| Aktuell / SEV Zeitung

Schifffahrt hofft auf Passagiere ab Saisonstart

Da war die Welt noch in Ordnung, als wir ohne Masken eng beisammen sein durften … Dampfschiff Stadt Rapperswil am 21. Oktober 2012. Foto: Urs Fankhauser

Covid-19 verunmöglichte dieses Jahr die Branchentagung Schifffahrt des SEV, die immer im Januar stattfindet. Als Ersatz für den mündlichen Austausch der Sektionen bat der Branchenvorstand diese um schriftliche Berichte zur Situation in ihren Unternehmen. Daraus entstand dieser Artikel.

Die Berichterstatter hatten bestimmte Themen zu behandeln. Dazu gehörten die Lohnverhandlungen: Wie gestalteten sich diese in der Coronakrise für das Jahr 2021?

Einnahmenausfälle überall

Die Ausgangslage war bei allen Schiffsbetrieben schwierig, denn die Pandemie führte bei allen zu Mindereinnahmen. Die vom Bundesrat angeordnete Einstellung des touristischen Verkehrs vom 21. März bis zum 5. Juni 2020 führte zu einem verspäteten Saisonstart. Ausländische Tourist/innen blieben aus, und die Schweizer/innen fuhren weniger Schiff als erhofft.

Dazu kam der Einbruch der EventSchifffahrt (Charterfahrten für Gruppen, Erlebnisgastronomie, Tanzschiff, Themenfahrten). Die Krise brachte aber auch ein neues Spezialschiff hervor: Am 2. Februar 2021 wurde in Romanshorn das Impfschiff MS Thurgau eröffnet. Als mobiles Impfzentrum des Kantons Thurgau wird es auch Arbon und Kreuzlingen besuchen. Betrieben wird es von der Privatklinikgruppe Hirslanden.

Besonders kritisch ist die finanzielle Lage bei kleinen, rein touristischen Schiffsbetrieben wie jenen vom Bielersee (BSG), Neuenburger- und Murtensee (LNM) oder Untersee und Rhein (URh). Sie haben schon in normalen Zeiten Mühe, eine schwarze Null zu erreichen, und verfügen kaum über Reserven. Aber auch die grosse, renommierte Schifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees (SGV) leidet stark unter der Pandemie, weil sie das Ausbleiben der ausländischen Gäste besonders spürt. Bei ihr sank die Passagierzahl im 2020 gegenüber 2019 um 56 %. Wenigstens kann sie noch auf Reserven zurückgreifen. Die Betriebe vom Genfersee (CGN) und Zürichsee (ZSG) hatten den Vorteil, Linien für Pendler/innen im Lockdown weiter betreiben zu können und dafür Abgeltungen zu erhalten, trotz tieferer Frequenzen. Aber auch bei ihnen sind die Billettverkäufe und die Einnahmen aus Eventfahrten eingebrochen. Letztere sanken bei der ZSG gegenüber 2019 um 80 %, und die Passagierzahl auf den ZSG-Linienschiffen um rund 60 %.

Angesichts dieser Misere konnten die SEV-Sektionen für 2021 kaum generelle Erhöhungen fordern, und solche blieben denn auch überall aus. «Zurückhaltung war angezeigt, weil keines der Schiffsunternehmen über unbeschränkte Mittel verfügt, auch wenn sie sehr unterschiedlich aufgestellt sind», kommentiert der für die Branche zuständige SEV-Gewerkschaftssekretär Michael Buletti. «Es ging auch darum, unsere Glaubwürdigkeit als Sozialpartner zu wahren.»

Nur individuelle Lohnerhöhungen

Bei der ZSG forderte der SEV vergeblich eine Prämie für die Flexibilität und das Engagement des Personals. Dafür dankte die Direktion den Mitarbeitenden in einer Mitteilung zum Lohnverhandlungsresultat vom November zwar ausdrücklich und schenkte ihnen weiteres Lob: «Wir sind froh, dass die Belegschaft bisher vom Virus verschont geblieben ist, und attestieren den Mitarbeitenden einen sehr disziplinierten Umgang mit den Schutz- und Hygienemassnahmen.» Doch eine Prämie sei leider nicht möglich, bedauerte die Direktion. Denn der Zürcher Verkehrsverbund (ZVV) gelte für 2020 nur die effektiven Kosten ab und verschärfe die Vorgaben für das Budget 2021 aufgrund der massiven Einnahmenausfälle, die er auch für 2021 erwarte. Als Beitrag zu deren Deckung löse die ZSG in der Jahresrechnung 2020 über 2,8 Mio. Franken Reserven auf.

An individuellen Lohnerhöhungen gewährte die ZSG wegen der «angespannten finanziellen Situation und der unklaren Geschäftsentwicklung» nur jene für Beförderungen aufgrund bestandener Prüfungen oder Funktionsänderungen, aber keine Erfahrungsstufenanstiege. Ihr GAV sieht diese Möglichkeit vor.

Generell setzen die Unternehmen mit GAV die individuellen Lohnerhöhungen gemäss GAV um, z. B. BLS-Schifffahrt, BSG, CGN oder LNM. «Die GAV bewähren sich in dieser Krise einmal mehr, weil Direktionen damit nicht einseitig sparen können, ohne mit uns zu verhandeln», betont Michael Buletti. Die SGV, die noch keinen GAV hat, gewährte individuelle Lohnerhöhungen teilweise.

