Die Wirtschaftskrise schlägt voll aufs Transportgewerbe durch – was bedeutet das für die Beschäftigten?
«Hire & fire»: die schlechteste Lösung
Wenn weniger produziert und weniger konsumiert wird, gibt es auch weniger zu transportieren. Umso wichtiger ist es, dass Transportunternehmer besonnen reagieren. Wer kurzfristige Hauruck-Übungen durchführt, verstärkt die Krise und wird den Aufschwung verpassen. Es braucht einen «New Deal», um die Beschäftigung zu sichern.
Die schweizerische Wirtschaft ist von der weltweiten Wirtschaftskrise auf unterschiedliche Art betroffen. Das Fehlen einer grossen heimischen Autoindustrie darf diesmal als kleiner Vorteil betrachtet werden. Doch die Zulieferindustrie in der Schweiz wird von der Krise im Autogewerbe ebenfalls stark gebeutelt. Industriebetriebe aller Art leiden ebenfalls, insbesondere die Maschinenindustrie: überall führt die gedrosselte Produktion zu sinkender Nachfrage, seien es Druckmaschinen, Spinn- und Webmaschinen oder Spezialmaschinen für High-Tech-Produktion. Die sinkende Produktion führt dazu, dass es auch weniger Rohstoffe (u.a. Stahl) zu transportieren gibt. Dadurch leidet auch der Güterverkehr unter der Krise, und zwar auf dem Wasser und in der Luft, zu Lande auf der Strasse wie auf der Schiene: Die DB Schenker Rail AG beispielsweise hat seit Monaten 35 000 Güterwagen stillgelegt.
Sonderfall Personenverkehr
Selbstverständlich leidet auch das Tourismusgewerbe unter der Krise, denn die schlechtere Konsumentenstimmung führt dazu, dass sich Menschen weniger oder weniger teure Ferien leisten. Doch hier ist die Schweiz in einer recht komfortablen Lage: Die ausbleibenden Feriengäste aus dem Ausland werden ersetzt durch Schweizer, die ihrerseits auf Ferien in fernen Ländern verzichten. Dadurch war der Einbruch weniger stark als ursprünglich befürchtet, nicht nur was die Hotellerie und die Ferieneinrichtungen betrifft, sondern auch im Bereich der touristischen Bahnen – PostAuto erwartet gar eine Erhöhung des Gewinns, weil die Frequenzen auf den touristischen Strecken zugenommen haben.
Die Situation im Transportgewerbe
Die Überkapazitäten haben im Güterverkehr zu einer verschärften Konkurrenz sowohl zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern wie auch innerhalb der einzelnen Bereiche geführt. In den niedersächsischen Seehäfen sind die Umschlagszahlen im ersten Halbjahr 2009 um 17 Prozent zurück gegangen. Auch die Binnenschifffahrt leidet, der Branchenverband spricht von der «grössten Krise der Nachkriegszeit». Der Flussschifffahrt fehlt der Containerverkehr, aber auch bei den Massengütern (Steine und Erden, Eisen und Stahl, Brenn- und Treibstoffe) gibt es einen Rückgang zu beklagen. Im Basler Rheinhafen ist im ersten Halbjahr 2009 der Containerumschlag um 16 Prozent gefallen. Man hofft auf einen Umschwung im Jahr 2010.
Der Güterluftverkehr der Swiss WorldCargo ging um fast ein Fünftel zurück (siehe Kasten). Swiss WorldCargo bietet inzwischen aber auch regelmässig bediente Lastwagenstrecken an, die in letzter Zeit sogar ausgebaut wurden. Da das Lastwagengewerbe am schnellsten auf Nachfrageschwankungen reagieren kann, ist hier auch die Krise am schnellsten und deutlichsten spürbar gewesen. Kleine Unternehmer mit nur wenigen Wagen und Fahrern oder sogenannte «Ich-AGs» leiden am stärksten unter dem Ausbleiben der Aufträge. Der schweizerische Nutzfahrzeugverband Astag spricht denn auch eine drastische Sprache (siehe Kasten). Drei Fünftel der Auslandaufträge fehlen, es drohe ein «Kahlschlag».
