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Einseitige Vertragsänderung
Hans wendet sich an den SEV-Berufsrechtsschutz und schildert am Telefon aufgebracht, was ihm widerfahren ist: Völlig überraschend hat ihm sein Arbeitgeber mitgeteilt, dass er sich gezwungen sehe, das Pensum von Hans aus organisatorischen Gründen von 100 % auf 60 % zu reduzieren – natürlich mit entsprechender Lohneinbusse. Weiter droht der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aufzulösen, sollte Hans die Pensumsreduktion ablehnen. Zugleich aber hat er zwei jüngeren Mitarbeitenden mit derselben Funktion wie Hans das Pensum erhöht.
Hans fühlt sich unfair behandelt. Seit über 20 Jahren arbeitet er in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis beim selben Arbeitgeber. Seine Arbeit hat er immer tadellos ausgeführt. Nun möchte er wissen, ob das Vorgehen des Arbeitgebers zulässig ist und ob er sich gegen die einseitig angekündigte Pensumsreduktion zur Wehr setzen kann.
Beabsichtigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis einseitig abzuändern und droht er dem Arbeitnehmer für den Fall, dass dieser mit der Verschlechterung der Arbeitsbedingungen nicht einverstanden ist, gleichzeitig die Kündigung an, so handelt es sich um eine sogenannte Änderungskündigung. Die Änderungskündigung als Mittel zur Neugestaltung von Anstellungsbedingungen ist nach Lehre und Gerichtspraxis grundsätzlich zulässig und gültig. Voraussetzung ist aber, dass schlechtere Anstellungsbedingungen nicht per sofort, sondern erst nach Ablauf der Kündigungsfrist in Kraft gesetzt werden.
Missbräuchliche Änderungskündigung?
Unter bestimmten Umständen können Änderungskündigungen aber missbräuchlich sein: Das Bundesgericht geht dann von Missbräuchlichkeit einer Änderungs-kündigung aus, wenn diese als Druckmittel dient, um eine für Mitarbeitende belastende Vertragsänderung herbeizuführen, und wenn sich diese sachlich nicht rechtfertigen lässt. Sachlich nicht zu rechtfertigen ist nach Bundesgericht eine Änderungskündigung insbesondere dann, wenn für die Änderung der Arbeitsbedingungen keine betrieblichen oder marktbedingten Gründe bestehen.
Der Beweis, dass die Änderungskündigung weder aus betrieblichen noch aus marktbedingten Gründen erfolgt, obliegt dem Mitarbeitenden. Dieser Beweis ist naturgemäss schwierig zu erbringen. Der Arbeitgeber wird aber im hier zu beurteilenden Fall Schwierigkeiten haben, dem Gericht ernsthaft glaubhaft zu machen, dass er die Änderungskündigung aus einer betriebswirtschaftlichen oder marktbedingten Logik heraus ausgesprochen hat, zumal er zeitgleich mit der Änderungskündigung zwei jüngeren Mitarbeitenden mit derselben Funktion das Pensum erhöht hat.
Gelingt Hans der Nachweis der Missbräuchlichkeit, so wird das Gericht den Arbeitgeber zu einer Strafzahlung verpflichten, wobei die Höhe im Ermessen des Gerichts steht.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass einseitige Abänderungen privatrechtlicher Arbeitsverhältnisse unter Beachtung der Kündigungsfrist grundsätzlich zulässig sind. Fehlen sachliche, insbesondere betriebswirtschaftliche Gründe, die eine Vertragsänderung aufdrängen, droht dem Arbeitgeber eine Strafzahlung wegen Missbräuchlichkeit. Trotz allfälliger Missbräuchlichkeit bleibt die Kündigung aber gültig.
Hans hat also die Möglichkeit, die Änderungskündigung zu akzeptieren und nach Ablauf der Kündigungsfrist mit reduziertem Beschäftigungsgrad und Verdienst beim bisherigen Arbeitgeber weiterzuarbeiten. Oder er kann die Vertragsänderung ablehnen, den Rechtsweg beschreiten und eine Strafzahlung wegen Missbräuchlichkeit geltend machen.
Rechtsschutzteam SEV