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Massenentlassungen BEI der SWISS

Weitere Kündigungen darf es nicht geben

Die Swiss hat beim Bodenpersonal auch viele Mechaniker entlassen. © Swiss International Air Lines AG

Von über 500 Mitarbeitenden hat sich die Swiss im Zuge einer Massenentlassung getrennt. «Viele der entlassenen Mitarbeitenden sind hochspezialisiert und haben Mühe, eine neue Stelle zu finden, und manche haben durch die Entlassung ihre Aufenthaltsbewilligung verloren», berichtet SEV-Gewerkschaftssekretärin Sheila Belometti. Aber auch die verbliebenen Angestellten leiden: Sie haben die gleiche Arbeitslast mit weniger Leuten zu bewältigen und leben in täglicher Angst vor weiteren Entlassungen. «Eine zweite Kündigungswelle wäre fatal, asozial und verantwortungslos», betont Belometti.

Über Monate hinweg haben viele Mitarbeitende der Swiss freiwillig ihre Arbeitspensen reduziert, um der Firma durch die Coronakrise zu helfen. Sie haben auf alles Mögliche verzichtet, haben sogar einen «Krisen-GAV» mit wesentlich schlechteren Bedingungen akzeptiert. Für die Rettung der Swiss und ihre Arbeitsplätze waren sie bereit, alles zu geben. Auch die Öffentlichkeit war gewillt, die prestigeträchtige Schweizer Airline durch die Krise zu bringen: Die Kurzarbeitsentschädigung wurde mehrmals verlängert, und der Bund sprach der Firma mehrere Millionen an Hilfsgeldern zu. Der Dank? Eine Massenentlassung. Im Juni, wenige Monate nach Amtsantritt des neuen CEO Dieter Vranckx, gab die Swiss ein massives Sparpaket bekannt und sprach über 500 Kündigungen aus. Betroffen waren zunächst vor allem technisches, administratives und Kabinenpersonal.

SEV-Gewerkschaftssekretärin Sheila Belometti erlebte das Desaster mit und ist jetzt für die Betreuung der entlassenen, aber auch der verbliebenen Mitarbeitenden zuständig. Sie kritisiert das Vorgehen der Swiss scharf: «Es handelt sich um langjährige, teils hochspezialisierte Mitarbeitende. Viele Ingenieure wurden über Nacht freigestellt und hatten von heute auf morgen keinen Zugang mehr zu ihrem Arbeitsplatz.» Die Kommunikation erfolgte dabei auf einer sehr unpersönlichen Ebene: «Manche erhielten nach Feierabend einen Anruf von ihrem Vorgesetzten, mit dem sie ein paar Stunden zuvor noch Kaffee getrunken hatten.»

Einfach keine Anwort mehr vom Swiss-HR

Für die Swiss sind die Mitarbeitenden offensichtlich nur eine Ressource, die man einfach wegwerfen kann wie ein benutztes Taschentuch, wenn man sie nicht mehr braucht. Dies zeigt sich in der Kommunikation der HR-Abteilung: «Das HR hat mit vielen der entlassenen Angestellten einfach den Kontakt abgebrochen. Sie nehmen keine Anrufe mehr entgegen und antworten nicht auf Anfragen.» Dieses Vorgehen beobachtet die Gewerkschaftssekretärin vor allem bei Problemfällen. Oftmals zog der Verlust des Arbeitsplatzes weitreichende Konsequenzen mit sich, so verloren manche internationale Mitarbeitende zum Beispiel ihre Aufenthaltsbewilligung – in der Schweiz, aber je nach Situation auch in anderen Ländern. Bei der Swiss heisst es nur: «Pech gehabt!»

Geblieben ist den Entlassenen nur der SEV. Dieser unterstützt die betroffenen Mitarbeitenden mit allen Mitteln. Sheila Belometti geht zweimal im Monat «airside», sucht das Gespräch mit den Mitarbeitenden in der Line Maintenance, der Werft und dem Logistikzentrum U7; gleichzeitig läuft eine Massenklage gegen die Swiss, da diese die Konsultationsfrist vor Bekanntgabe der Entlassungen nicht eingehalten hatte (siehe Box). Dabei stellt Belometti fest: «Die entlassenen Mitarbeitenden haben natürlich Existenzängste und müssen sich neue Wege für ihre Zukunft suchen. Doch auch diejenigen, die keine Kündigung erhalten haben, leiden mit. Durch die Massenentlassungen herrschte insbesondere im Sommer ein massiver Unterbestand, während das Reisevolumen trotz Pandemie wieder angestiegen ist.»

