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Fridolin Disler geht in Pension – nach zehn Jahren als Präsident Peko Cargo und vier Jahren als Präsident Peko Konzern

«Der SEV ist der Vater der Peko»

Als die SBB 2001 mit dem ersten GAV die Personalkommissionen (Peko) einführte, wechselte Fridolin Disler auf Wunsch des damaligen SEV-Präsidenten Ernst Leuenberger vom Zentralpräsidium des Lokpersonalverbands ins Präsidium der Peko Division Cargo. Dazu kam ab 2007 das Präsidium der Peko Konzern. Nun hat er beide Präsidien abgegeben und tritt in den Ruhestand.

Fridolin Disler

kontakt.sev: Hörst du mit der Peko-Arbeit eher mit Wehmut oder mit Erleichterung auf?

Fridolin Disler: Wahrscheinlich mit beidem. Die Personalvertretung ist etwas sehr Faszinierendes und Vielseitiges, das ich sehr gern gemacht habe. Besonders geschätzt habe ich die vielen Kontakte zu den Kolleginnen und Kollegen, aber auch zu den Ansprechpartner/ innen seitens SBB und SBB Cargo. Gefallen hat mir die Peko-Arbeit auch, weil man dabei recht tief in die Unternehmung hineinsieht. Und weil man nicht nur zuschaut, sondern etwas bewirken kann. Vielfach habe ich auch gespürt, dass man der Peko vertraute und ihre Arbeit schätzte. Andererseits war ich auch erleichtert, gewisse Dossiers an meine Nachfolger abgeben zu können.

Bio

Fridolin Disler wurde am 4. Februar 1949 als Sohn eines Schlossers bei der SBB geboren, wuchs in der Nähe von Zofingen auf und lernte Mechaniker. 1971 trat er ins SBB-Kraftwerk Amsteg ein. Ab 1972 machte er in Zürich die Lokführerausbildung. Ab 1991 präsidierte er die SEV-LPV-Sektion Zürich, 1995 wurde er Zentralpräsident LPV (bis 2000). Bei der Gründung der SBB Cargo AG wechselte er beruflich in den Rangierbahnhof Limmattal und war ab 2004 am Cargo-Sitz in Basel als Sachbearbeiter Fahrzeugmanagement tätig. Ab 2001 präsidierte er die Peko Cargo. 2007 wählten ihn die Kollegen zudem zum Präsidenten der Peko Konzern. Damit wurden seine Peko-Ämter zum Vollzeitjob. Nun hat er sie auf Anfang Jahr abgetreten und sich mit 62 Jahren pensionieren lassen. Fridolin Disler freut sich darauf, etwas mehr Zeit zu haben für seine Hobbys, «denn da gibt es Nachholbedarf»: Wandern mit seiner Frau Gertrud, Gärtnern und Fotografieren als Mitglied des Eisenbahner-Fotoclubs. Der langjährige Personalvertreter und ehemalige Politiker (er war in den 80er-Jahren im Parlament seiner Wohngemeinde Dietikon für die SP aktiv) schliesst nicht aus, dass er sich in irgendeiner Form erneut für andere einsetzen wird, macht aber vorerst mal Pause.

Inwiefern waren diese Dossiers eine Belastung?

Wenn Arbeitsplätze abgebaut werden, ist das nie erfreulich. Und es gibt Entwicklungen im Umfeld der SBB, die mir grosse Sorgen bereiten – Stichworte sind die knappen Mittel und die Liberalisierung und Flexibilisierung, die auf die Arbeitsbedingungen der SBB durchschlagen. Sorgen mache ich mir auch um gewisse Bahnarbeitsplätze nach der Eröffnung des Gotthardbasistunnels.

Warum hast du nicht noch sechs Monate weitergemacht bis zu den Peko-Neuwahlen?

Ich entschied über den Rücktrittstermin, bevor klar war, wann und wie genau der Übergang zum neuen GAV erfolgt. Und für meine Peko-Kollegen war es wohl nicht schlecht zu wissen, dass der «Übervater» schon vor den Neuwahlen abtritt: So konnten und können sie nun die Zukunft selbst in die Hand nehmen. Ich merke auch, dass ich die Dynamik, Energie und Kraft, die man für die Personalvertretung braucht, allmählich weniger leicht aufbringe als in jüngeren Jahren, obwohl es mir nicht an der Motivation fehlt.

Seit vier Jahren konntest du neben deiner Peko-Arbeit keinen Bahnberuf mehr ausüben. Wie hast du den Bezug zur Praxis und zu den Mitarbeitenden dennoch aufrechterhalten?

