Pensionskassen SBB und Ascoop müssen weiterhin um korrekte Ausfinanzierung kämpfen
«Unrecht bleibt Unrecht!»
SEV-Präsident Giorgio Tuti kritisiert den Entscheid des Bundesrats zu den Pensionskassen als ungenügend und ruft die Mitgliedschaft auf, geschlossen am 19. September zur Grosskundgebung nach Bern zu kommen.
kontakt.sev: Was macht der SEV nach dem Entscheid des Bundesrats?
Giorgio Tuti: Wir werden weiter mobilisieren, weiter kämpfen! Wir verlangen, dass der Bund seine Schuld bei der Pensionskasse SBB begleicht, was mit 1,148 Milliarden Franken nicht der Fall ist. Auch bei der Ascoop stehen Bund, Kantone und Gemeinden in der Pflicht: Auch hier besteht eine Schuld. Wir wollen keine Geschenke – die gibt es für Grossbanken... –, aber wir wollen, dass der Bund für frühere politische Fehler hinsteht und nicht das Personal im öffentlichen Verkehr dafür bezahlen muss.
Sollte man nicht einfach zufrieden sein, schliesslich wollen FDP und SVP gar nichts geben, also die Nullvariante?
Wir können nicht zufrieden sein, bloss weil eine grosse Ungerechtigkeit etwas kleiner gemacht wird. Wir werden auch den Rechtsparteien klar machen, dass den Aktiven und Pensionierten des öffentlichen Verkehrs im Vergleich zu jenen von Post, Swisscom, Skyguide oder Ruag unrecht getan wird, und dass das korrigiert werden muss. Dabei sind wir auch für andere Lösungen offen: So ist es für uns weiterhin denkbar, eine separate Rentnerkasse mit Bundesgarantie zu schaffen.
Der SEV ruft auf den 19. September zu einer Demo nach Bern auf. Was nützt das?
Aktive und Pensionierte des gesamten öffentlichen Verkehrs werden dort zeigen, dass sie bereit sind, für ihre Pensionskasse und ihre Renten zu kämpfen. Gerade auch für die Pensionierten bietet die Kundgebung eine einmalige Chance, auf ihre Situation aufmerksam zu machen und klarzustellen, dass sie nach Jahren ohne Teuerungsausgleich ihren Beitrag an die Sanierung längst geleistet haben. Diese Demonstration soll Politikerinnen und Politikern aller Couleur, aber auch der breiten Öffentlichkeit klar machen, dass wir nicht bereit sind, Abbau und Ungerechtigkeit hinzunehmen.
Wie steht der SEV zu den Sanierungsmassnahmen, die die Pensionskasse SBB voraussichtlich beschliessen wird?
Vorerst geht es nun einmal darum zu erreichen, dass die Politik über die 1,148 Milliarden hinausgeht, um die Pensionskassen korrekt auszufinanzieren. Die Sanierungsmassnahmen sind ein anderes Thema, soweit es darum geht, die Verluste aus der Finanzkrise auszugleichen. Da wird der Stiftungsrat wohl nicht um Massnahmen herumkommen. Wichtig ist uns dabei, dass diese mindestens paritätisch getragen werden, das heisst: Wir werden keine Massnahmen akzeptieren, die einseitig zu Lasten des Personals gehen.
Interview: Peter Moor
«Ich kann keine Begeisterung zeigen»
Drei Fragen an Erwin Schwarb, Präsident des Stiftungsrats Pensionskasse SBB
kontakt.sev: Wie beurteilst du den Entscheid des Bundesrats, 1,15 Milliarden Franken einzuschiessen?
Erwin Schwarb: Ich bin froh, dass der Bundesrat erkannt hat, dass eine Zahlung angebracht und nötig ist. Ich kann allerdings keine Begeisterung zeigen, denn der Betrag ermöglicht keine nachhaltige und vollständige Ausfinanzierung. Zudem bleibt die Unsicherheit, ob das Parlament dem Bundesrat folgen wird; wir haben schon festgestellt, dass die Haltung des Bundesrats nicht von allen Parteien getragen wird.
Der Bundesrat erklärt, SBB und Personal müssten ihren Anteil an die Sanierung leisten. Sieht das der Stiftungsrat auch so?
Um diese Frage zu beantworten, muss man die Ursachen der Unterdeckung der PK SBB betrachten: Der Grossteil der Unterdeckung kommt immer noch von der unvollständigen Ausfinanzierung durch den Bund. Hier ist der Bund in der Pflicht. Aber die Finanzmarktkrise hat zudem seit September 2007 zu milliardenschweren Kapitalverlusten geführt. Für diese schmerzhaften Verluste kann nicht der Bund zur Kasse gebeten werden, sondern diese müssen durch die Arbeitnehmer und den Arbeitgeber abgetragen werden - über eine lange Zeitperiode. Der Stiftungsrat sucht ein Gesamtsanierungskonzept. Dazu gehört eine paritätische Verteilung der Sanierungslast zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern, aber auch zwischen Arbeitnehmern verschiedener Alterskategorien. Dazu muss jedoch die Finanzierung der notwendigen Mittel bei der SBB sichergestellt werden.