Die verbliebenen Leute schuften und schuften, in täglicher Angst vor einem weiteren Peitschenschlag. «Einige der Entlassenen waren solche, die auch mal den Mund aufgemacht und Mängel angesprochen haben. Nun haben viele Mitarbeitende Angst, etwas zu sagen. Sie trauen sich kaum mehr, technische Mängel an den Flugzeugen zu melden!» Man stelle sich vor, was das für die Sicherheit bedeuten könnte.

Wie es nun weitergeht, kann Sheila Belometti noch nicht genau sagen. Die verlängerte Kurzarbeit läuft noch bis Ende Februar, momentan gibt aber vor allem die Impfpflicht für das fliegende Personal ab November zu reden. «Noch ist unklar, wie die Impfpflicht umgesetzt werden soll und was mit dem ungeimpften Personal passieren wird. Es herrscht weiterhin grosse Angst, und das Vertrauen der Mitarbeitenden in die Geschäftsleitung ist gleich Null.» (Siehe auch Zweittext in der Box.)

Klar ist für die Gewerkschaftssekretärin, dass die Swiss keine zweite Entlassungswelle verkraften würde: «Die Massenentlassungen sind eine einzige Katastrophe, weitere Kündigungen wären fatal, asozial und verantwortungslos. Damit würde sich die Swiss als einer der grössten Arbeitgeber im Kanton Zürich jeglicher sozialer Verantwortung entziehen.»

Karin Taglang
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Swiss: Klage von SEV-GATA kommt

Bekanntlich will SEV-GATA, die Luftverkehrsabteilung des SEV, mit einer Präzedenzfallklage nachweisen, dass die Swiss vor ihrer Massenentlassung vom 15. Juni im gesetzlich vorgeschriebenen Konsultationsverfahren die gewerkschaftlichen Rechte verletzt hat: Konkret hat die Swiss den Gewerkschaften viel zu knappe Zeitvorgaben für ihre Eingaben gemacht und ihnen wichtige Informationen zu spät geliefert oder ganz vorenthalten. So hat sie die Erarbeitung von Alternativen zur Massenentlassung sabotiert und solche offensichtlich gar nicht seriös prüfen wollen.

Inzwischen hat SEV-GATA die Dossiers der Klagewilligen gegen die Swiss einem Anwalt übergeben. «Unser Aufruf zur Klagebereitschaft ist auf gebührend Gehör gestossen», sagt SEV-Gewerkschaftssekretär Philipp Hadorn, Präsident von SEV-GATA, befriedigt. Für ihn ist nur allzu verständlich, dass viele Mitglieder von SEV-GATA, die von Massenentlassungen bei der Swiss betroffen waren, nach erster Frustration ihre Kräfte lieber auf die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz konzentrierten, statt sich in Rechtsstreitigkeiten zu investieren. «Dies umso mehr, als SEV-GATA in harten Verhandlungen mit der Swiss erreicht hat, dass sich die Leistungen des Sozialplanes sehen lassen, wozu auch ein Outplacement-Angebot gehört», führt der Leiter des Teams Luftverkehr im SEV weiter aus.

Falls das Gericht die Missbräuchlichkeit der Kündigungen feststellt, sind für die Klagenden die Chancen für eine Entschädigung intakt. Und die Swiss wird ihr ungebührliches Verhalten kaum je wiederholen.
 

Swiss und Covid-19: Kurzarbeit verlängert

Das politische Lobbying der Gewerkschaften für eine Verlängerung der Kurzarbeitsentschädigung hat zum Erfolg geführt: Der Bundesrat hat eine weitere Verlängerung der Anspruchsberechtigung gewährt. SEV-GATA gab der Swiss entsprechend auch die Zustimmung zu ihrem Verlängerungsgesuch unter der Bedingung der Beibehaltung bisheriger übergesetzlicher Standards: keine Lohnreduktionen unter CHF 4000/Monat zuzüglich Familien- und Pikettzulagen plus eine Härtefallregelung.

Impfpflicht für fliegendes Personal, aber nicht für das Bodenpersonal

Während 3G-Regelungen zunehmende Akzeptanz in der Gesellschaft finden, verordnet die Swiss dem fliegenden Personal per Mitte November die 1G-Regelung, also eine Impfpflicht. «Für das Bodenpersonal kommt dies nicht in Frage», stellt SEV-GATA Präsident Philipp Hadorn klar und ergänzt: «Nebst der grundsätzlichen Problematik einer solchen Regelung gibt es beim Bodenpersonal schlichtweg keinen Grund für eine derart drastische Einschränkung der persönlichen Freiheit.»

SEV-GATA
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