Darf mir der Arbeitgeber kündigen, auch wenn ich krankgeschrieben bin?
Glücklicherweise kommt es selten vor, doch in bestimmten Fällen ist eine Entlassung auch während einem krankheitsbedingten Arbeitsunterbruch möglich. Während einer Krankheit ist man vor einer Kündigung nicht absolut geschützt. Dies hat neulich ein Arbeitsgerichtsurteil wieder aufgezeigt.
Albert (Name geändert) tritt im März 2008 als Aushilfe in eine Bahnrestaurationsfirma ein. Er wird mehrmals verwarnt, weil er Verkäufe nicht wie vorschriftsgemäss erfasst hat. Mit der letzten Verwarnung erhält er eine Kündigungsdrohung. Danach normalisiert sich die Situation.
Im Oktober 2009 erleidet Albert einen Arbeitsunfall. In der Folge ist er während anderthalb Monaten ganz arbeitsunfähig. Während einem weiteren Monat kann er nur zu 50 % arbeiten. Anschliessend arbeitet er kurze Zeit wieder voll, bis er erneut zu 100 % krankgeschrieben wird.
Krank und doch auf der Arbeit
In dieser Phase geschieht etwas, das den Arbeitgeber durchgreifen lässt: Albert wird Ende Januar 2010 von mehreren Mitarbeitenden beim Verkaufen von Getränken in einem Zug beobachtet – ohne Billet, aber in Uniform. Die Reaktion lässt nicht lange auf sich warten: Schon am folgenden Tag erhält Albert einen Brief, in dem ihm im Wiederholungsfall mit fristloser Entlassung gedroht wird. Einen Monat später – Albert arbeitet inzwischen wieder zu 50 % – löst das Unternehmen den Arbeitsvertrag unter Einhaltung der Kündigungsfrist auf. Albert ist danach wieder zu 100 % krankgeschrieben bis Ende März 2010.
Der Kollege stellt beim SEV ein Rechtsschutzgesuch und erhält einen Anwalt zu seiner Verteidigung. Dieser klagt beim Arbeitsgericht wegen missbräuchlicher Kündigung und verlangt eine Wiedergutmachung des immateriellen Schadens.
Doch das Arbeitsgericht urteilt, dass die Kündigung aufgrund des Verhaltens von Albert gerechtfertigt sei. Indem er ohne Billet und in Uniform Getränke verkaufte, während er krankheitsbedingt als arbeitsunfähig galt, habe er eine schwerwiegende Pflichtverletzung begangen.
Unzulässiges Verhalten
Alberts Vorwurf, man habe ihn unter Druck gesetzt wieder zu arbeiten, wiegt angesichts seiner wiederholten Vorschriftsverletzungen nicht schwer. Das Gericht weist die Klage wegen missbräuchlicher Kündigung ab, ebenso die Entschädigungsforderung. Es verlängert lediglich die Kündigungsfrist um einen Monat, weil Albert zuletzt krankgeschrieben war.
Rechtsschutzteam SEV