Wohnort Camorino, Arbeitsort Zürich: Wie aus dem Betriebsdisponenten ein Peko-Präsident wurde
«Es braucht beide: Peko und SEV»
Fritz Augsburger ist ein Mann der ersten Stunde bei den SBB-Personalkommissionen. Nun gibt er die Führung der Peko Infrastruktur ab – aber aus der Frühpensionierung wird doch nichts. Die Aufgabe, an der Inbetriebnahme des Gotthard-Basistunnels mitzuwirken, hat ihn zu sehr gereizt.
kontakt.sev: Du bist seit Beginn Mitglied der Personalkommission Infrastruktur. Wie hat sie sich in diesen gut 13 Jahren entwickelt?
Fritz Augsburger: Sie hat sich stark entwickelt. Anfänglich mussten wir unsere Aufgaben erst etwas finden. Wir beschäftigten uns anfänglich stark mit uns selbst, inzwischen haben wir eine solide Situation erreicht. Wir können heute sagen: Bei personalrelevanten Geschäften ist die Peko dabei.
Wie hat sich die Organisation entwickelt?
Wir hatten zeitweilig fünf Fachgruppen in der Peko Infrastruktur, jetzt sind es noch drei: eine für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz, eine weitere für «Compensation und Soziales», wo von Arbeitsbekleidung bis Personalverpflegung alles dazu gehört, und die dritte befasst sich mit allgemeinen Themen zur Mitwirkung. Zudem haben wir die Kontakte zur Fläche aufgebaut. Jede Flächen-Peko hat einen Betreuer, der in aller Regel auch an deren Sitzungen teilnimmt. Seit einigen Jahren laden wir die Flächenpräsidenten viermal jährlich zu einer Sitzung ein, wo sie sich untereinander austauschen können und wir sehen, was in der Fläche läuft. Es gibt dort sehr aktive Personalkommissionen, aber auch andere.
Ist die Peko eine Schattengewerkschaft?
Ich würde es nicht ganz so sagen. Aber es hat natürlich Reibungen gegeben. Nicht alles, was wir gemacht haben, war beliebt. Es entstand der Eindruck, dass gewisse Gewerkschaftssekretäre Angst hatten, man nehme ihnen etwas weg. In den letzten Jahren haben wir uns nun recht gut gefunden. Die meisten Peko-Präsidenten haben einen guten Kontakt zum SEV. Es braucht beides, Peko und Gewerkschaft.
Wo liegt die Stärke der Peko?
Ich habe den Eindruck, dass wir manchmal eine breiter abgestützte Haltung vertreten als die Gewerkschaft. Gerade die Sprachregionen sind in gewissen Unterverbänden schlecht vertreten; da haben wir einfach den besseren Zugang. Wichtig ist, dass wir gut zusammenarbeiten. Leider klappt der Informationsaustusch nicht immer, aber meist ist das nicht schlechter Wille, sondern man denkt einfach nicht daran.
Ist der Trennstrich der Aufgaben klar gezogen?
Nein! Wir hatten nun eine tripartite Arbeitsgruppe «Rollenklärung», die dann von der SBB in «Weiterentwicklung betriebliche Mitwirkung» umbenannt wurde. Da waren Peko, Unternehmen und Gewerkschaften drin. Aber wir konnten ja nicht verhandeln, das war nicht unsere Zuständigkeit, und so gab es auch keine Weiterentwicklung.
Wo gibt es Differenzen?
Die Gewerkschaften haben Bedenken zu den vollamtlichen Peko-Mitgliedern; das sehen wir sicher anders. Wir haben den besseren Bezug zur Basis über die Arbeit in der Peko als wir es hätten, wenn wir noch am Arbeitsplatz wären; da sehen wir nur gerade den eigenen Bereich. Natürlich darf es nicht nur Vollamtliche haben. Aber ein Präsident braucht eine Flexibilität, die er nicht hat, wenn er noch in Diensten eingeteilt ist.
Wie sieht es aus mit der Berufsrückkehr nach einigen Jahren Vollzeit-Peko?
Das kann tatsächlich schwierig sein. Aber das Risiko muss einer auf sich nehmen, wenn er das Amt übernimmt. Klar, ein Lokführer müsste die Prüfung wieder machen; aber andererseits erwirbt man ja in der Peko auch neue Kenntnisse, die sich einbringen lassen.
Was gibst du deinem Nachfolger mit auf den Weg?
Es braucht viel Toleranz: man hat verschiedene Kostgänger! Es braucht auch Zivilcourage, seine Meinung zu vertreten.
Mehr gegenüber der Leitung oder der Basis?
Eindeutig gegenüber der Leitung. Es ist aber auf meiner Stufe nicht schlimm. Für ein Flächenmitglied, das mit seinem direkten Vorgesetzten eine Auseinandersetzung hat, ist es viel schwieriger. Ich habe allerdings nicht Knatsch mit Philipp Gauderon; die Probleme gibt es in den Geschäftsbereichen, meist ab der zweiten Stufe, und dort kann ein Flächenpräsident nichts ausrichten.
Was beschäftigt dich besonders?
