Unteraufträge im öffentlichen Verkehr
Buslinien: «Unser Ziel ist null Subunternehmer»
Die Unterakkordanz, also Unteraufträge geben in der Welt des Verkehrs immer wieder zu reden, denn diese Praxis birgt Gefahren. Wir wollten von SEV-Vizepräsident Christian Fankhauser wissen, wie er dazu steht
Unteraufträge sind Verträge, mit denen ein Unternehmen alle oder gewisse Leistungen, die es für seine Kundschaft erbringen soll, durch ein anderes Unternehmen erbringen lässt. Die Unterakkordanz, also das Auslagern von Aufgaben an Subunternehmer, ist aus gewerkschaftlicher Sicht problematisch. Im Mai 2020 hat Postauto die Ausschreibung für die 39 Buslinien im Kanton Jura gewonnen. Nun vergibt das Unternehmen nicht nur einige der Linien an Subunternehmer, sondern weigerte sich Mitte März auch noch, den Auftrag an die Chemins de fer du Jura (CJ) zu vergeben, die mit dem SEV einen GAV unterzeichnet haben. Das vom SEV angeprangerte Dumpingrisiko bleibt bestehen, denn der jurassische Regierungsrat David Eray scheute sich nicht, sich auf den Rahmen-GAV für den Buslinienverkehr des Kantons Bern zu berufen, um Geld zu sparen. Auch der Kanton Schwyz scheint interessiert an dieser «Jura-Methode». Bisher hat einzig der Kanton Waadt am 15. Januar angekündigt, die Vergabe von Unteraufträgen bei regionalen Buslinien zu beenden.
Die Unterakkordanz ist auch in anderen Unternehmen eine Bedrohung: Bei der SBB betrifft es den Reinigungsdienst in kleinen und mittleren Bahnhöfen, bei den TPG den Reifen-Service, und die TPF haben die nächtliche Reinigung von Bussen ausgelagert. In den ersten beiden Fällen ist eine Petition im Umlauf, im dritten Fall werden Gespräche mit der Geschäftsleitung geführt.
Warum vergeben Betriebe Unteraufträge?
Christian Fankhauser: Sicher nicht, weil ihnen Mittel oder die Fähigkeit fehlen, die Leistungen selbst zu erbringen, sondern weil sie die Konzession wollen, um den Subunternehmern die Bedingungen zu diktieren. Sie können auch Geld sparen, indem sie Arbeit auslagern.
Was ist für dich das Hauptproblem der Unteraufträge?
Das Problem liegt darin, dass die Subunternehmer häufig keine GAV haben. Ihre Arbeitsbedingungen sind daher oft weit schlechter als bei den Auftraggebern. Beispielsweise vergaben die Verkehrsbetriebe der Region Lausanne (TL) vor zehn Jahren kleine Minibus-Testlinien an MSA, ein Unternehmen ohne GAV und mit extrem tiefen Löhnen. Der damalige Stadtpräsident begründete die Massnahme damit, dass es durch die Auslagerung 50 % billiger sei! Nach einem langen Kampf mit dem SEV übernahm die TL den Betrieb dieser Linien wieder selbst.
Kommt das Problem nicht hauptsächlich von der Ausschreibung der Linien her?
Auf jeden Fall! Leider ist es den Kantonen gesetzlich erlaubt, Linien auszuschreiben. Es verwundert nicht, wenn sie sich dafür entscheiden: Durch den Wettbewerb hoffen die Kantone darauf, Dienstleistungen zu einem niedrigeren Preis als dem bisherigen zu erhalten. Genau das ist im Jura passiert, der den günstigsten Anbieter auswählen und so jährlich vier Millionen sparen wollte. Die Kantone sollten ihre soziale Verantwortung wahrnehmen und Mindeststandards einführen, wie z. B. ein Verbot der Unterakkordanz. Ferner müssen sie sicherstellen, dass die Anbieter einen GAV haben oder bereit sind, mit der Gewerkschaft einen solchen auszuhandeln.
Laut BAV hat die seit 1996 mögliche Ausschreibung regionaler Buslinien zum Ziel, die Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Ist das nicht eine tolle Idee?
Effizient sind vor allem Maschinen. Das BAV interessiert sich wenig für Menschen! Und Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu was? Unter der Schirmherrschaft von Bundesrätin Leuthard wollte das BAV den Wettbewerb einführen, um Unternehmen zur Innovation zu zwingen. Das Ziel war, die Preise zu senken. Das Wichtigste ist, dass Unternehmen ihre Arbeit nach besten Kräften zum richtigen Preis erledigen. Motiviertes Personal mit einem guten GAV, guten Löhnen und angemessenen Touren garantiert die Sicherheit und Nachhaltigkeit der Linien.
Ausgelagert werden auch Leistungen wie die Reinigung oder die Revision der Reifen.
Dies ist problematisch, da dies wichtige Aufgaben sind, die vom Unternehmen ausgeführt werden müssen. Wir wissen, dass die GAV in diesen Berufen oft schlechter sind als die des öffentlichen Verkehrs. Da sind wir schon wieder beim Dumping. Durch das Auslagern dieser Aufgaben fallen sie unternehmensintern weg, und somit fehlt auch die Möglichkeit, Angestellte zu reintegrieren, die nicht mehr fahren können. Deshalb müssen die Unternehmen diese Leistungen wieder selbst erbringen. Wenn sie diese Aufgaben an ihre eigenen Mitarbeiter übergeben, ist die Qualität immer klar besser.
Der Kanton Waadt gab im Januar bekannt, dass er Unteraufträge auf regionalen Buslinien beenden will. Ein Vorbild für andere?
Absolut! Der Kanton Waadt geht in die richtige Richtung. Unser Ziel sind Null Subunternehmer! Wir werden darauf achten, wie der Kanton dieses Verbot kontrolliert und wie er mit den derzeit an Subunternehmer vergebenen Linien umgeht. Gleichzeitig sind wir besorgt über die Entscheidung des Schwyzer Parlaments, das durch Ausschreibungen die Kosten senken will.
Wenn du einen Zauberstab hättest, wie würdest du die Unterakkordanz beenden?
Ich brauche vielleicht gar keinen Zauberstab, da es eine gewerkschaftliche Forderung ist, keine Unteraufträge zu vergeben. Weil wir wissen, dass dies die Servicequalität und die Arbeitsbedingungen verschlechtert. Für uns haben Subunternehmer keinen Platz im Service public. Davon müssen wir Kantone und Leute überzeugen, die Linien ausschreiben. Mehr als Magie braucht es vor allem politische Interventionen auf Bundes- und kantonaler Ebene, um klare Regeln aufzustellen. Und wir müssen bei jeder Ausschreibung gewerkschaftlich intervenieren, um der Öffentlichkeit zu erklären, dass Unternehmen, die eine Sozialpartnerschaft pflegen, auf faire Regeln angewiesen sind. Der Wettbewerb, der den Neoliberalen am Herzen liegt, wird verzerrt, wenn gewisse Unternehmen GAV ignorieren und mit Preisdumping den Markt erobern.
Yves Sancey