Kampagne gegen Gewalt an Frauen
Sexistische Sprache hindert Frauen an der gesellschaftlichen Entfaltung
Vom 25. November bis 10. Dezember findet auf Initiative des Christlichen Friedensdienstes die Kampagne «16 Tage gegen Gewalt an Frauen» statt, die von der Frauenkommission SEV unterstützt wird.
Frauen erleben verschiedene Arten von Gewalt: physische und psychische, vor allem aber alltägliche strukturelle Gewalt. Strukturelle Gewalt ist alles, was Individuen daran hindert, ihre Möglichkeiten voll zu nutzen.
Eine ganz subtile Form struktureller Gewalt an Frauen stellt die Alltagssprache dar, in der Frauen nicht vorkommen bzw. bestenfalls «mitgemeint» sind. Ob Letzteres überhaupt der Fall ist, lässt sich nicht immer herausfinden. Diese besondere Art von Gewalt wird Sexismus genannt, eine Haltung, welche eine Person aufgrund ihres Geschlechts (betrifft Frauen wie Männer!) abwertet, ausschliesst, negiert und stereotypisiert.
Die Alltagssprache steht mit der Wirklichkeit in einer Wechselbeziehung: Sie widerspiegelt die Machtverhältnisse innerhalb einer Gesellschaft, drückt eine bestimmte Haltung aus und erschafft bzw. verstärkt so die gesellschaftliche Realität. Dies bedeutet auch, dass bewusste Änderungen auf der sprachlichen Ebene soziale Beziehungen zu verändern vermögen, und dass Veränderungen in der Gesellschaft ihrerseits die Sprache beeinflussen.
Nicht sexistische Sprache trägt zur Gleichstellung bei
Die Macht der sexistischen Alltagssprache behindert die Frauen in ihrer gesellschaftlichen Entfaltung. Eine nicht sexistische Sprache führt zu einer stärkeren Wahrnehmung der Frauen in der Gesellschaft und trägt damit zur Gleichstellung der Geschlechter bei.
Eine geschlechtergerechte Sprache ist daher kein zweitrangiges Problem für unsere Gesellschaft. Dass sie sich noch nicht durchgesetzt hat, liegt einerseits an der Angst der Männer vor Machtverlust, andererseits daran, dass die Frauen die sexistische Alltagssprache und die damit zusammenhängenden gesellschaftlichen Verhältnisse zu einem hohen Grad ebenfalls verinnerlicht haben.
Mit dem Erlernen der «Muttersprache» übernehmen wir automatisch die darin enthaltene Betrachtungsweise gesellschaftlicher Verhältnisse. Durch den unveränderten Gebrauch tragen wir dazu bei, dass diese Verhältnisse Bestand haben. Die Sprache dient sowohl der Fixierung von Werthaltungen als auch der Verstärkung von Vorurteilen.
Feminine und maskuline Formen oder neutrale Formen
Wollen wir die Werthaltungen so verändern, dass die Geschlechter als gleichberechtigt wahrgenommen werden, müssen wir unsere Alltagssprache verändern: Überall, wo von beiden Geschlechtern die Rede ist, sind sowohl feminine wie maskuline Formen oder neutrale Formen zu verwenden. Nicht zuletzt wird dadurch auch Klarheit gewonnen.
Selbstverständlich führt die Veränderung der Sprache allein noch nicht automatisch zur sozialen Gleichstellung der Frauen. Ich bin aber überzeugt, dass die sexistische Sprache mitschuldig ist an den geringen Fortschritten der Gleichstellungsbemühungen. An wichtigen Schalthebeln der politischen und wirtschaftlichen Macht sowie in technischen Berufen bilden die Frauen immer noch eine verschwindend kleine Minderheit. Wo es an der sprachlichen Repräsentation der Frauen mangelt, fehlen Frauen eben auch in der Realität.
Barbara Amsler, Gleichstellungsbeauftragte SEV