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Klares Ja zum neuen GAV SBB Cargo International

SBB Cargo International fährt zunehmend in der Nacht. Darum war die Verlängerung der Nachttouren ein Streitpunkt. © SBB Cargo International.

Bei SBB Cargo International haben monatelange, schwierige Verhandlungen zu einem neuen GAV ohne radikale Veränderungen geführt. Aus Sicht der SEV-Verhandlungsleitung handelt es sich um einen guten, tragfähigen Kompromiss. Denn für das Personal resultieren wertvolle Verbesserungen, wenn auch weniger weitgehende als vom SEV gefordert, während die Zugeständnisse ans Unternehmen tragbar bleiben. Die SEV-Mitglieder stimmten dem GAV in einer digitalen Abstimmung mit deutlicher Mehrheit zu.

Bereits vor drei Jahren hatte der SEV beim Personal an Versammlungen Vorschläge für GAV-Änderungen eingeholt. Doch wegen der Pandemie wurden die Verhandlungen erst im März 2021 aufgenommen. Der SEV forderte vor allem Verbesserungen beim Gesundheitsschutz und bei der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Im Gegensatz dazu forderte die Unternehmung mit Hinweis auf die Konkurrenz mehr Flexibilität im Austausch zu mehr Geld, um die Wünsche der Kunden besser erfüllen zu können.

Verhandlungsergebnisse

Die Verhandlungsgemeinschaft von SEV, VSLF, Transfair, KVöV konnte in zehn schwierigen Verhandlungsrunden eigene Forderungen durchbringen und die Forderungen der Leitung teilweise oder ganz abwehren, zum Beispiel einen zweiten Dienstort. Zudem wurde eine GAV-Laufdauer bis mindestens Ende 2025 vereinbart, was dem Personal Stabilität garantiert. Wichtige Änderungen gegenüber dem bisherigen, mehrfach verlängerten GAV von 2012:

• Anhebung des Höchstwerts der Lohnspektren aller Berufsbilder um 5 %. Damit können auch die rund 90 Mitarbeitenden, die zurzeit auf dem Lohnmaximum sind, wieder von Lohnerhöhungen profitieren.

• Beschleunigung der Gehaltsentwicklung für jüngere Kolleg:innen im Lohnaufstieg.

• Erhöhung des Vaterschaftsurlaubs von 10 auf 15 Tage und des Mutterschaftsurlaubs von 17 auf 18 Wochen. Neu gibt es zudem einen Adoptionsurlaub von 10 Tagen.

• Einführung eines neuen CTS-Kontos, das für den Bezug von zusätzlichen Ausgleichstagen vorbehalten ist, in das Ende Jahr Zeitsaldi von über 41 Stunden gebucht werden.

• Nur noch mit Mitentscheid möglich sind Unterschreitungen der zwölfstündigen Ruheschicht, zum Beispiel bei Betriebsstörungen. Zudem muss eine Ruheschicht kürzer als zwölf Stunden zusammen mit den nächstfolgenden zwei Ruheschichten im Durchschnitt mindestens zwölf Stunden betragen.

• Nachttouren, die vor 24 Uhr beginnen, dürfen neu bis 7 Uhr dauern statt bis 6 Uhr wie heute, und mit Mitentscheid neu bis 8 Uhr statt 7 Uhr. Das Unternehmen forderte 8 Uhr bzw. 9 Uhr. Im Gegenzug wird diese Arbeitszeit von 6 bis 8 Uhr doppelt angerechnet.

• Bisher können Dienste vor Ferien am Samstagmorgen bis 2 Uhr dauern, neu bis 4 Uhr. Die Leitung wollte Dienste bis Sonntagmorgen planen können.

• Neu möglich, aber nur mit Mitentscheid, ist eine Reduktion der Mindestdauer der Pause von 40 auf 30 Minuten bei Diensten über neun Stunden, sowie eine dritte Pause in einer Dienstschicht.

Deutliches Ja

Im Februar hat der SEV für Mitglieder und alle interessierten Mitarbeitenden vier Videokonferenzen durchgeführt, um ihnen das Verhandlungsergebnis vorzustellen. Vom 20. bis 27. Februar nahmen 57 % der betroffenen SEV-Mitglieder an der digitalen Abstimmung teil. Die abgegebenen Stimmen verteilten sich wie folgt: 75% Ja, 20,3 % Nein und 4,7 % Enthaltungen. Eine Auswertung nach Berufsgruppen ergab, dass von den am Mitgliederentscheid beteiligten Lokführer:innen zwei Drittel das Verhandlungsergebnis annahmen.

Wie geht es weiter?

Dem Verhandlungsergebnis haben auch Transfair und der Kaderverband zugestimmt, während der VSLF nochmals eine Bedenkfrist verlangte. «Für den SEV ist nach dem demokratischen Entscheid seiner Mitglieder klar, dass er den Vertrag umsetzen will», sagt SEV-Vizepräsident Christian Fankhauser. «Gespräche mit Transfair, dem KVöV und der Unternehmung haben gezeigt, dass auch sie den Vertrag unterzeichnen wollen.» Die definitive Haltung des VSLF stand bei Redaktionsschluss noch aus. Darum blieb noch offen, wann der Vertrag unterzeichnet wird und wann genau er in Kraft tritt.

