkrach von 2001 in eine starke Unterdeckung. Daraus fand sie aus eigener Kraft nicht mehr heraus, trotz schmerzlicher Sanierungsmassnahmen. Auch die Pensionierten leisten ihren Beitrag, indem sie seit 2004 auf den Teuerungsausgleich auf ihren Renten verzichten müssen.«Es reicht!»
«Doch gewisse Politiker fordern immer ungenierter, man solle den Pensionierten sogar die Renten zu kürzen», warnte Tuti und stellte unter Beifall klar: «Das kommt nicht in Frage, es reicht!»
Auch die von bürgerlicher Seite angestrebten Leistungsverschlechterungen bei der AHV seien klar abzulehnen – erst recht angesichts der Probleme der 2. Säule, betonte Tuti. Die AHV müsse im Gegenteil ausgebaut werden.
Forderungen an die Politik:
Sichere Renten für ein sicheres Alter
- Die wohlerworbenen Ansprüche auf die Renten der Pensionskassen dürfen nicht angetastet werden.
- Die Leistungen der AHV dürfen nicht geschmälert werden. Die AHV-Renten müssen weiterhin regelmässig der Teuerung und der Lohnentwicklung angepasst werden.
- Die AHV muss gestärkt und ihre Leistungen ausgebaut werden. Nur so kann sie dem Kernauftrag gerecht werden, der Bevölkerung im Alter den Lebensstandard zu sichern.
Verabschiedet vom «Kongress zur Verteidigung der Renten» am 31. August 2011 in Gossau
Stimmen aus dem Publikum:
Rina Marchi aus Zürich, ehem. Betriebssekretärin im Güterbahnhof Zürich, pensioniert seit 1991: «Als Betreuerin der PV-Sektion Zürich treffe ich oft auf Mitglieder, die finanzielle Sorgen haben, vor allem ehemalige Arbeiter und Witwen. Es gibt solche, die sich kaum einen Kaffee im Restaurant leisten können.»
Ernst Widmer aus Herisau, ehem. Lokführer der BT (heute SOB), pensioniert seit 1999: «Ich bin gekommen, weil das Thema brennt und um Solidarität zu zeigen – auch mit den Jungen. Denn falls unsere Renten gekürzt würden, müssten auch sie mal damit rechnen.» Seine Pensionskassenrente ist seit Jahren gleich geblieben. Trotzdem kann er noch «recht» leben, u.a. weil er schon vor langer Zeit auf ein Auto verzichtete und in ein Haus investierte.
AHV nicht demontieren, sondern stärken!
Die Schwäche der 2. Säule müsse kompensiert werden durch eine Stärkung der AHV, um die Existenzsicherung im Alter gemäss Verfassungsauftrag zu gewährleisten, hielt auch Alt-Bundesrätin Ruth Dreifuss fest. Anders als die «zerbrechliche, von den Finanzmärkten abhängige 2. Säule» habe sich die AHV nämlich seit ihrer Einführung im Jahr 1948 als sehr stabil erwiesen. Trotz steigender Lebenserwartung und immer mehr Rentner/innen seien nur drei «absolut tragbare» Beitragserhöhungen nötig gewesen. Dies deshalb, weil die AHV sehr einfach, unbürokratisch und mit dem realen Wirtschaftswachstum, das die Menschen erarbeiten, direkt verbunden sei. «Und weil die Beitragspflicht nach oben unbeschränkt ist, während die höchste Rente nur doppelt so hoch ist wie die tiefste.»
Die AHV sei nicht nur ein wichtiges Instrument gegen die Altersarmut, sondern auch für die Umverteilung der Einkommen, erklärte Dreifuss und forderte, dass sich andere Sozialversicherungen an der AHV ein Beispiel nehmen sollten, zum Beispiel die Arbeitslosenversicherung mit ihrer Beitragsplafonierung. Mit der neoliberalen Politik sei in den letzten Jahren die Umverteilung versäumt worden. Das führe letztlich zu Wirtschaftskrisen wegen mangelnder Nachfrage.
Kampf auch für die Jungen
«Uns Rentner/innen geht es nicht nur um unsere eigenen Renten, sondern um die Sicherung des ganzen Systems auch für die jetzigen Aktiven, um eine soziale Schweiz», unterstrich Dreifuss. «Wir kämpfen auch für unsere Grosskinder!»
«Nach den Wahlen kommt es knüppeldick!», warnte SGB-Präsident Paul Rechsteiner. Er machte darauf aufmerksam, dass bürgerliche Parlamentarier die regelmässige Anpassung der AHV-Renten an die Lohn- und Preisentwicklung (Mischindex) torpedieren wollen, was auf eine Rentensenkung hinausliefe. «Damit könnten sich auch die Jungen nicht mehr auf die AHV verlassen!»
Kampf für soziale Gerechtigkeit
«Während früher bürgerliche Innenminister wie Hans Hürlimann oder Alphons Egli ebenfalls noch stolz waren auf die AHV, haben ihre Nachfolger Couchepin und Burkhalter die AHV ständig schlecht gemacht», klagte Rechsteiner. Doch die AHV schreibe noch immer schwarze Zahlen…
Der SGB-Präsident verwies auch auf den Vorschlag von bürgerlicher Seite, den Mindestumwandlungssatz für die Pensionskassenrenten aus dem Gesetz zu entfernen, um ihn der politischen Diskussion zu entziehen und weitere Rentenkürzungen einfacher durchzubringen.
Zusammenfassend forderte Paul Rechsteiner eine Gegenbewegung zur Verschlechterung der Altersvorsorge und die falsche, unsoziale Umverteilung von unten nach oben der letzten Jahre. In die gleiche Kerbe schlugen Syndicom-Co-Präsidentin Danièle Lenzin und VPOD-Generalsekretär Stefan Giger in ihren Referaten.
Zum Schluss verabschiedete der Kongress Forderungen an die Politik, die von Edith Graf-Litscher, Gewerkschaftssekretärin SEV und Nationalrätin SP/TG, vorgestellt wurden (siehe Kasten). Und Kongress-Moderator Peter Hartmann, Gewerkschaftssekretär SEV, erinnerte an die nationalen Wahlen im Herbst. «Nur die grössten Kälber wählen ihre Metzger selber».
Markus Fischer