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Den Untersten nimmt man weg und den Obersten wird gegeben: Nicht mit uns!

1. Mai-Rede von Giorgio Tuti

Hauptbotschaften der 1. Mai-Rede von Giorgio Tuti, Präsident SEV und Vizepräsident SGB, in Langenthal.

SEV-Präsident Giorgio Tuti bei seiner 1.Mai-Rede in Langenthal.

Zum Rahmenabkommen Schweiz-EU

… Als wir im vergangenen Sommer das Verhandlungsresultat zum Rahmenabkommen CH-EU sahen, kündigten wir sofort anlässlich einer Pressekonferenz an, dass wir jeglichen Abbau beim Lohn- und Arbeitnehmerschutz bekämpfen würden. Und das gilt noch heute. Denn im Rahmen der Verhandlungen zum Rahmenabkommen opferte man unnötig den Lohnschutz, indem man die Voranmeldepflicht kürzte, die Kautionsregeln verschlechterte und die Anzahl der Lohnkontrollen drastisch senkte. Das akzeptieren wir nicht! Bis heute schützen wir in der Schweiz unsere Löhne, ohne jemanden zu diskriminieren, und das soll auch so bleiben. Wir werden nie akzeptieren, dass man dem Lohndumping Tür und Tor öffnet. Wir brauchen geregelte Verhältnisse mit der EU, wir brauchen aber auch geregelte Verhältnisse in der Schweiz. Und dabei ist und bleibt der Lohnschutz ein zentrales Element. ...

Zu den Löhnen

... Es ist einfach ungeheuerlich! Seit 1981 ist die Lohngleichheit in der Verfassung verankert und seit 1996 im Gesetz, und doch beträgt die Lohndiskriminierung der Frauen, d.h. der unerklärte Lohnunterschied bei gleichwertiger Arbeit, nach wie vor 8,4 Prozent. Oder anders ausgedrückt bedeutet das, dass bei gleichwertiger Tätigkeit eine Frau alleine dadurch, dass sie eine Frau ist, weniger verdient als ein Mann. Das ist unterirdisch. Deshalb braucht es Lohnanalysen mit Kontrollen und Sanktionen. Dafür streiken wir am 14. Juni! ...

... Wir haben in der Schweiz ein Kaufkraftproblem. Die Löhne stagnieren in vielen Bereichen, und durch steigende Belastungen wie z.B. durch höhere Krankenkassen- und Pensionskassenprämien sinkt die Kaufkraft der Löhne. Da gilt es anzusetzen, einerseits durch die Durchsetzung von realen Lohnerhöhungen und andererseits durch die Deckelung der Prämienlast, wie zum Beispiel bei den Krankenkassenprämien durch die Prämien-Entlastungs-Initiative. Unter dem Titel „bezahlbare Prämien“ soll kein Haushalt mehr als 10 Prozent seines Einkommens für Prämien ausgeben müssen. …

Zur Last der Krankenkassenprämien

... Die durchschnittliche Belastung der Haushalte durch die Krankenkassenprämien ist von acht Prozent im Jahr 2000 auf über 14 Prozent im Jahr 2018 gestiegen. Vom Lohn und von der Rente fressen die Krankenkassenprämien immer mehr weg. Es gibt zwar Prämienverbilligungen, doch diese wurden in den letzten Jahren fast überall gesenkt. Die Prämien werden aber weiterhin steigen, und dem müssen wir etwas entgegensetzen: die Prämien-Entlastungs-Initiative! Zehn Prozent für Krankenkassenprämien sind mehr als genug! Setzen wir also ein starkes und nötiges Zeichen mit möglichst vielen Unterschriften bis im Sommer. ...

Zu den Renten

... Die Verfassung setzt in Sachen Vorsorge klare Ziele: Die Renten aus AHV und zweiter Säule sollen die «Fortsetzung des gewohnten Lebens in angemessener Weise» ermöglichen. In der Realität sieht es anders aus. Seit 2005 sind die Pensionskassenrenten im Mittel um neun Prozent gesunken. Besonders stark war dies in den letzten Jahren der Fall, und diese Entwicklung setzt sich fort. Die Umwandlungssätze sinken, und um noch stärkere Rentensenkungen zu verhindern, erhöht man die Pensionskassenbeiträge. Man bezahlt also mehr, um am Schluss dennoch eine kleinere Rente zu bekommen. Für uns ist klar: Wir müssen auf die AHV setzen und diese stärken. Wir müssen das Renteneinkommen verbessern: durch die Einführung einer 13. AHV-Rente, wie sie der SGB-Kongress im Dezember letzten Jahres beschlossen hat. Wir arbeiten an einer entsprechenden Initiative. ...

Zum Service public in Europa

... Konkurrenz, Wettbewerb ist das Credo. Wir sehen es in allen Service-public-Bereichen. Im Verkehrsbereich greifen die Unternehmen, um sich im Wettbewerb Vorteile herauszunehmen, immer mehr zu abscheulichen Methoden, indem sie Druck auf die Anstellungs- und Arbeitsbedingungen ausüben. Scheinselbständigkeit, zunehmende Temporärarbeit, Dumping bei der Ausbildung und bei der Sicherheit, Hungerlöhne, Arbeitszeiterhöhungen sind an der Tagesordnung. Blutiger Wettbewerb, statt miteinander eine qualitative hochstehende, sichere und bezahlbare Grundversorgung für die Bevölkerung zu produzieren und zu garantieren. Als Präsident der europäischen Eisenbahnsektion der Europäischen Transportarbeiter-Föderation (ETF) stelle ich diese Entwicklung auch im Eisenbahnsektor fest. Dies gilt es zu bekämpfen, mit allen Gewerkschaften in Europa. ...

Zum öffentlichen Verkehr in der Schweiz

... Auch in der Schweiz wird vermehrt eine Politik des Gegeneinanders statt der Kooperation verfolgt. Den Preis dafür sollen die Mitarbeitenden des öffentlichen Verkehrs bezahlen. Dagegen wehren wir uns. Wir wehren uns gegen die weitergehende Liberalisierung des öffentlichen Verkehrs und gegen Verschlechterungen der Arbeits- und Anstellungsbedingungen des Personals. Wir haben gute Gesamtarbeitsverträge und wollen diese auch behalten, dafür haben wir gekämpft und werden auch weiterhin dafür kämpfen. Und wir werden auch weiterhin gegen Arbeitgeberangriffe kämpfen. Wie z.B. gegen die Abschaffung der Arbeitserschwerniszulage beim SBB-Reinigungspersonal. Hier geht es darum, dass dem Reinigungspersonal eine Zulage in der Höhe von Fr. 1.45/Stunde gestrichen werden soll, eine Zulage für schmutzige Arbeit, darum wird sie auch Schmutzzulage genannt. Die Ersparnis dabei beträgt gerade mal Fr. 200'000.-/Jahr. Gleichzeitig verdient der CEO der SBB alleine über 1 Mio. Franken/Jahr und ist nicht bereit, unter 1 Mio. zu gehen. Das ist eine Frechheit! Den Untersten nimmt man weg und den Obersten wird gegeben: Nicht mit uns!