Kurzarbeit rettet Stellen

Die ZSG-Direktion hielt zum Lohnabschluss weiter fest, dass sie «dank der Integration in den ZVV» die Löhne immer zu 100 % ausbezahlen konnte und keine Entlassungen aus wirtschaftlichen Gründen aussprechen musste. In der Tat hat sie damit zwei wichtige Personalforderungen erfüllt: Arbeitsplatzsicherung und Lohnerhalt.

Die Kurzarbeitsentschädigungen der öffentlichen Hand sind für den Stellenerhalt sehr wichtig und nicht überall selbstverständlich. So brauchte es viel politischen Druck auch vom SEV, damit für die URh Kurzarbeit bewilligt wurde. Letztlich war das URh-Personal 2020 während sechs Monaten in Kurzarbeit, aber nicht am Stück. Erfreulicherweise gab es keine Kündigungen, und mit den Saisonniers wurde eine einvernehmliche Lösung gesucht.

Auch die Schweizerische Bodensee-Schifffahrt (SBS) nutzte die Kurzarbeit im Frühling und ab Oktober. Seither sind die meisten SBS-Mitarbeitenden in Kurzarbeit. Im laufenden Monat können einige wieder in der Werft arbeiten. Entlassungen gab es offenbar nur im Gastrobereich.

Bei der SGV gab es Kurzarbeit im Frühjahr und im Herbst erst ab Dezember, als die Zeitsaldi abgebaut waren. Kündigungen gab es im Gastrobereich und beim Stations- und Verwaltungspersonal (SEV-Zeitung vom 19.11.2020). Einzelne der zwölf nautischen Saisonniers vom letzten Jahr haben noch keine Zusicherung zur Weiterbeschäftigung im 2021.

Abgesehen von der sehr speziellen kollektiven Entlassung aller Angestellten vom Lago Maggiore (siehe SEV-Zeitung vom 29. Januar) hat bisher kein Schiffsbetrieb festangestellte Nautiker entlassen. «Fertig ausgebildete Nautiker findet man nicht auf der Strasse», sagt Michael Buletti. «Und die Unternehmen wissen, dass sie wieder alle brauchen werden, sobald wieder Hochbetrieb herrscht, hoffentlich spätestens im Sommer.»

Wegen der unsicheren Pandemieentwicklung starten die Schiffsbetriebe erst Anfang April in die Saison 2021 und haben die Fahrpläne ausgedünnt. Vieles ist noch offen.

Keine Bundeshilfe ohne die Kantone

Bei der LNM z. B. ist noch unklar, wie viele Aushilfen sie dieses Jahr anstellt, da ihr Budget 2021 noch nicht feststeht. «Wir hoffen, dass Kantone und Gemeinden sich des Werts einer LNM oder BSG für den regionalen Tourismus bewusst sind und sie nicht im Stich lassen», sagt Michael Buletti. Kantonale Finanzhilfen sind die Voraussetzung dafür, dass die vom Bund beschlossenen Hilfen an touristische Betriebe fliessen.

Lohnsenkungen werden vom SEV natürlich bekämpft. In dieser Krise konnte er aber nicht bei allen Schiffsbetrieben erreichen, dass sie die Kurzarbeitsentschädigung von 80 % des Lohns plus Zulagen wenigstens teilweise aufstockten. Neben der ZSG zahlte auch die CGN stets den vollen Lohn. Die BLS bezahlte im ersten Monat 100 % mit Zulagen, im zweiten Monat 90 % mit Zulagen und seit dem dritten Monat 90 % ohne Zulagen. Die SGV bezahlte in den ersten drei Monaten 90 % plus anteilsmässige Zulagen, und auch die BSG zuerst mehr als das gesetzliche Minimum. Bei LNM, SBS, SNL (Luganersee & Lago Maggiore) und URh gab es nie mehr.

Michael Buletti präzisiert, dass die Lohnkürzungen individuell erfolgen abhängig davon, wie viele Stunden der Einzelne effektiv in Kurzarbeit ist. So sank für die Schiffsleute der BLS mit ihrem Einsatz für die Desinfektion von Zügen ihr Kurzarbeitsanteil. Das gilt auch für Nautiker, die in der Werft arbeiten konnten, z. B. bei der BSG. In grossen Unternehmen wie SGV oder CGN sind dies heute nur noch wenige.

Die Arbeit unter den Mitarbeitenden gerecht zu verteilen und die Bedürfnisse aller bei der Ferienplanung möglichst zu berücksichtigen ist nicht einfach. «Ein sozialpartnerschaftliches Vorgehen führt zu bestmöglichen Lösungen und deren Akzeptanz», ist Buletti überzeugt.

Markus Fischer

Kommentare

  • Stefan Waldispühl

    Stefan Waldispühl 19/02/2021 08:37:51

    Wenn die Maskenpflicht an Bord inklusive Aussenbereichen auch in dieser Saison erhalten bleibt, wird das der Todesstoss für die meisten Betriebe sein. Die Regierung hat es also in der Hand.