Schifffahrt Untersee und Rhein (URh)
FAV zwingt Arbeitgeber zum Verhandeln
Die Sanierung der Schweizerischen Schifffahrtsgesellschaft Untersee und Rhein (URh) beschäftigt nun auch die lokale Politik. Die Verhandlungen zwischen Unternehmen und SEV laufen weiter.
In den Kantonsräten von Schaffhausen und Thurgau und den Gemeindeparlamenten von Schaffhausen und Kreuzlingen wurden Vorstösse eingereicht. Die Regierung des Kantons Thurgau hat die Fragen als erste beantwortet.
Verantwortung abgeschoben
Die Kreuzlinger Kantonsrätin Nina Schläfli wollte von der Thurgauer Regierung wissen, ob sie den Sanierer Benno Gmür tatsächlich beauftragt hat, die Anstellungsbedingungen des Personals zu verschlechtern. Dieser hatte dem Personal gegenüber mehrfach behauptet, die Verschlechterung des Firmenarbeitsvertrags sei eine Vorbedingung der Kantone für die Gewährung eines zinslosen Darlehens an die URh gewesen.
Das Geld braucht das Unternehmen, um zwei Schiffe neu zu motorisieren. Die Thurgauer Regierung streitet dieses explizite Vorhaben ab und führt aus, sie hätte das Darlehen lediglich an «Massnahmen zur Verbesserung der finanziellen Situation der URh» geknüpft. «Der Kanton Thurgau ist operativ nicht involviert und hat keine diesbezüglichen Aufträge erteilt», erklärt die Regierung weiter. Der Kanton Thurgau streitet also ab, für den massiven Angriff auf die Anstellungsbedingungen des URh-Personals verantwortlich zu sein.
Der Regierungsrat verweist auf die Grundregeln einer Sozialpartnerschaft: «Für die URh besteht ein Firmenarbeitsvertrag (FAV). Die Aushandlung eines neuen FAV ist Aufgabe der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite. […] Das Departement nahm weder Einfluss auf diese Verhandlungen noch formulierte es Anstellungsbedingungen.»
Verweis auf die SBS
In den weiteren Ausführungen wird deutlich, dass es die Thurgauer Regierung nicht so genau nahm mit den selber hochgelobten Grundsätzen der Sozialpartnerschaft. Verräterisch ist insbesondere der Satz: «Das Departement regte gegenüber der URh und dem Vertreter des SEV an, dass die Anstellungsbedingungen bei der URh an jene bei der Schweizerischen Bodensee-Schifffahrtsgesellschaft AG (SBS) angeglichen werden sollten.» Der Verwaltungsrat der URh liess sich offenbar angesichts des am Horizont winkenden Darlehens von dieser «Anregung» so unter Druck setzen, dass man sich gleich den Sanierer der SBS ins Haus holte, der diese «Anregung» (oder wohl doch Forderung der Kantone) umsetzen sollte.
Der SEV wehrte sich von Anbeginn dagegen, die Anstellungsbedingungen der SBS auf die URh zu übertragen, da sie weit unter dem branchenüblichen Niveau liegen. Ein Beispiel: Die URh-Angestellten haben heute 22 Ferientage. Damit befinden sie sich am unteren Rand dessen, was auf Schweizer Seen üblich ist. Die SBS ist eines von nur gerade zwei Unternehmen schweizweit, das weniger Ferien gewährt und keinen FAV mit dem SEV abgeschlossen hat. Auch auf dem Bau, im Gewerbe und in der Industrie sind fünf Wochen Ferien Standard.
Auch die Kantonsangestellten in Thurgau und Schaffhausen haben natürlich mehr Ferien als die URh-Angestellten. Und diese sollen nun auf Ferientage verzichten … Der Thurgauer Regierungsrat verpackt dies in die schönsten Worte: «Die von der URh eingeleiteten Sanierungsmassnahmen sollen das Effizienzsteigerungs- und Kosteneinsparungspotenzial unter Beachtung marktgerechter Arbeitsbedingungen ausschöpfen.»
Es ist bedenklich, dass der Thurgauer Regierungsrat ein Unternehmen als Massstab nehmen will, dessen Anstellungsbedingungen weit unter dem branchen- und marktüblichen Niveau liegen. Es entspricht ganz sicher nicht dem Auftrag der öffentlichen Verwaltung, die Gewährung von Darlehen aus Steuergeldern als Druckmittel zur Verschlechterung von Arbeitsbedingungen zu verwenden.
Verhandlungen laufen weiter
Durch den bestehenden FAV ist das URh-Personal zum Glück vor einem Kahlschlag geschützt. In den laufenden Verhandlungen betonte es immer wieder seine Bereitschaft, einen Beitrag zur Sanierung der URh zu leisten. Die unzähligen Überstunden, die diesen Sommer aufgrund eines durch Kündigungen herbeigeführten Personalengpasses geleistet wurden, sind sicher der wertvollste Beitrag des Personals. Ohne diesen Sondereffort hätte der Betrieb gar nicht aufrechterhalten werden können. Hoffentlich ist dieser Fakt auch den Regierungsrät/innen bewusst.
Das Personal ist bereit, über punktuelle Einbussen bei den Anstellungsbedingungen zu verhandeln. Ein konkreter Vorschlag seitens SEV und Personalvertreter wurde dem Verwaltungsrat unterbreitet. Bei Redaktionsschluss war eine Antwort noch ausstehend. Die Mitarbeitenden hoffen auf eine Einigung auf dieser Grundlage. Sie möchten den grossen psychischen Druck der letzten Monate endlich loswerden und sich wieder ganz auf die tägliche Arbeit zugunsten der Kundschaft konzentrieren.
Felix Birchler, Regionalsekretär SEV