Spezielle Situation der Bahnen
Das System der Bahnen reagiert viel träger auf Auftragsschwankungen. Weder der Rollmaterialpark noch der Personalbestand kann derart schnell angepasst werden wie auf der Strasse – und zwar weder gegen oben noch gegen unten. Der Konjunkturaufschwung der letzten Jahre konnte denn auch nur zum Teil durch einen höheren Personalbestand aufgefangen werden, viel mehr leistete das vorhandene und ausgebildete Personal Überzeit. Der GAV sorgt auf der andern Seite dafür, dass das Personal nicht in der jetzigen Flaute «aus wirtschaftlichen Gründen» entlassen werden kann – ein wesentlicher Unterschied zum Lastwagengewerbe, wo solche Sicherheiten fehlen.
Wenn wegen der schwächeren Nachfrage die Güterzüge kürzer oder weniger dicht beladen werden, drückt dies ebenfalls nicht voll aufs Personal durch – ein Hupac-Zug braucht einen (ganzen) Lokführer, auch wenn er nicht voll beladen ist. Wenn ein ganzer Güterzug ausfällt, braucht es einen Lokführer weniger, wenn dieselbe Menge Güter auf der Strasse fehlt, sind es bis zu achtzig Lastwagenchauffeure, die keinen Auftrag haben.
Für die Bahnunternehmen gibt es allerdings happige Rückschläge zu verkraften. Der Cargo-Chef der österreichisch-ungarischen Raaber Bahn sagt lakonisch: «Wir haben keine Geschäfte verloren, sondern es wird einfach weniger transportiert.»
Noch im letzten Jahr verzeichnete BLS Cargo «Wachstum in allen Segmenten», doch lagen die Verkehrsleistungen zu Beginn dieses Jahres «20 Prozent unter jenen des – sehr guten – Vorjahres». Es fehlen die Containertransporte aus den Nordseehäfen und die Autotransporte. Weil das langfristige Ziel weiterhin Wachstum heisst – CEO Dirk Stahl erwartet für 2010 eine Erholung der Nachfrage –, will man kurzfristig nur mit einem vorübergehenden Massnahmenpaket, das den Aufwand um 9 Millionen reduziert, auf den Auftragseinbruch reagieren. Dazu gehört ein Lokführerpool und das Nutzen von Synergien in den Werkstätten und beim Overhead.
Kooperationen mit dem Ausland gesucht
Die SBB begründet mit dem Auftragsrückgang die kürzliche Schliessung des Rangierbahnhofs Rotkreuz. Doch der Abbau hat bei SBB Cargo ebenso Tradition wie die Verluste. Abgebaut wurden Bedienpunkte und Rangierbahnhöfe.
In der gegenwärtigen Situation suchen die Unternehmen Kooperationen mit dem Ausland. Bei BLS Cargo wurden die Eigentumsanteile letztes Jahr neu verteilt, die Mehrheit von 52 % bleibt bei der BLS AG, die deutsche DB Schenker Rail (ex Railion) hat ihren Anteil auf 45 % aufgestockt, die italienische IMT AG ist mit 3 % beteiligt.
Auch SBB Cargo sucht internationale Kooperationen. Als Partner werden die französische SNCF und die DB Schenker Rail gehandelt. Doch beide Unternehmen kämpfen – wie SBB Cargo selbst – infolge der Krise mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten. DB Schenker Rail will heuer im Güterbereich über 1,2 Milliarden Franken einsparen, gut 7000 Angestellte leisten Kurzarbeit. Auch die Gütersparte der französischen Bahn, Fret SNCF, leidet unter einem Umsatzschwund von einem Viertel in der Folge der Krise. Sie schreibt hohe Defizite, im September soll über ein Rettungskonzept entschieden werden. Ob eine neue internationale Beteiligung unter diesen Umständen opportun erscheint, wird sich weisen.
Peter Anliker