| Medienmitteilungen

Fragwürdige Eile

SBB Cargo streicht 49 Lokführerstellen in Arth-Goldau und Brig

Mit der Inbetriebnahme des Ceneri-Basistunnels im Dezember, und der Fertigstellung der Neat, stellen sich Fragen zur Zukunft des Depots Goldau. Das war zu erwarten und allen Stakeholdern bekannt. Doch der nun überstürzt erfolgte Schliessungsentscheid ist für die Gewerkschaft des Verkehrspersonals SEV fragwürdig.

Arth-Goldau.

Anfang Jahr hielt der damalige CEO von SBB Cargo, Nicolas Perrin, anlässlich eines Besuches in der Region noch fest, das Depot Goldau brauche es auch in Zukunft. Aufschnaufen war angesagt, Gerüchte über die Depot-Schliessung vom Tisch. Mitarbeitende, die vor wenigen Jahren von Erstfeld nach Goldau zu wechseln hatten, konnten beruhigt sein.

Wenige Monate später nun die Kehrtwende: Die CEO von SBB und SBB Cargo sind ausgewechselt und plötzlich, von der Division Infrastruktur diktiert, soll schon bald kein Halt in Goldau mehr möglich sein. «Das wirft Fragen auf. Offenbar hat man keine Geduld abzuwarten, wie sich die Verkehrsabwicklung im ordentlichen Betrieb der Neat-Optionen gestaltet», sagt Gewerkschaftssekretär Philipp Hadorn, der beim SEV für Cargo zuständig ist.

Als «Anhängsel» eines vom SEV verlangten Spitzengesprächs zu den ungehörigen Sparforderungen von SBB Cargo stellte die Cargo-Leitung am 9. November 2020 der SEV-Delegation auch noch das neue Vorgehen i.S. Depot Goldau vor. Umgehend verlangte der SEV die Einberufung eines Runden Tisches. «Dabei geht es uns darum abzuwägen, ob die getroffenen Massnahmen alternativlos und wirklich zielführend sind», erklärt Philipp Hadorn. Einen umfassenden Fragenkatalog hat der SEV bereits eingereicht, was offensichtlich zu Verzögerungen in der Koordination des Runden Tisches seitens SBB Cargo führte.

«Für den SEV ist klar: Das Güterverkehrsgeschäft darf nicht aufgrund von betrieblichen Bedürfnissen (Infrastruktur) zulasten von SBB Cargo und deren Mitarbeitenden beeinträchtigt werden», betont Hadorn. «Nicht ohne Grund hat der neue CEO der SBB noch vor wenigen Wochen einen Zwischenhalt in diesem Projekt angeordnet. Die Kehrtwende droht den grossen Vertrauensbonus von Vincent Ducrot infrage zu stellen. Mit dem Mut, mögliche Fehlentscheidungen zu korrigieren, kann ein Manager auch wieder Vertrauen schaffen. Dies wäre den bereits genügend von Unsicherheiten geplagten Cargo-Mitarbeitenden zu gönnen», sagt Philipp Hadorn. Fortsetzung folgt.

Für weitere Auskünfte:

Philipp Hadorn, Gewerkschaftssekretär SEV, 079 600 96 70

49 Stellen gestrichen – die Argumente von SBB Cargo

Unter dem Titel "Neue Einsatzmöglichkeiten für Lokpersonal" machte SBB Cargo am 16. November um 18 Uhr via Blog publik, 45 Lokführerstellen in Arth-Goldau bis Ende 2022 zu streichen, sowie vier in Brig. Dort könnten vier Lokführer zum Personenverkehr wechseln, erklärt Cargo. Für die Lokführer von Arth-Goldau habe eine Arbeitsgruppe «intern und extern 35 mögliche Stellen beim Personenverkehr, bei SBB Cargo International, in anderen Cargo-Depots sowie bei der SOB definiert», weitere würden folgen. Der Wechsel könne ab Januar 2021 bis spätens Ende 2022 erfolgen. Cargo versicherte, "dass für alle betroffenen Lokführer eine Lösung besteht und sie nach Möglichkeit innerhalb der SBB weiterbeschäftigt werden."

Cargo begründet den Stellenabbau damit, dass mit der fertigen Neat (Ceneri-Basistunnel) Halte in der Zentralschweiz "betrieblich", also aus Sicht von SBB Infrastruktur, unmöglich würden. Deshalb würden die Lokführerwechsel an den Grenzpunkten in Basel und Chiasso vorgenommen. "Bis Ende 2022 konnte SBB Cargo jedoch Halte in der Zentralschweiz sicherstellen." Zudem habe der internationale Verkehr in Arth-Goldau und Brig "aufgrund der stagnierenden Wirtschaft und der Coronakrise" abgenommen. "Das heisst, das Lokpersonal von SBB Cargo kann an diesen Standorten bereits ab dem Fahrplanwechsel im Dezember 2020 nicht mehr voll ausgelastet werden."

Argumente der betroffenen Lokführer

Statement von Beat Kieliger, Koordinator Cargo im Zentralvorstand Unterverband LPV, in der SEV-Zeitung Nr. 13 vom 24. September 2020, im Dossier zur Eröffnung des Ceneri-Basistunnels:

«Der Ceneri-Basistunnel darf nicht zum Anlass genommen werden, das Cargo-Depot Goldau zu schliessen. Wir produzieren von der Mitte der Schweiz aus zwischen Chiasso und Basel, Solothurn Rbl und Buchs, sehr erfolgreich nach Singen und sogar nach Mannheim. Beim Unterbruch in Rastatt trug unser Depot wesentlich dazu bei, den Verkehr am Laufen zu halten. Auch unsere Zusammenarbeit mit SBB Cargo International macht weiterhin Sinn. Zudem stammen viele der ca. 50 Lokführer in Goldau aus dem ehemaligen Cargo-Depot Erstfeld und wollen nicht nach Zürich oder Basel wechseln. Manche könnten zu anderen Bahnen abspringen, was bei diesem extremen Lokführermangel bei der SBB keinen Sinn macht. Wenig überzeugend ist das Argument seitens Infrastruktur, dass ein Lokführerwechsel von ca. 5 Minuten in Goldau den Verkehr verzögert, denn viele Züge müssen vor dem Gotthard-Basistunnel eh warten. Auch stimmt es nicht, dass im Raum Goldau Gleise zum Überholenlassen anderer Züge fehlen, zumal vorläufig kaum viele 750-Meter-Züge fahren werden. Zumindest Deutschland ist noch lange nicht bereit dazu. Ich finde es recht zynisch, wegen drei Wagen mehr in wenigen Güterzügen 50 verdiente Kollegen so vor den Kopf zu stossen.»