Ich besuchte immer wieder Kolleginnen und Kollegen am Arbeitsplatz, ging an Personal- und SEV-Versammlungen und sprach mit den Leuten überall, wo ich unterwegs war und hinkam. Auch über die Peko-Kolleg/innen, die voll im Berufsleben stehen, und über die Rückmeldungen und Anliegen von Mitarbeitenden an die Peko bekam ich mit, was im Unternehmen abging. Bei der Einordnung der Informationen halfen mir das Basiswissen aus der Berufstätigkeit bei der SBB und der Background aus meiner gewerkschaftlichen und politischen Tätigkeit. Daneben bin ich ein leidenschaftlicher Bahnfahrer und verfolge regelmässig, was in den Medien über die Bahn und den öV publiziert wird. Der Praxisbezug und bereichsspezifische Fachkenntnisse sind sicher wichtig, genügen allein aber nicht, um gute Peko-Arbeit zu leisten. Es braucht auch den Blick fürs Ganze, insbesondere bei der strategischen Mitwirkung. Es geht nicht, dass man in der Peko allein die Interessen seines Bereichs oder Standorts vertritt. Am wichtigsten sind das innere Feuer und der Wille, sich für die Anliegen aller Mitarbeitenden einzusetzen.

Hattest du einen direkten Draht zu Andreas Meyer und den anderen hohen SBB-Chefs?

Die Peko stehen mit den Chefs nicht permanent in Kontakt, haben aber zu ihnen Zugang, wenn dies die Situation erfordert. Die Peko Konzern trifft sich monatlich mit HR-Leiter Markus Jordi, und die Peko Cargo kommt jeden Monat mit Cargo-Leiter Nicolas Perrin zusammen.

Hat sich mit Andreas Meyer gegenüber der Ära Weibel viel verändert punkto Mitwirkung?

Das Führungs- und Mitwirkungssystem ist strukturierter, zielorientierter und ein Stück weit sachbezogener geworden. Da hat ein Generationenwechsel stattgefunden. Das Einbringen von Anliegen ist damit aber nicht einfacher geworden. Dies hängt jedoch auch mit dem für die SBB schwierigeren Umfeld zusammen. Vor allem sind die Mittel knapper geworden. Weibel wäre heute auch nicht mehr derselbe Weibel.

Sind die vielen Abgänge von SBB-Kadern der letzten Zeit abnormal und ein Problem?

Nicht nur bei der SBB sind die Führungsteams bestrebt, sich so zusammenzustellen, dass sie funktionieren. Ein Stück weit gibt es für die Abgänge auch unterschiedliche Gründe. Ob die Richtigen gegangen und gekommen sind, muss nicht die Peko beurteilen. Sicher ist aber, dass ihre Arbeit schwieriger wird, wenn im Kader die Stabilität und Kontinuität fehlt, die nötig sind, um miteinander nachhaltig etwas aufzubauen.

Was kann die SBB tun, um den Peko ihre Arbeit zu erleichtern?

Die zeitliche Freistellung und die Infrastruktur der Peko sind grundsätzlich gut, vereinzelt sind noch Verbesserungen möglich. Hingegen muss die SBB die Peko bei Reorganisationen und anderen Projekten noch systematischer und umfassender einbeziehen statt nur punktuell, wo es ihr gerade dient. Der Einbezug muss in einer Phase erfolgen, wo es noch möglich ist, die Entscheide zu beeinflussen, und nicht erst im Nachgang. Und die Entscheidungsträger müssen ernst nehmen, was die Peko einbringen.

Wie kann der SEV die Peko stärken und unterstützen?

Ich finde es sehr positiv, dass der SEV zusammen mit den Peko prüft, wie die Zusammenarbeit verbessert werden kann. Der SEV muss sich als ergänzender Partner der Peko betrachten. Er muss ihnen Innerbetriebliches wie die Sicherheitsschuhe überlassen und sich auf urgewerkschaftliche Fragen wie die Lohnentwicklung konzentrieren. Das ist für ihn auch eine Ressourcenfrage. Er muss keine Dienstpläne verhandeln, aber Rahmenbedingungen schaffen, die Peko-Mitglieder fachlich unterstützen und für sie Ausbildungen anbieten. Nötig sind zudem regelmässige Absprachen. Der SEV muss seine Leaderfunktion gegenüber den Peko wahrnehmen, sonst tun es andere. Als grösste Gewerkschaft ist er der Vater der Peko. Bei Peko-Wahlen sollte er wie eine politische Partei Kandidat/innen portieren, und diese sollten mehr für ihre Wahl tun. Die Peko dürfen auch nicht Unangenehmes einfach an den SEV abschieben, sondern müssen ihre Rolle wirklich spielen.

Brauchen die Peko-Mitglieder mehr Schutz vor «Retourkutschen » der Unternehmung?

Ihr gesetzlicher Schutz ist heute in der Schweiz sehr dürftig und muss verbessert werden. Ganz beseitigen lässt sich ihre Exponiertheit aber nicht. Sie können sie selbst reduzieren, indem sie auf der sachlichen Ebene argumentieren. Wenn sie persönlich unter Druck kommen, sollten sie das Geschäft an die Peko als Kollektiv oder an den SEV abgeben und müssen von diesen unterstützt werden.

Markus Fischer