Abstimmung am 13. Juni
CO₂-Gesetz: Kompromiss gegen die Klimakrise
In einem Monat stimmt die Bevölkerung über die Revision des CO₂-Gesetzes ab. Der SEV-Vorstand hat sich bereits im Februar für diese Vorlage ausgesprochen. Nun hat er auch die anderen Abstimmungsparolen gefasst (siehe Seite 4). Ein Nein-Komitee unter der Führung insbesondere von Lobbys der Auto- und Erdölindustrie hat das Referendum ergriffen. Daniela Lehmann, Koordinatorin Verkehrspolitik beim SEV erklärt, wieso der SEV sich für das Gesetz einsetzt.
SEV-Zeitung: Wieso wirbt der SEV für ein Ja am 13. Juni?
Daniela Lehmann: Das klimapolitische Engagement des SEV stützt sich auf unser Leitbild ab. Dort steht zum Beispiel geschrieben, dass wir Verantwortung für den nachhaltigen Umgang mit Ressourcen übernehmen.
Der Klimawandel entwickelt sich zur Klimakrise. Die Schweiz ist als Alpenland vom Klimawandel besonders stark betroffen. Die Erwärmung in der Schweiz ist eindeutig nachweisbar und beträgt vom Beginn der Industrialisierung (1864) bis 2012 rund 2° C, damit übertrifft sie den globalen Wert von 1° C um mehr als das Doppelte. So ist beispielsweise die Nullgradgrenze im Winter seit den 1960er-Jahren um etwa 300 Meter gestiegen.
Warum ist dieses Gesetz so wichtig für den öffentlichen Verkehr?
Die Totalrevision des CO₂-Gesetzes ist das grundsätzliche Eingeständnis, dass wir etwas gegen den Klimawandel unternehmen müssen, und der öffentliche Verkehr ist ein Teil der Lösung. Dank dem Gesetz wird ein Klimafonds geäufnet. Daraus kann unter anderem die Anschaffung von Bussen mit umweltfreundlichem Antrieb – zum Beispiel Elektrobusse – finanziell unterstützt werden. Zudem können bis zu 30 Mio. Franken pro Jahr für die Förderung des grenzüberschreitenden Schienenpersonenverkehrs, einschliesslich Nachtzüge, gewährt werden, um den (Wieder)-Aufbau eines sinnvollen Nachtzugnetzes zu beschleunigen.
Was entgegnest du denjenigen, die Steuern als unsozial betrachten?
Das Gesetz nimmt das Verursacherprinzip ernst und gewährleistet den sozialen Ausgleich, indem ein Grossteil der Einnahmen aus den Abgaben pro Kopf an die gesamte Bevölkerung rückverteilt wird. Haushalte mit tiefen und mittleren Einkommen belasten durch ihr Konsumverhalten das Klima im schweizweiten Vergleich unterdurchschnittlich stark und werden deshalb Ende Jahr eher mehr als weniger Geld auf dem Konto haben. Ausserdem sind die Kosten bei Nichthandeln keinesfalls gerechter verteilt.
Und was sagst du unseren Mitgliedern, denen das Gesetz nicht weit genug geht?
Auch für den SEV ist klar, dass die Revision klimapolitisch ungenügend ist. Ebenso klar ist aber, dass der damit versuchte, längst fällige Schritt in Richtung mehr Klimaschutz viel besser ist, als für die nächsten fünf bis zehn Jahre auf sämtliche dringenden klimapolitischen Massnahmen zu verzichten – denn genau das wäre (mindestens!) die Konsequenz des Scheiterns der Gesetzesrevision in der Volksabstimmung.
Das revidierte CO₂-Gesetz ist, wie eigentlich fast alles was aus dem Parlament kommt, ein gut schweizerischer Kompromiss. Ungewöhnlich ist hingegen, dass das Gesetz dank dem Druck der Klimabewegung auf der Strasse eine «Ehrenrunde» im Parlament drehen musste. Dabei wurde das Gesetz verschärft. Das setzt man aufs Spiel, wenn man gegen das Gesetz stimmt. Aus heutiger Sicht muss zudem davon ausgegangen werden, dass sich die Ausgangslage für die Erarbeitung einer neuen Vorlage nach den Auswirkungen von mehr als einem Jahr Pandemie verschlechtert hat. Ich befürchte, dass fast nur ein lascheres Gesetz entstehen kann; und dies auch erst in einigen Jahren.
Vivian Bologna / Übersetzung: chf
Das Gesetz in Kürze
Das revidierte CO₂-Gesetz zielt darauf ab, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um die Hälfte gegenüber 1990 zu reduzieren; die derzeitigen Massnahmen reichen nicht aus, um dieses Klimaziel zu erreichen. Die CO₂-Abgaben auf fossile Brennstoffe wie Heizöl, Erdgas und Kohle können erhöht werden.
Heute kann der Bundesrat die Abgabe auf maximal 120 Franken pro Tonne CO₂ (rund 30 Rappen pro Liter Heizöl, rund 2,4 Rappen pro kWh Erdgas) erhöhen. Das revidierte Gesetz erlaubt es, diese auf 210 Franken pro Tonne CO₂ anzuheben. Zwei Drittel der Einnahmen aus der Abgabe sollen an Bevölkerung und Wirtschaft rückverteilt werden. Der Rest wird in den Klimafonds fliessen.
Das revidierte Gesetz sieht eine Steuer auf Flugtickets vor, die einen Anreizeffekt haben und Alternativen zu Flugreisen attraktiver machen soll. Für Kurzstreckenflüge beträgt sie 30 Franken pro Passagier. Wer mittlere und lange Strecken fliegt, zahlt mehr, maximal 120 Franken. Der Bund wird die Steuer von den Fluggesellschaften einziehen. Mehr als die Hälfte dieser Einnahmen wird an die Bevölkerung und die Wirtschaft rückverteilt. Der Rest fliesst auch hier in den Klimafonds ein.
Künftig sollen sowohl Geschäfts- als auch Privatflüge mit einer Lenkungsabgabe belegt werden. Abhängig von der geflogenen Distanz und dem Gewicht des Flugzeugs wird eine Steuer zwischen 500 und 3000 Franken pro Flug erhoben.