SEV bekämpft Initiative «Pro Service public» vehement
Der Name trügt: Der Service public würde geschwächt
Die grossen Gewerkschaften der öffentlichen Dienste sind gegen die Initiative mit dem attraktiven Namen «Pro Service public». SEV, Syndicom und VPOD stehen ein für einen starken, gut organisierten öffentlichen Dienst, während sich die von Konsument/innen-Organisationen lancierte Initiative bei näherer Betrachtung als nicht zielführend, ja als Boomerang erweist. Giorgio Tuti, SEV-Präsident und Vizepräsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes SGB, erklärt warum.
kontakt.sev: Wieso ist diese Initiative abzulehnen?
Giorgio Tuti: Zuerst möchte ich daran erinnern, dass die drei Service-public-Gewerkschaften des SGB nicht nur die Mitarbeitenden ihrer Organisationsbereiche mit gut vernehmbarer Stimme vertreten, sondern sich täglich und hartnäckig für den Erhalt und die Stärkung des Service public einsetzen. Die Volksinitiative «Pro Service public» erweckt den Eindruck, das gleiche Ziel zu verfolgen und den öffentlichen Dienst stärken zu wollen. Doch in Wahrheit trifft dies nicht zu, sondern die von ihr vorgeschlagenen Massnahmen gehen in die falsche Richtung.
Falsch in welchem Sinn?
Wegen der Sparpolitik von Bund, Kantonen und Gemeinden steht der Service public unter starkem Druck, mit alarmierenden Folgen: Abbau von Arbeitsplätzen, Auslagerungen von Dienstleistungen und Privatisierungen ganzer Branchen. Dies alles verschlechtert und verteuert die Grundversorgung für die Bevölkerung. Die Initiative blendet diese Problematik völlig aus und richtet sich einzig gegen bekannte Missbräuche, insbesondere gegen allzu hohe Gehälter in den Bereichen öffentlicher Verkehr, Post und Telekommunikation. Auch die Gewerkschaften kämpfen gegen die Verschlechterung der Dienstleistungen und gegen exorbitante Managerlöhne. Doch wenn man den grossen Regiebetrieben des Bundes verbietet, Gewinne zu erzielen, um damit weniger rentable Dienstleistungen zu finanzieren, schwächt man die Betriebe, womit sie diese Dienstleistungen nicht mehr erbringen können. Dies führt zu Leistungsabbau in den Randgebieten, und die rentablen Bereiche werden letztlich privatisiert.
Die Initiative will Quersubventionierungen verbieten: Worum geht es da?
Quersubventionierung bedeutet einfach gesagt, dass ren- table Angebote in den Zentren unproduktive Angebote in den Randregionen finanzieren helfen. Wenn die Grundversorgung der Bevölkerung in den Bereichen Verkehr, Post, Kommunikationsnetze, Energie, Bildung und Gesundheit usw. auch in Randgebieten sichergestellt werden soll, müssen nicht nur solche Quersubventionen möglich bleiben, sondern man muss auch aufhören mit der Spar- und Abbaupolitik. Es braucht mehr Mittel für den Service public, der für den nationalen Zusammenhalt sehr wichtig ist. Anders lassen sich die künftigen Herausforderungen nicht meistern.
Also muss man zum Wohle des Service public die Initiative «Pro-Service-public» ablehnen?
Genau. Denn wird die Initiative angenommen, bewirkt sie genau das Gegenteil dessen, was ihr Name verspricht. Auch die Gewerkschaften kämpfen gegen Abzockerlöhne der Manager und für gute Dienstleistungen zu angemessenen Preisen. Doch diese Forderungen sind im Text der Initiative nicht erwähnt. Ein Nein zur Initiative ist kein Nein zum Service public. Im Gegenteil: Genau darum, weil wir einen starken, gut ausgebauten Service public wollen, müssen wir diese Initiative entschieden ablehnen.
Françoise Gehring/Fi
Präzedenzfall
Die Initiative «Pro Service public» wird von den Gewerkschaften des öffentlichen Sektors auch bekämpft, weil mit ihr ein gefährlicher Präzedenzfall droht. Die Initiant/innen haben vor allem die SBB, Swisscom und die Post im Visier, doch könnte sich ihre Initiative auch auf alle anderen öffentlichen Dienstleistungen gleich verheerend auswirken. Bedroht sind von der Elektrizitäts- und Trinkwasserversorgung über die Abfallentsorgung und den regionalen Verkehr bis zur SRG alle Betriebe, die im Auftrag von Bund, Kantonen und Gemeinden Grundversorgungsleistungen erbringen.
Zudem gefährdet die Initiative so, wie sie formuliert ist, auch Arbeitsplätze, die bisher soliden Gesamtarbeitsverträgen unterstellt waren.