Zentralbahn und Brienz Rothorn Bahn
Bundeshilfe nach Unwetter in Brienz
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Am 12. August 2024 hat das grosse Unwetter in Brienz bei der Zentralbahn und der Brienz Rothorn Bahn massive Schäden angerichtet. Die SEV-Zeitung wollte wissen, ob und wie weit der Bund den Bahnen bei Naturschäden Finanzhilfe leistet.
Die Bahninfrastruktur der Zentralbahn wurde auf einer Länge von rund 1,5 Kilometern überschwemmt und teilweise vollständig zerstört, inklusive der Anlagen im Brienzer Tunnel. An gewissen Stellen waren die Schienen bis fünf Meter hoch von Geröll, Holz und Schlamm zugedeckt, sodass viel Material weggeräumt werden musste. Mitarbeitende oder Reisende kamen zum Glück nicht zu Schaden und auch kein Rollmaterial. Auf die Freilegung der Anlagen folgten die Reparaturarbeiten am unterspülten Trassee, an Kabel- und Sicherungsanlagen und weiteren elektrischen Einrichtungen sowie an den Fahrleitungsfundamenten und -masten. Einzelne Infrastrukturteile wie Weichenmotoren mussten vom Schlamm befreit und teilweise ersetzt sowie Schienen zum Teil neu verlegt werden.
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So blieb die Strecke zwischen Meiringen und Interlaken Ost bis zum 24. November geschlossen und Ersatzbusse bedienten die Haltestellen. Der Bahnersatz, die Kundenlenkung und die Ertragsausfälle im Personenverkehr kosteten die Zentralbahn rund 6 Mio. Franken, wobei diese Leistungen versichert waren. Bei der Kundenlenkung kamen eigene Mitarbeitende sowie Saisonmitarbeitende der Brienz Rothorn Bahn zum Einsatz, bei den Aufräum- und Instand‑setzungsarbeiten neben Mitarbeitenden der Zentralbahn hauptsächlich solche von Bauunternehmen. Die Instandstellung der Bahninfrastruktur kostete rund 6 Mio. Franken.
Die Zentralbahn schliesst mit dem Bund jeweils für vier Jahre eine Leistungsvereinbarung zum Betrieb und Unterhalt der Bahninfrastruktur ab, Diese sieht jährliche Abgeltungen an die Zentralbahn vor. Wird dieses Geld in einem Jahr nicht aufgebraucht, fliesst es in eine Spezialreserve gemäss Art. 67 Eisenbahngesetz (EBG). Darauf wird zurückgegriffen, falls in einem Jahr die Kosten die Abgeltungen übersteigen, beispielsweise wegen Naturschäden. Diese Mehrkosten kann der Bund auf Gesuch übernehmen und aus dem Bahninfrastrukturfonds begleichen. Da die Zentralbahn über genügend Reserven gemäss Art. 67 EBG verfügt, hat sich der Bund nicht an diesen Kosten beteiligt.
Hilfe auch für touristische BRB
Die Brienz Rothorn Bahn (BRB) dagegen erhält normalerweise vom Bund keine Beiträge für Betrieb und Unterhalt der Infrastruktur, weil sie als touristische Bahn keine Erschliessungsfunktion hat. Doch dank Art. 59 EBG konnte sie nach dem Unwetter vom 12. August beim Bund Finanz-hilfe beantragen und erhält von ihm 1 Mio. Franken an die Instandstellung der Bahninfrastruktur, die rund 5 Mio. Franken kostet. Der Kanton Bern hilft mit 1 Mio. Franken. Der Spendenaufruf der BRB brachte 1 Mio. Fr. ein.
Auf 2,2 Kilometern gab es starke strukturelle Schäden am Trassee, am Steinbettfundament und an der Entwässerung. Dazu kamen verschiedene Hangrutsche, Erdausspülungen und Geröllaufschüttungen an diversen Stellen. Zudem war der Schotter auf 1,4 Kilometern verunreinigt. Bis Mitte Oktober wurden die Hauptschäden am Trassee repariert und von 35 Schadenstellen 28 behoben. Der Betrieb dürfte Anfang Mai bis Planalp und ab Anfang Juni bis Rothorn Kulm wieder möglich sein. Der Ertragsausfall kann erst nach Vorliegen des Geschäftsabschlusses 2024 beziffert werden. Die BRB konnte alle Mitarbeitenden entweder intern weiterbeschäftigen (Revisionsarbeiten, Mithilfe bei den Arbeiten am Trassee usw.) oder sie an Partnerunternehmungen (z. B. Zentralbahn) ausleihen. Kurzarbeit wurde keine beansprucht..
Markus Fischer
Bund kann allen Bahnen helfen
«Der Bund kann den von grossen Naturschäden betroffenen Eisenbahnunternehmen Finanzhilfen an die Kosten der Wiederherstellung oder des Ersatzes beschädigter oder zerstörter Anlagen sowie an die Kosten der Räumungsarbeiten gewähren», heisst es im Art. 59 des Eisenbahn-gesetzes (EBG). Es gilt also eine Kann-Formulierung – und zwar auch für Bahnstrecken, die nur der Feinerschliessung dienen oder keine ganzjährig bewohnten Ortschaften oder keine erheblichen Güteraufkommen erschliessen, obwohl gemäss Art. 49 EBG für solche Strecken der Bund normalerweise keine Leistungen aus-richtet und keine Leistungsvereinbarungen abschliesst. Die Verordnung über die Konzessionierung, Planung und Finanzierung der Bahninfrastruktur (KPFV) präzisiert in Art. 39: «Finanzhilfen nach Artikel 59 EBG können ausgerichtet werden, wenn die Schadensbehebung die finanziellen Möglichkeiten der Infrastrukturbetreiberinnen übersteigt, insbesondere wenn sie in der Jahresrechnung zu ungedeckten Kosten von mehr als 20 Prozent der jährlichen Betriebsabgeltung oder mehr als 1 Million Franken führen würde.» Die SBB übernimmt darum Naturschäden bis zu 1 Mio. Franken pro Jahr selber.
«Die SBB und die 34 übrigen Bahnen mit einer Leistungsvereinbarung werden gleichbehandelt», schreibt das Bundesamt für Verkehr (BAV) auf Anfrage. Es erfolge jeweils eine Einzelfallbetrachtung gemäss folgendem Prozess: Gesuch für Finanzhilfe (seitens der Infrastrukturbetreiberin ISB) – Erstprüfung und Einforderung von Unterlagen (seitens BAV) – Lieferung der notwendigen Unterlagen und Belege (ISB) – Prüfung und Entscheid (BAV) – Nachtrag zur Leistungsvereinbarung (BAV und ISB) – Auszahlung (BAV). Bei Bahnen ohne Leistungsvereinbarung wird anstatt eines Nachtrags zur Leistungsvereinbarung eine Verfügung erlassen.