Es kursieren die wildesten Zahlen, was die Sanierungsbeiträge angeht. Wie viel wird ein SBB-Mitarbeiter tatsächlich beisteuern müssen?
Ich habe volles Verständnis, dass die Arbeitnehmer endlich wissen wollen, wie hoch die Sanierungslasten jetzt ausfallen. Faktum ist, dass der Entscheid im Stiftungsrat erst getroffen werden kann, wenn die SBB ihren Anteil an die Finanzierung zugesichert und das Bundesamt für Sozialversicherungen sein Einverständnis gegeben hat. Auf unserer Agenda ist die Verabschiedung des Gesamtsanierungspaketes per Mitte September vorgesehen.»
«Die Haltung des Bundesrats zu Ascoop ist nicht nachvollziehbar und nicht akzeptabel»
Vier Fragen an Ruedi Hediger, abtretender Stiftungsratspräsident Ascoop
kontakt.sev: Wie beurteilst du den Bundesratsentscheid, der Pensionskasse SBB 1,15 Milliarden Franken einzuschiessen, eine Pauschallösung für die Ascoop aber abzulehnen?
Ruedi Hediger: Diese Haltung ist schlichtweg weder nachvollziehbar noch zu akzeptieren. Es war der Bundesrat, der im Zusammenhang mit der Bahnreform 2 gleich lange Spiesse resp. Rahmenbedingungen für die Unternehmen des öffentlichen Verkehrs als Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit definiert hat. Ohne finanzielle Hilfe der öffentlichen Hand werden verschiedene Vorsorgewerke innerhalb der Ascoop nicht sanierungsfähig sein. Selbstverständlich ist unter der Hilfe durch die öffentlichen Hand auch die Verantwortung von Kantonen und Gemeinden als Eigner der betroffenen Unternehmen zu verstehen. Es besteht eine politische Verantwortung - denn es kann ja nicht sein, dass beispielsweise keine Schiffe auf einem See mehr fahren oder Busbetriebe eingestellt werden.
Steht die Ascoop damit vor dem Bankrott?
Nicht die Ascoop steht vor dem Bankrott. Kritisch ist jedoch die Lage für einzelne Vorsorgewerke, die nicht in der Lage sind, aus eigenen Mitteln zusätzliche Einlagen zu leisten, um die Bedingungen des Sanierungspfades zu erfüllen. Entweder kommt die entsprechend betroffene Unternehmung in ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten oder das Vorsorgewerk geht «vor die Hunde». Widersprüchlich sind in diesem Zusammenhang die Haltung des Bundesamts für Sozialversicherung (BSV) resp. des Sicherheitsfonds bezüglich Verantwortlichkeiten bei einem solchen Kollaps. Geradezu grotesk mutet die Haltung des BSV an, dass es bei Sanierungsbeiträgen» keine Schmerzgrenzen» gebe. Die Versicherten haben bei der Ascoop schon genug geblutet, die Zitrone ist ausgepresst!
Ascoop will sich aufteilen in eine «gesunde» und eine «gefährdete» Organisation. Was bedeutet es für die Versicherten, in welcher der beiden Abteilungen sie landen?
Die neue Sammelstiftung der sanierungsfähigen und sanierungswilligen Vorsorgewerke bedeutet für die Versicherten, dass ihr Arbeitgeber gewillt ist, seine soziale Verantwortung zu übernehmen. Sie können davon ausgehen, dass zusätzliche Mittel ins Vorsorgewerk fliessen oder mittels Garantien der öffentlichen Hand (Kantone, Gemeinden, Eigner) sicher gestellt werden. Für Versicherte dieser Anschlüsse wird die gesamte Sanierung bestimmt unter dem Aspekt «Verhältnismässigkeit» über die Bühne gehen.
Und was geschieht mit den andern Versicherten?
Die sanierungsunfähigen und sanierungsunwilligen Anschlüsse verbleiben in der alten Ascoop oder treten aus, falls sie überhaupt einen neuen Anschluss finden. Für die Versicherten bedeutet dies in jedem Fall höhere Sanierungsleistungen oder markante Leistungsverschlechterungen. Bei einem grösseren Stellenabbau würde den Austretenden nur die Freizügigkeitsleistung in der Höhe des Deckungsgrads mitgegeben. Bei einem Austritt des Vorsorgewerkes wird ebenfalls nur das Kapital des aktuellen Deckungsgrades mitgegeben, und die Rentner verbleiben als «herrenlose» Vorsorgewerke in der Ascoop. Diese werden sich nicht selbst sanieren können. Gemäss Haltung des BSV sollten diese Rentnerkassen bei Zahlungsunfähigkeit dem Sicherheitsfonds übergeben werden. Dieser sieht es allerdings anders ... Es ist auch denkbar, dass die gesamte heutige Ascoop-Führung (inkl. Stiftungsrat) für die Sammeleinrichtung «alte Ascoop» nicht mehr zur Verfügung steht und eine Zwangsverwaltung nötig wird.