Officine Bellinzona: Das Personal will beim weiteren Vorgehen einbezogen werden
«Wir wollen mitreden!»
Es sind bedeutende Monate für die Officine in Bellinzona. Die SBB wird bis Ende Jahr über den Standort des neuen Werks entscheiden. Die Belegschaft will künftig mitreden.
Hauptpunkt auf der Tagesordnung der «Plattform» vom 30. April war: «Im Hinblick auf die Umsetzung der Absichtserklärung vom 10. Dezember 2017 mittels verbindlicher Verträge wird den Parteien die Möglichkeit geboten, Position zu beziehen zu den Absichten des Kantons, der Gemeinde Bellinzona und der SBB sowie eventuelle Fragen zu klären und eigene Forderungen einzubringen.» Während die Positionen von SBB und Kanton unverändert blieben, was die Absichtserklärung betrifft, zitierte und bekräftigte die Personalvertretung den Inhalt der Resolution, welche die Belegschaft am 20. April einstimmig verabschiedet hat. Gestützt darauf forderten die Personalvertreter/innen einmal mehr, dass die unterzeichneten Vereinbarungen eingehalten werden. Darüber hinaus will das Personal nicht nur über den Verlauf der Verhandlungen zwischen Kanton, Gemeinde und SBB informiert werden, sondern aktiv am Prozess teilnehmen.
Daher stellte die Personalvertretung folgenden formellen Antrag: «In Übereinstimmung mit den Vereinbarungen der ‹Plattform› fordern wir, dass ab sofort alle Entscheide und allfälligen Vertragsentwürfe im Zusammenhang mit Projekten operativer oder strategischer Natur, welche die Officine betreffen, mit der erweiterten Personalkommission diskutiert und von dieser genehmigt werden. Die Personalversammlung soll das letzte Wort haben.» Auf diese Weise also sollen die erklärten Absichten in verbindliche Verträge umgewandelt werden.
Keine Entspannung in Sicht
Obwohl Mediator Franz Steinegger die SBB-Vertreter wie auch die Staatsräte Christian Vitta und Claudio Zali einlud, diesen nennenswerten, wichtigen Antrag der Belegschaft zu berücksichtigen, unterstrichen SBB und Kanton in ihren Verlautbarungen gegenüber den Medien ausschliesslich ihre eigenen Positionen. Und vergassen ihre Bereitschaft zu erwähnen, dem formellen Antrag des Personals Folge zu geben.
Viel Aufsehen erregte ausserdem das Interview mit dem Mediensprecher der SBB, worin dieser behauptete, dass die Alternative zu zukünftigen 200 bis 230 Arbeitsplätzen gar keine Arbeitsplätze seien! Diese Behauptung giesst weiter Öl ins Feuer und hilft natürlich nicht, die bereits angespannte Stimmung zu beruhigen.
Denn das Personal macht sich um die Gegenwart und Zukunft der Officine nach wie vor grosse Sorgen. Es erachtet die Versprechungen der Bahn zu den kurz- und mittelfristigen Arbeitsvolumen als unerfüllt. Dahinter sieht das Streikkomitee «Hände weg von den Officine» konkrete Beweggründe: Standortverlagerung und Auslagerung von oder gar Verzicht auf Arbeiten vor allem an den Lokomotiven, aber auch an den Güterwagen, wovon ein Teil nach Deutschland verlagert wird. Oder die Streichung von 25000 Arbeitsstunden aufgrund mangelnder Wartung der Lokomotiven. «Man fantasiert über die Zukunft, verliert dabei aber die Sicht aufs Heute», betont Gianni Frizzo, Anführer des Streiks vor zehn Jahren.
Nur eines ist sicher: Es ist noch vieles unsicher. Was passiert in den nächsten Jahren bis zur Eröffnung des neuen Standorts? Wie viele Arbeitsplätze bleiben bestehen? Wie geht es mit dem Kompetenzzentrum weiter? Welche Art von Stellen wird der neue Technologiepark bieten?
Die nächsten Treffen der «Plattform» sollen in kleinerem Kreis stattfinden.
10. Jahrestag des Streiks
Am 5. Mai wurde der zehnjährige Geburtstag des Streiks in Anwesenheit von rund 200 Arbeitnehmenden, Angehörigen, Sympathisanten und Vertretern der politischen Behörden – darunter Bellinzonas Bürgermeister Mario Branda – gefeiert. In einer Diskussion über die Gegenwart und Zukunft des Werks ging der Verein «Hände weg von den Officine» vertieft auf das letzte Treffen der «Plattform» ein und präsentierte folgende Zahlen: Am neuen Standort werde sich das Arbeitsvolumen von aktuell 345000 auf 200000 Stunden fast halbieren. Was das Personal aber am meisten beschäftige, sei die Übergangsphase, insbesondere die Zeit zwischen 2023 und 2027.
Auf Anfrage bestätigte Mario Branda unter anderem, dass die von Gemeinde, Kanton und SBB unterzeichnete Absichtserklärung auch die Verpflichtung der SBB umfasse, die Arbeitsplätze zu erhalten. In diesem Zusammenhang rufen wir gern in Erinnerung, dass der Kündigungsschutz bei der SBB durch den GAV garantiert wird und kein Geschenk der Bundesbahn ist.
Pascal Fiscalini/chf
Leitung in Tessiner Hand
Francesco Giampà wird neuer Leiter des SBB-Werks Bellinzona. Er folgt auf Felix Hauri, der diesen Herbst in Pension geht. Giampà ist 37-jährig, aufgewachsen im Tessin
und italienischer Muttersprache. Seit 2010 ist er bei den Officine tätig, seit 2016 als Produktionsleiter Instandhaltung Lokomotiven und Mitglied der Direktion. Mit seiner Ernennung wurde gemäss Mitteilung der SBB eine Person mit breiter Erfahrung in der SBB wie auch im Industriesektor gewählt. Giampà hat Betriebs- und Produktionswissenschaften an der ETH in Zürich studiert.