Lohnverhandlungen Zentralbahn
Lohnerhöhung für alle – ohne Bedingungen
Die Zentralbahn erwirtschaftete in den letzten Jahren gute Resultate mit Millionengewinnen, steigenden Pünktlichkeitswerten und steigendem Kostendeckungsgrad. Die Mitarbeitenden leisteten Sonderefforts, sind hoch motiviert und loyal. Dafür fordern sie von ihrem Arbeitgeber endlich eine angemessene Entschädigung.
Jeder Platz ist besetzt im Saal des Hotel Bahnhof in Giswil. Die Vorstände der SEV-Sektionen der Zentralbahn haben für diesen Mittwoch, 11. März, zur ausserordentlichen Generalversammlung eingeladen. Auf dem Traktandum stehen die ins Stocken geratenen Lohnverhandlungen 2019. Der grosse Andrang am heutigen Abend zeigt: Den Angestellten der Zentralbahn ist es ernst, sie wollen, dass in Sachen Lohnverhandlung endlich etwas geht.
Die Zentralbahn konnte in den letzten Jahren sehr gute Ergebnisse verbuchen: 2018 betrug der Gewinn rund 6 Mio. Franken, der Kostendeckungsgrad konnte auf 64 Prozent erhöht werden. Die Kundenzufriedenheit stieg signifikant und 97,9 Prozent der Reisenden erreichten ihr Ziel pünktlich. Das Bahnunternehmen mit 370 Mitarbeitenden darf sich somit das «zuverlässigste S-Bahn-System der Schweiz» nennen.
«Dieses super Ergebnis haben die Mitarbeitenden erreicht», betont Gewerkschaftssekretär Toni Feuz gegenüber den anwesenden SEV-Mitgliedern. «Die Zentralbahn ist nichts ohne die Leute, die jeden Tag für sie arbeiten, mit den Kunden in Kontakt sind und die Bahn voranbringen.» Das hoch motivierte Personal habe in den vergangenen Jahren Extraleistungen erbracht und zeige sich gegenüber dem Arbeitgeber stets flexibel und loyal. Die Zentralbahn ist jedoch nicht bereit, dies mit einer angemessenen generellen Lohnerhöhung wertzuschätzen.
Die Gewerkschaften und die Leitung der Zentralbahn trafen sich bereits zu zwei Verhandlungsrunden. Eine Einigung konnte dabei nicht erzielt werden.
Ungenügende Angebote der Zentralbahn
In die erste Verhandlungsrunde stieg die SEV-Verhandlungsdelegation mit der an der Mitgliederversammlung einstimmig beschlossenen Forderung einer generellen Lohnerhöhung über 1,5 Prozent – inklusive Verhandlungsspielraum: «Wir hätten auch bis zu 0,8% akzeptiert», räumt Andy Alig, Lokführer und Präsident des Dachverbands der vier SEV-Zentralbahnsektionen, ein. Das Angebot der Zentralbahn lag aber so tief darunter, dass die Verhandlungsdelegation dies unmöglich akzeptieren konnte. An einer zweiten Verhandlungsrunde machte die Zentralbahn zwei neue Angebote:
Die erste Variante enthält wiederum nur einen Bruchteil der geforderten Lohnerhöhung. «Zudem würden diese nicht mal die Hälfte der Mitarbeitenden erhalten, da die Zentralband nur eine Lohnerhöhung, aber keine Erhöhung der Lohnbänder anbietet», erklärt Andy Alig. Zudem hat die Zentralbahn das Angebot an eine Bedingung geknüpft: Bis die akkumulierte Teuerung 1 Prozent erreicht, sollen keine Lohnverhandlungen mehr stattfinden. Betrachtet man die Teuerung über die letzten Jahre, könnte das mehrere Jahre dauern.
Die zweite Variante würde immer noch nicht der geforderten Lohnerhöhung entsprechen, aber neben Teuerung noch eine zweite Bedingung erhalten: Die Sozialpartner würden den GAV, der noch bis Ende 2021 läuft, ohne Neuverhandlung bis Ende 2024 verlängern. Jedoch mit Ausnahme des Teils zum Arbeitszeitgesetz: Dieser müsste laut Zentralbahn «kostenneutral» an die neue Gesetzgebung angepasst werden. Was diese Bedingung bedeuten könnte, rechnet Andy Alig seinen Kollegen eindrücklich an seinem eigenen Beispiel vor: «Wenn die Auswärtspausen nicht mehr gerechnet werden, muss man in einem Jahr mehrere Tage Mehrzeit arbeiten. Und die zugesicherte Lohnerhöhung würde diese Mehrzeit niemals kompensieren.»
«Über diese Angebote konnten wir überhaupt nicht diskutieren, schliesslich befinden wir uns in einer Lohnverhandlung und nicht in einer GAV-Verhandlung», erklärt Toni Feuz. Und Andy Alig ärgert sich über die gestellten Bedingungen: «Wir fordern diese Lohnerhöhung für unsere guten Leistungen. Warum hier weitere Gegenleistungen von uns gefordert werden, ist mir nicht klar.»
Personal hält an Forderung fest
Darüber sind auch die Anwesenden im Saal sicht- und hörbar aufgebracht. Nach einer angeregten Diskussion mit vielen Wortmeldungen steht für die Teilnehmenden dieser ausserordentlichen Generalversammlung fest: Die Angebote der Zentralbahn werden nicht akzeptiert. Die Mitarbeitenden der Zentralbahn sind sich dabei einig, dass nach erfolgreichen Unternehmensjahren einzig eine angemessene, generelle Lohnerhöhung eine wertschätzende Haltung gegenüber der Belegschaft zeigt. Und zwar eine Lohnerhöhung für alle und ohne Bedingungen. Das ist nachhaltig und hilft zudem allen, den steigenden finanziellen Herausforderungen des Alltags, wie etwa Miete oder Krankenkasse, zu begegnen. Die Anwesenden sind sich klar, dass die aktuelle Corona-Krise eine Herausforderung für die Zentralbahn ist. Dennoch berufen sie sich darauf, dass mit der generellen Lohnerhöhung dem Unternehmenserfolg der vergangenen Jahre Rechnung getragen werden muss. Eine Petition mit mittlerweile rund 140 Unterschriften stützt diese Forderung.
Aufgrund der aktuellen Situation mit dem Coronavirus hat der SEV der Zentralbahn angeboten, die für den 25. März geplante dritte Verhandlungsrunde zu verschieben. «Die Zentralbahn hat das Angebot angenommen und einen neuen Termin in Aussicht gestellt», erklärt Toni Feuz den Stand zu Redaktionsschluss dieser Zeitung. «Wir definieren demnächst das weitere Vorgehen mit der Zentralbahn.»
Elisa Lanthaler