Verkehrspolitik
Regionaler Personenverkehr braucht 3850 Millionen
Dass der Bundesrat die Leistungen des regionalen Personenverkehrs (RPV) in den Jahren 2026 bis 2028 nur mit 3496 Millionen Franken abgelten will statt mit 3850 Millionen, die nach Berechnung des Bundesamts für Verkehr erforderlich sind, ist für den SEV nicht nachvollziehbar.
«Wir halten die Kürzung des vom BAV sorgfältig und nachvollziehbar eruierten Abgeltungsbedarfs um rund 10 % für verkehrs-, sozial- und klimapolitisch falsch», schreibt der SEV in seiner Vernehmlassungsantwort. «Das Signal, welches mit der pauschalen, rein finanzpolitisch begründeten Kürzung ausgesendet wird, schadet dem RPV. Angebots- und Qualitätsverbesserungen werden infrage gestellt, der ökonomische Druck auf die Transportunternehmungen respektive auf das Personal wird unnötig erhöht und die klimapolitisch unabdingbare Verkehrsverlagerung wird verzögert.» Der SEV fordert deshalb, den Verpflichtungskredit auf den vom BAV eruierten Abgeltungsbedarf von 3850 Millionen Franken aufzustocken.
Zweitens fordert der SEV, die Teuerung auf dem gesamten Kreditbetrag für den RPV (Bund und Kantone) von rund 7700 Mio. Franken abzugelten.
Drittens verlangt der SEV vom Bund ein Überdenken der Praxis in Bezug auf RPV-Linien, welche die Voraussetzungen der minimalen Wirtschaftlichkeit nicht erfüllen: «Ist die Erschliessungsfunktion gemäss Artikel 5 der Verordnung über die Personenbeförderung gegeben, soll eine Mindesterschliessung von vier Kurspaaren gemäss Artikel 7 der Verordnung über die Abgeltung des RPV sichergestellt und vom Bund mitfinanziert werden, sofern diese Linie im kantonalen öV-Angebotskonzept vorgesehen ist, auch wenn kein Kostendeckungsgrad von mindestens 20 % erreicht wird – bzw. von 10 % im Fall von Linien, die der Grunderschliessung dienen. Der Bund soll deshalb die Richtlinie zur minimalen Wirtschaftlichkeit aussetzen und für die Jahre 2025 bis 2028 Angebote mitbestellen, für die ein Vorbehalt aufgenommen worden ist.»
Viertens ruft der SEV den Bund auf sicherzustellen, dass auch Linien abgegolten werden, die der Entlastung von Stadtzentren und primären öV-Knoten dienen, wie insbesondere tangentiale Buslinien. «Solche Linien sind verkehrspolitisch sinnvoll und entsprechen den aktuellen Kundenbedürfnissen. Um das Nachfragepotenzial mittelfristig abrufen zu können, muss auch ausserhalb der Hauptverkehrszeiten ein attraktiver Takt gefahren werden. Bei der Entscheidung, ob es sich bei derartigen Linien um ein Überangebot handelt, sollte zukünftig in erster Linie auf das Verlagerungspotenzial abgestützt werden.»
Fördermittel für Elektroantriebe und Nachtzüge freigeben
In seiner Vernehmlassungsantwort zu den Ausführungsbestimmungen zum revidierten CO₂-Gesetz fordert der SEV vom Bundesrat auch, dass er auf seinen staatsrechtlich fragwürdigen Entscheid zurückkommt, die vom Parlament beschlossenen Fördermittel für elektrische Antriebstechnologien und für Nachtzüge zu sperren. Denn viele Transportunternehmen haben bereits für nächstes Jahr Fahrzeugbeschaffungen mit diesen Fördermitteln geplant, und auch die SBB hat ihre Vorarbeiten für neue Nachtzugverbindungen inzwischen schon weit vorangetrieben.
Markus Fischer
Den Volkswillen ernst nehmen
Vor über dreissig Jahren hat das Schweizer Stimmvolk die «Alpen-Initiative» zur Verlagerung des Verkehrs von der Strasse auf die Schiene angenommen. Vor einem Jahr sagte eine klare Mehrheit Ja zu einer klimaneutralen Schweiz bis 2050. Bis dahin ist es zwar noch ein weiter Weg, doch eines ist sicher: Der Verkehrssektor muss hierbei eine entscheidende Rolle spielen. Die Treibhausgas-Emissionen des motorisierten Verkehrs müssen drastisch reduziert werden. Der öffentliche Verkehr ist eine der Lösungen des Problems. Deshalb muss er gefördert werden.
Die Stimmbevölkerung hat es mehrfach deutlich gemacht: Die Schweiz muss in den öV investieren. Heute verfügt die Schweiz über ein ÖV-Netz, um das sie viele Länder beneiden. Natürlich gibt es noch Luft nach oben. Die Finanzen des Landes sind im Lot; die Schweiz hat kein Schuldenproblem. Im Gegenteil: In den letzten Jahren, so der SGB, «haben Bund, Kantone und Gemeinden ohne wirtschaftliche Notwendigkeit Eigenkapital von mehr als 100 Milliarden Franken angehäuft». Es ist deshalb unverständlich, dass der Bundesrat plötzlich massiv sparen will. Das ist kurzsichtig und steht im Widerspruch zu den klimatischen und sozialen Herausforderungen. Die Sparvorschläge einer selbsternannten Expertengruppe sind untauglich und gefährlich. Die gesamte ÖV-Infrastruktur könnte zusammenbrechen. Diese Massnahmen gefährden die Qualität des Service public und damit einen fairen Zugang zur Mobilität, einem Grundpfeiler der Schweizer Gesellschaft.
Die Streichung von Nachtzug-Subventionen ist nur die Spitze dieses gefährlichen Eisbergs. Dramatischer sind die Einsparungen beim regionalen Personenverkehr (RPV). Der Bund will deutlich weniger ausgeben, als für die Aufrechterhaltung des RPV nötig wäre – notabene über 300 Millionen Franken weniger als das BAV ursprünglich vorgeschlagen hatte. Dramatisch ist auch die Ankündigung, die Subventionen für die Elektrifizierung der Busflotten zu streichen.
Wenn die notwendigen finanziellen Mittel fehlen, bekommt das Personal dies als erstes zu spüren. Eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, mehr krankheitsbedingte Ausfälle und ein schlechteres Angebot für Reisende sind die Folgen davon.
Wir müssen den Bundesrat überzeugen, auf diese Sparmassnahmen zu verzichten. Wir haben ein gemeinsames Interesse mit den Kantonen und den Transportunternehmen, diesen Trend umzukehren.
Kommentar von Valérie Boillat, Vizepräsidentin SEV