Solidarität
40 Jahre Solifonds – Der Kampf geht weiter
1983 gründeten verschiedene Organisationen und einzelne engagierte Menschen den Solifonds. Das Ziel der Stiftung war und ist, Arbeiterinnen und Arbeiter auf der ganzen Welt im Befreiungskampf zu unterstützen, also im Kampf gegen Unterdrückung, Abhängigkeit und Ausbeutung. 40 Jahre später sieht die Situation vielerorts besser aus, doch es gab auch Verschlechterungen.
«1981 trafen sich über 3000 Menschen im Berner Kursaal und diskutierten über die Befreiung der Dritten Welt, wie man damals sagte», erzählt Urs Sekinger, langjähriger Koordinator des Solifonds und heute Präsident der Stiftung «Solidaritätsfonds für soziale Befreiungskämpfe in der Dritten Welt – Solifonds», wie die Organisation offiziell heisst. Der Begriff «3. Welt» ist heute nicht mehr zeitgemäss und wirkt kolonialistisch, doch der Kampf für bessere Arbeitsbedingungen in armen Ländern auf diesem Planeten ist aktueller denn je. «Es gab Momente, als wir dachten, es wird tatsächlich besser, zum Beispiel als die Apartheid in Südafrika abgeschafft wurde», sagt Urs Sekinger. «Doch Globalisierung und Neoliberalismus haben kaum gehalten, was sie einst versprochen hatten, nämlich allen mehr Wohlstand zu bringen.» Stattdessen ist die Schere zwischen Arm und Reich vielerorts grösser geworden.
Arbeitskämpfe auf der ganzen Welt
Nach dem Treffen von 1981 beschlossen verschiedene entwicklungspolitische Organisationen wie die «Erklärung von Bern» (heute: Public Eye), das Schweizer Arbeiterhilfswerk (heute: Solidar Suisse), die SP Schweiz und der Schweizerische Gewerkschaftsbund einen Kampffonds zu schaffen. «Eine Stiftung ohne Geld», wie sie Urs Sekinger bezeichnet, die mit der Zeit genug finanzielle Mittel erhielt, um einen Fonds zu äufnen. Am 1. Mai 1983 unterstützten die beteiligten Organisationen mit diesem Kampffonds südafrikanische Gewerkschaften. Das war die Geburtsstunde des Solifonds. «Uns geht und ging es immer darum, bestehende Gemeinschaften, beispielsweise lokale Gewerkschaften, zu unterstützen», sagt Aurora García, die zusammen mit Yvonne Zimmermann den Solifonds koordiniert. «In Südafrika, wo alles begann, konnten wir erst kürzlich wieder einen Erfolg verbuchen. Dort konnten wir Hausarbeiterinnen unterstützen, die sich organisiert haben. Und jetzt haben sie es endlich geschafft, eine Unfallversicherung zu erhalten.» Bis vor wenigen Jahren waren diese Arbeiterinnen kaum geschützt und wurden schamlos ausgenutzt. Erst 2011 verabschiedete die Internationale Arbeitsorganisation ILO eine Schutzkonvention für die Hausarbeit.
In Indien konnten Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter in der Zementindustrie nach jahrzehntelangem Streit erreichen, dass sie endlich anständige Verträge erhielten (siehe Bild). Der Solifonds unterstützte deren Gewerkschaft PCSS. Gemeinsam mit der internationalen Gewerkschaft IndustriALL klagten sie gegen die Besitzerin, die schweizerische Holcim, und erhielten schliesslich Recht.
Viele Kämpfe sind heute dieselben geblieben wie vor vierzig Jahren: Arbeitsrechte, Grundrechte für Frauen, LGBTIQ-Rechte, demokratische Mitbestimmung oder das Einfordern von Landrechten. Andere Themen sind neu, wie zum Beispiel die Armutsfolgen der Coronapandemie. «Früher war es einfacher, Geld an bedürftige Organisationen zu schicken, heute verhindern bürokratische Hürden oft eine einfache Überweisung aus dem Solifonds», erzählt Aurora García. Die Digitalisierung ist nicht nur Segen, sondern auch Fluch, weil sie die Überwachung von politischen Organisationen durch repressive Staatsapparate vereinfacht hat. «Wir dürfen nicht vergessen, dass in vielen Ländern Gewerkschaften verboten sind.» In den letzten Jahren kam es immer wieder vor, dass autoritäre Staaten gegen Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen vorgingen unter dem Vorwand, Terrorismus zu bekämpfen.
Trotz allen Widrigkeiten funktioniert der Solifonds. Noch immer können dank dieser Institution Menschen und Organisationen, die für mehr Rechte kämpfen, unbürokratisch finanziell unterstützt werden. Der Solifonds finanziert sich zu gut 10 % von Jahresbeiträgen der Stifterorganisationen, und 90 % der Beiträge kommen von privaten Spenderinnen und Spendern, darunter auch diverse Sektionen des SEV. Der Solifonds schreibt den Menschen nicht vor, was sie mit der finanziellen Unterstützung tun müssen, sondern hilft ihnen, eigene Netzwerke zu schaffen – gibt also Hilfe zur Selbsthilfe.
Jubiläumsveranstaltung
Am 5. Mai lädt der Solifonds zur Veranstaltung «Schlecht bezahlt, keine Rechte – Gewerkschaftskämpfe in prekären Arbeitsverhältnissen – Eine Diskussion zu Erfahrungen aus Spanien, Marokko und der Schweiz». Die Veranstaltung findet von 13.30 bis 16.30 Uhr im Hotel Bern statt. Anschliessend lädt der Solifonds zum Apéro. Die Teilnahme ist gratis.
Michael Spahr