Markus Fischer
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Fragen zum GAV SBB Cargo International

«Der GAV ist ein guter Kompromiss, der Stabilität bringt bis 2025»

Für SBB Cargo International sind beim SEV die Gewerkschaftssekretäre Wolfram Siede und Thomas Giedemann zuständig. Interview.

Die GAV-Verhandlungen haben fast ein Jahr gedauert. Was waren die Schwierigkeiten?

Thomas Giedemann: Die Forderungen von uns Gewerkschaften und des Unternehmens gingen sehr weit auseinander, sodass es schwer war, einen kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden war. Das Unternehmen forderte vor allem bei der Arbeitszeit sehr weitgehende Flexibilisierungen, die wir grösstenteils abwehren konnten. Die einzige wirklich schmerzliche Konzession, die wir machen mussten, ist die Verlängerung der Nachttouren, die vor 24 Uhr beginnen. Doch die Flexibilisierungen bleiben für das Personal tragbar. Sie sind gemäss Unternehmen nötig, damit es nicht Aufträge an die Strasse verliert oder an andere Bahnen, vor allem ausländische. Sie dienen also der Arbeitsplatzsicherheit. Im Gegenzug haben wir für das Personal auch Verbesserungen erreicht.

Wie bewertest du, Wolfram, als SEV-Delegationsleiter den GAV?

Wolfram Siede: Der GAV ist ein guter, tragfähiger Kompromiss, der bis mindestens 2025 läuft und damit Stabilität bringt. Wichtige Verbesserungen für das Personal sind die Anhebung aller Lohnspektren, wovon Mitarbeitende profitieren, die heute auf dem Lohnmaximum sind, sowie der schnellere Lohnaufstieg für Jüngere und der längere Vater- und Mutterschaftsurlaub. Im Gegenzug zu den Flexibilisierungen bei der Arbeitszeit konnten wir das Mitentscheidrecht ausbauen. Dieses sollten die Mitarbeitenden und die Arbeitsplankommission wirklich nutzen.

Welche weiteren Herausforderungen stehen bei SBB Cargo International jetzt an?

Thomas Giedemann: Der SEV nimmt die Bedenken beim Personal wegen der Flexibilisierungen ernst, wird deren Folgen genau im Auge behalten und intervenieren, falls Kolleg:innen darunter leiden.

Wolfram Siede: Wir begleiten Versuche mit Lokpersonalgruppen, die mehr Früh- oder Nachttouren leisten, um andere, vor allem ältere Mitarbeitende zu entlasten, gegen entsprechende Entschädigung. Aber die Freiwilligkeit und die Rückkehr in normale Touren müssen garantiert sein Eine paritätische Arbeitsgruppe wird die Anwendbarkeit der Frühpensionierungsmodelle von SBB/SBB Cargo bei SBB Cargo International prüfen. Zudem gibt es eine Riesenbugwelle von geleisteten Überstunden. Damit diese abgebaut werden können, braucht es mehr Personal.

 

Güterverkehr

Kunden wollen Nachtsprung nutzen

SBB Cargo International machte bei den GAV-Verhandlungen geltend, dass der Markt vermehrte Nachtarbeit erfordere. Tatsächlich wollen heute Operateure wie Hupac ihre Fracht normalerweise am Abend verladen und am Morgen entladen, bestätigt Hans-Peter Vetsch, Geschäftsführer des Gotthard-Komitees und langjähriges SEV-Mitglied. Für ihn ist dies aber nicht in Stein gemeisselt, denn der Grund dafür ist nicht das Fehlen von Güterverkehrstrassen am Tag, im Gegenteil.

Auf der Neat könnten am Tag mehr Güterzüge fahren

Tagsüber bleiben viele G-Trassen ungenutzt, während sie in der Nacht rar sind. Zwar benötigt der Personenverkehr zu Pendlerzeiten mehr Trassen als ursprünglich geplant, könnte aber allenfalls zu verkehrsärmeren Zeiten Trassen abgeben, führt Vetsch aus. Auf der Gotthardachse ständen täglich pro Richtung rund 130 G-Trassen zur Verfügung, und via Lötschberg und Simplon rund 60. Vetsch schlägt vor, G-Trassen tagsüber und am Wochenende zu vergünstigen, um sie für Frachten attraktiver zu machen, die nicht zwingend am nächsten Morgen zugestellt werden müssen, wie zum Beispiel Holzschnitzel. «Logistiker sind flexibel», sagt Vetsch.

Vergünstigt werden müssten auch die Gebühren der Infrastrukturbetreiber für das Abstellen von Zügen unterwegs oder vor Terminals. Zudem müssen Güterzüge heute an der Grenze in Basel oder Chiasso oft stundenlang warten. Vetsch fordert daher mehr grenzüberschreitende durchgehende Trassen sowie einen Ausbau der Zufahrten zur Neat im Norden und Süden, vor allem auch der einspurigen, flachen Linie Bellinzona–Luino–Gallarate/Novara.

Markus Fischer
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