Was viele Ressourcen bindet, sind die Einzelfälle, etwa 8 bis 12 pro Jahr. Diese Gespräche mit drei oder gar vier Parteien sind schwierig. Das geht gelegentlich an die Substanz, auch weil man mit niemandem da-rüber sprechen darf. Gerade Mobbing-Geschichten sind sehr heikel. In den meisten Fällen endet es doch damit, dass das schwächste Mitglied der Kette nachgeben muss, selbst wenn es recht hat. Aber wenn so viel Geschirr zerschlagen ist, lässt es sich häufig nicht mehr flicken.
Was ist dein grösster Erfolg als Pekomitglied?
Peko-Erfolge sind Erfolge der kleinen Schritte! Richtige Reisser, die wir lanciert hatten, kann ich nicht nennen. Aber es gibt kleinere Erfolge, auf die ich stolz bin: So haben wir bei der Einrichtung des Bürogebäudes in Bellinzona Pedemonte erreicht, dass alle Bürotische höhenverstellbar sind. Das gilt nun bei allen Renovationen und neuen Büros. Wir konnten dem Unternehmen aufzeigen, dass es sich lohnt. Etwas anderes: Bei der persönlichen Schutzausrüstung haben wir viel darauf hingewirkt, dass ein gesundes Mass gilt. Wir konnten den Leuten am Schreibtisch klarmachen, dass besondere Verhältnisse zu berücksichtigen sind, etwa die Hitze in einem Rangierbahnhof. Hinter allen Erfolgen steckt viel Arbeit, Hartnäckigkeit und Geduld.
Nun kommt ein neuer Lebensabschnitt!
Das war eigentlich anders geplant … Ursprünglich hatte ich vor, mich frühzeitig pensionieren zu lassen, um meine erkrankte Frau zu pflegen, aber sie ist dann leider verstorben. So plante ich neu, in diesem Sommer das Peko-Präsidium abzugeben und immer noch etwas vorzeitig in Pension zu gehen; ich hatte auch schon in die Überbrückungsrente eingezahlt. Da nächstes Jahr wieder Peko-Wahlen sind, wollte ich dem Nachfolger die Möglichkeit geben, sich etwas zu profilieren.
Und?
Eines Abends rief mich der Personalchef der Infrastruktur an und bot mir eine neue Aufgabe an. Ich bin als Peko-Mitglied schon seit einigen Jahren an PONS beteiligt, der Projektorganisation Nord-Süd. Da geht es um alles, was mit Gefahren im Gotthard-Basistunnel zusammenhängt, aber auch um die Rekrutierung und Ausbildung. Wir haben unter anderem die Fahrzeugbeschaffung begleitet, und auch all die Fragen zu Hitze und Tunnelarbeit. Das interessiert mich alles sehr. Nun hat mir der Personalchef vorgeschlagen, bei PONS das Changemanagement zu übernehmen. Meine Aufgabe ist noch nicht ganz klar definiert, aber ich sollte die Person sein, die zwischen verschiedenen Geschäftsbereichen vermittelt, damit alle Mitarbeitenden ungefähr auf dem gleichen Stand sind. Heute haben wir sehr grosse Wissensunterschiede. Ich sollte dafür schauen, dass man nicht nur den 11.12.16 im Auge hat, sondern auch was danach passiert.
Um welche Themen geht es?
Zuerst müssen wir anständige Arbeitszeitmodelle erarbeiten. Wir sind schon etwas vorangekommen, aber der Leitung haben unsere Vorschläge nicht gefallen, weil sie ziemlich Personal brauchen. Wichtig ist auch die Frage der Tunneltauglichkeit, die wir schon früh angesprochen haben. Diese Prüfung ist zwar auch medizinisch, aber in erster Linie psychologisch. Die Verhältnisse beim Unterhalt im Tunnel sind schwierig. Bei einem Unfall kann man nicht die 144 anrufen und es kommt ein Rettungsfahrzeug. Es steht einzig die andere Röhre zur Verfügung, und da kann keine medizinische Unterstützung kommen – es kommt einfach der nächste Zug. Es braucht jetzt laufend Veranstaltungen, um die Leute zu informieren, was da auf sie zukommt.
Du arbeitest also genau noch bis zum 11. Dezember 2016?
Ja, aber nur noch 60 Prozent. Zu 40 Prozent gehe ich in Pension, womit ich auch ein Zeichen setzen will. Die Möglichkeit zur Teilpensionierung wird zu wenig genutzt. Ich arbeite dann 2016 bis ans Jahresende, obwohl ich das Pensionierungsalter im Mai erreiche.
Musst du weniger weit pendeln als jetzt?
Ja, ich bekomme ein Büro in Bellinzona, allerdings ist noch nicht klar wo.
Und danach: Gibt es etwas, das du dir schon lange vorgenommen hast?
Schon jetzt werde ich im Juli erstmals in meinem Leben eine längere Reise machen, mit meiner Schwester nach Kanada. Ich bin nicht so der Ferientyp, ans Meer liegen ist nicht mein Ding. Zudem werde ich wieder etwas Weinbau machen; meinen eigenen Rebberg musste ich aufgeben, als ich zur Peko kam, weil die Reben heikel sind und manchmal kurzfristig etwas Pflege brauchen. Und ganz bestimmt werde ich bei Fra Martino mitmachen, der im Tessin das «Tischlein-deck-dich» führt. Ich habe mich bereits über die Möglichkeiten informiert. Anfänglich werde ich im Lager in Cadenazzo arbeiten, aber gerne würde ich als Hobbykoch auch in einer Küche mithelfen.
Interview: Peter Moor