Getreidetransporte
Von der Schiene auf die Strasse? Verkehrte Welt
Die Unternehmung Vaud Céréales hat beschlossen, den Transport von Hafer, Raps und Weizen per Bahn vorübergehend einzustellen. Der Entscheid für die Strasse widerspricht sowohl den Klimaschutzzielen als auch dem Ziel der Verlagerung des Gütertransports von der Strasse auf die Schiene. Die gute Nachricht: Die Politik hat reagiert und es gibt Lösungen.
Den ganzen Frühling durch leuchtet auf vielen schweizerischen Feldern die gelbe Rapsblüte, vor allem in der Region Morges (Kanton Waadt). Die Bauern bringen ihre Raps-, Hafer- und Weizenernte ins Sammelzentrum Bussy-Chardonney. Der Standort ist neben der Bahnlinie der öV-Unternehmung Morges–Bière–Cossonay (MBC) ideal gelegen. Deren Bahnhof ist gerade renoviert worden. Ein kurzes, eigenes Anschlussgleis führt zur Landi La Côte. Insgesamt werden dort über 14 000 Tonnen Getreide gelagert. Die Ölsaaten werden anschliessend per Zug zu den verschiedenen Verarbeitungsbetrieben transportiert. Diese Transportart hat sich bewährt und funktioniert bestens. Trotzdem wird immer noch sehr viel Getreide auf der Strasse transportiert. Jährlich schickt Vaud Céréales 7500 Tonnen Getreide an ihren Standort Penthalaz, davon 4500 Tonnen per Lastwagen und 3000 Tonnen auf der Schiene, also bloss 40 %.
Die Bilanz ist also schon heute ungünstig für die Bahn. Nun haben diverse Medien enthüllt, dass Vaud Céréales, die das Zentrum betreibt, mit sofortiger Wirkung entschieden hat, die MBC vorläufig nicht mehr für den Transport ihres Getreides zu nutzen. Stattdessen sollen zusätzlich zu den bisherigen 440 Lastwagen pro Jahr weitere 220 die Ortschaften zwischen dem Jurafuss und Penthalaz durchqueren, obwohl dort eigentlich ein Schienenanschluss vorhanden wäre.
Einsparungen und Sicherheit
Es sind vor allem wirtschaftliche und sicherheitsrelevante Argumente, mit denen diese Entscheidung begründet wird. Das steht im Widerspruch zum Klimaschutz und der Gesundheit der Anwohnenden, wie auch zum Grundsatz der Verlagerung des Gütertransports von der Strasse auf die Schiene, der mehrfach in Volksentscheiden bestätigt worden ist. Steve Corminboeuf, der Direktor von Vaud Céréales, hat in der Presse verlauten lassen, dass die Schiene für kurze Distanzen doppelt so teuer wie die Strasse sei. Würden allerdings die Kosten für die Strassennutzung des motorisierten Verkehrs und dessen Folgebelastungen (Lärm, Abgase, Staus, Unfallrisiko, Auswirkungen auf die Gesundheit) korrekt berechnet, wären sie deutlich weniger wettbewerbsfähig. Im Übrigen gibt es sehr gute Argumente für den Schienengüterverkehr: Er benötigt siebenmal weniger Energie als der Strassentransport, stösst zehnmal weniger Treibhausgase aus und benötigt fünfmal weniger Platz, wie eine BAV-Studie von 2017 nachweist.
Es scheint jedoch, dass es nicht in erster Linie um die Wettbewerbsfähigkeit der Schiene geht, sondern eher darum, dass es sich nicht lohnt, hunderttausende von Franken in sicherheitsnotwendige Renovationen zu stecken. Es ist in der Tat ein Sicherheitsargument, das der Direktor von Vaud Céréales in «Le Temps» vorbringt. Vaud Céréales gehört der Landi, die wiederum im Besitz der mächtigen Genossenschaft Fenaco ist. Es geht Corminboeuf also um die eigenen Anlagen und nicht um die MBC. Diese seien veraltet und bildeten eine Gefahr für das Landi-Personal beim Beladen der Wagen aufgrund von elektrischen Kabeln, die nicht ausgeschaltet werden können. Es besteht Kurzschlussgefahr. Gibt es seitens Fenaco den Willen, hier eine Lösung zu finden? Gewisse Beteiligte bezweifeln dies und sehen darin eher die ideale Ausrede, den Wechsel zum praktischeren und flexibleren Strassentransport vorzunehmen, da der Bahntransport sowohl Zeit als auch mehr Planung benötigt.
Diskutierte Lösungen
Eine Lösung könnte von Bern kommen. Denn es ist tatsächlich so, dass Investitionen für die Anpassung der Gleisanlagen an die gesetzlichen Vorschriften «namhafte Subventionen möglich wären, die vom Bund gesprochen werden könnten», wie MBC-Direktor Pierre-Alain Perren darlegt. «Wir werden uns demnächst mit der Landi treffen und mit ihnen mögliche Lösungen diskutieren, um den Schienentransport zu erhalten», sagt er gegenüber dem SEV.
In der Zwischenzeit ist die Angelegenheit auch auf Kantonsebene vom grünen Grossrat Yannick Maury thematisiert worden. In seiner Anfrage vom 4. April will er wissen, «welche Massnahmen der Staatsrat treffen kann, um das Sammelzentrum Bussy-Chardonney sicherer und damit den Transport von Getreide auf der Schiene attraktiver zu machen.» In seiner Antwort vom 24. Mai bedauerte der Staatsrat diese Entscheidung und erinnerte daran, dass es auf Bundesebene finanzielle Unterstützung gibt. Die Dringlichkeit der Angelegenheit ist durch eine am 23. Mai eingereichte Interpellation des SVP-Grossrats Sylvain Freymond verstärkt worden. Dieser fragt nach der Verantwortung für die Renovationsarbeiten und will wissen, «auf welche Art der Staatsrat intervenieren kann, um den Schienentransport in unserem Kanton zu unterstützen.» Der Umstand, dass diese Interpellation von 24 SVP- und FDP-Abgeordneten unterstützt wurde, lässt hoffen, dass eine Lösung für die Rückkehr zum Schienentransport gefunden werden kann.
Yves Sancey
Kommentare
Lukas Witschi 01/06/2023 19:32:04
Das verwundert mich nicht mehr... SBB Cargo "vertreibt" viele Kunden regelrecht dazu, ihre Transporte auf die Strasse zu verlagern.
hans berchtold 03/06/2023 11:31:13
ist wieder die zu starke SVP im Hintergrund? hoffe Albert Rösti ist im Interesse für die Bahn Güter, als Verkehrsminister.