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Karriere trotz Gewerkschaft?
Emma ist jung, dynamisch und erfolgreich. Ihr Arbeitgeber sieht das und will ihr den Karriereweg ebnen. Wenn da nicht das eine wäre… Emma ist nämlich seit ihrem Eintritt in das Unternehmen Mitglied bei einer Gewerkschaft. Hinter vorgehaltener Hand wird ihr nun vom Vorgesetzten zu verstehen gegeben, dass das nun unnötig und überflüssig sei. Als zukünftige Führungskraft vertrete sie ohnehin den Arbeitgeber und sei entsprechend dem Unternehmen verpflichtet.
Schliessen sich Karriere und Gewerkschaft aus? All jene, die jetzt mit ideologisch-politischen Argumenten aufwarten, sollen für einen Moment innehalten. Denn um das geht es hier nicht. Angesprochen fühlen dürfen sich jene, die einen Loyalitätskonflikt zum Unternehmen befürchten und sich auf dieser Basis um die Gewerkschaftsmitgliedschaft bringen.
Was die Führungskraft mit dem einfachen Mitarbeiter, der Mitarbeiterin verbindet, ist ihr rechtlicher Status als Arbeitnehmende. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie vom Lohn ihrer Arbeit würdig leben wollen – ohne dabei ihre Gesundheit zu gefährden. Der/die einzelne Mitarbeitende ist dem Arbeitgeber aufgrund der Lohnabhängigkeit unterlegen und damit zu schwach, um auf eigene Faust seine/ihre Interessen gegenüber dem Arbeitgeber wirkungsvoll wahrzunehmen. Dass man zusammen stärker ist und somit seine Interessen besser einbringen kann, sollte jedem einleuchten. Und genau das schützt die Bundesverfassung: Arbeitnehmende dürfen und sollen sich zusammenschliessen, um ihre gemeinsamen Interessen zu schützen. Diese sogenannte Koali- tionsfreiheit gilt nicht nur gegenüber dem Staat, sondern auch gegenüber dem Arbeitgeber.
Alle Rechtsgeschäfte – ob Vertrag, interne Weisungen oder Vereinbarungen, etc. – welche die Koalitionsfreiheit einschränken bzw. hindern, sind nichtig. Von der Einstellung bis zum Austritt aus dem Unternehmen sind alle Mitarbeitenden in ihrer Persönlichkeit vom Arbeitgeber zu schützen. Das schliesst auch Gewerkschaftsmitglieder mit ein. Der Arbeitgeber darf das Gewerkschaftsmitglied gegenüber anderen Mitarbeitenden, die keiner Gewerkschaft angehören, nicht diskriminieren. Dies gilt insbesondere für jene Mitglieder, die sich aktiv gewerkschaftlich im Unternehmen engagieren. So ist zum Beispiel das Erstellen schwarzer Listen, d.h. Verzeichnisse von Gewerkschaftsmitgliedern, mit dem Ziel sich ihrer zu entledigen, rechtswidrig.
Mit anderen Worten: Nachge- wiesene Diskriminierung oder gar Ausgrenzungen von Gewerkschaftsmitgliedern stellen Persönlichkeitsverletzungen dar, für die betroffene Mitarbeitende den Arbeitgeber gerichtlich belangen können. Kündigungen, die aufgrund der Gewerkschaftsmitgliedschaft oder des aktiven gewerkschaftlichen Engagements im Unternehmen ausgesprochen wurden, gelten als missbräuchlich. Das Unternehmen müsste in diesem Fall dem Gewerkschaftsmitglied eine Entschädigung zahlen. Bei öffentlich-rechtlichen Anstellungsverhältnissen kann eine missbräuchliche Kündigung die Weiterbeschäftigung des Gewerkschaftsmitglieds zur Folge haben.
Daher unser Aufruf an Emma und alle jungen Aufsteiger/innen: Als Gewerkschaftsmitglied steht ihr nicht in einem Loyalitätskonflikt zu eurem Arbeitgeber. Ihr vertretet ihm gegenüber nicht die Gewerkschaft, sondern eure eigenen Interessen als Arbeitnehmende. Euer Arbeitgeber darf euch in dieser Hinsicht weder einschränken noch behindern.