Abschied von Markus Cadosch
«Die Jugend stimmt mich optimistisch»
Über vier Jahre prägte Markus Cadosch die Arbeit des SEV in der Ostschweiz. Am 1. Mai hat er den SEV verlassen und ist zu neuen Ufern aufgebrochen. Ein Rückblick auf seine Tätigkeiten.
Markus Cadosch ist «Bähnler» durch und durch. Seit 1986 ist er SEV-Mitglied und wird es mit Überzeugung bleiben, wie er sagt. Nach der Lehre zum Kondukteur arbeitete er bei der RhB. Später war er als Videojournalist und Moderator für TV Südostschweiz unterwegs. Er war Projektleiter öffentlicher Verkehr beim Kanton Graubünden und als Ausbildungsleiter bei Login Berufsbildung zog es ihn wieder in die Welt des öV. 2019 begann er als Gewerkschaftssekretär beim SEV zu arbeiten, war zuständig für rund ein Dutzend Sektionen in der Ostschweiz und betreute das SEV-Sekretariat in Chur. Jetzt macht er sich selbständig als Ausbildungsberater für Jugendliche, als freischaffender Fotograf und Chauffeur für den Blutspendedienst. Seine Nachfolge beim SEV übernimmt Roger Tschirky, der im Moment beim ZPV im Zentralvorstand und Koordinator für die RhB ist.
Wenn du zurückschaust, was waren deine schönsten Momente beim SEV?
Ich durfte 2019 sehr präsent auf dem 100-Jahre-SEV-Jubiläumsbus sein. Die tollen Begegnungen mit den Leuten, die wir haben durften, waren sehr berührend. Ganz speziell war es, als wir mit dem Bus Tag und Nacht mitten in der Bahnhofshalle des Hauptbahnhofs Zürich standen. Damals gab es einen tragischen Unfall eines Kollegen bei der SBB und wir hatten das Kondolenzbuch bei uns beim Bus. Die Anteilnahme unserer Kolleginnen und Kollegen, die wir damals spürten, bleibt für mich eine unvergessliche Erfahrung.
Gab es Entwicklungen, die schwierig für dich waren?
Manchmal habe ich das Gefühl, die Konsumhaltung hat zugenommen. Manche Leute erwarten, dass wir vom Profiapparat des SEV alles übernehmen und alle Verantwortung tragen. Und manchmal fehlt einigen Kolleginnen und Kollegen die Solidarität mit anderen Berufsgruppen. Böse gesagt spüre ich gerade bei der Babyboomer-Generation manchmal eine gewisse Selbstzufriedenheit. Aber es gibt viele Lichtblicke.
Lichtblicke?
Ja, ich bin erfreut, dass bei den Sektionen in der Ostschweiz gerade eine Verjüngung stattfindet und das Klischee über faule und konsumgetriebene Jugendliche nicht gilt. Im Gegenteil, ich habe gemerkt, dass bei vielen Jungen ein Gemeinschaftsgefühl zurückkommt. Viele junge SEV-Mitglieder engagieren sich und sind bereit, Verantwortung zu übernehmen. Das stimmt mich sehr optimistisch.
Gibt es auch andere Lichtblicke?
Sicher. In meine Zeit beim SEV fällt ja auch die Coronakrise. Ich war positiv überrascht, wie gut sich die Unternehmen der öV-Branche um ihr Personal gekümmert haben. In meinen Sektionen erhielten alle 100 % des Lohns. Und wir konnten einiges erreichen, zum Beispiel bei der RhB. Der Lohnaufstieg konnte verschnellert werden, nicht nur beim Lokpersonal. Bei diesem konnten wir bei der letzten Lohnrunde endlich gegenüber den anderen Bahnunternehmen aufholen und die Löhne auf ein marktübliches Niveau anheben. Und für Menschen, die körperlich sehr anstrengende Berufe haben, konnten wir ein gutes Pensionierungsmodell ausarbeiten. Wer im Gleisbau oder beim Rangierpersonal arbeitet, kann früher in Pension gehen oder mehr sparen, wenn er oder sie bis 65 arbeitet. Doch auf den Lorbeeren ausruhen können wir uns nicht.
Wo sind denn die aktuellen Herausforderungen?
Der Druck auf das Personal wird wieder wachsen, vor allem, weil der Spardruck seitens des Bundes und der Kantone steigt. Die Politik kommt mir oft ein bisschen «schizophren» vor: Einerseits will sie den öV fördern, weil wir Teil der Lösung im Kampf gegen den Klimawandel sind. Andererseits will sie beim Personal sparen. Ich glaube, man sollte wirklich gut aufpassen, wen man wählt. Ich verstehe nicht, dass man beim öV arbeiten kann und dann Politiker:innen wählt, die in den Parlamenten gegen den öV stimmen. Gerade bei uns in Graubünden sehen wir, wie wichtig der öV ist. Du kommst mit der Bahn oder dem Postauto in jedes «Kaff». Das ist nicht nur wichtig für den Pendelverkehr und den Tourismus, sondern das schafft auch einen Zusammenhalt bei der Bevölkerung. In Graubünden ist man stolz auf die RhB. Das wiederum beweist, warum der öV nicht immer 100 % kostendeckend sein muss. Der immaterielle Wert des Angebots im öV ist unbezahlbar.
Was wünschst du deinem Nachfolger, Roger Tschirky?
Viel Kampfgeist und Durchsetzungsvermögen.
Michael Spahr