Der Katalysator: Stéphane Montangero, Personalvertreter im CGN-Verwaltungsrat
Vor zehn Jahren führte der hohe Dieselpreis beinahe zum «Grounding» der Genfersee-Schifffahrtsgesellschaft CGN, vor allem der Belle-Epoque-Flotte. In einem epischen Kampf erreichte das Personal mithilfe der Bevölkerung den Verbleib der CGN unter einem Dach und die Sanierung der Dampfer. Erkämpft wurde auch ein Sitz im Verwaltungsrat. Diesen hat seit März 2013 Stéphane Montangero inne. Eine Bilanz.
Nach einem langen, vierjährigen Kampf sprach am 16. Mai 2012 eine denkwürdige CGN-Aktionärsversammlung dem Personal einen Sitz im Verwaltungsrat der neuen Holding zu. Die Mitarbeitenden wählten 2013 Stéphane Montangero, der die Auseinandersetzung politisch begleitet hatte, als ihren Vertreter im Verwaltungsrat (VR). Dies war ein gewerkschaftlicher Erfolg, der auch heute noch Ausnahmecharakter hat.
SEV-Zeitung: Wie bist du mit dem SEV erstmals in Kontakt gekommen?
Stéphane Montangero: In den Jahren 2004 bis 2006 war ich Assistent der sozialdemokratischen Parlamentsmitglieder Marlyse Dormond und Michel Béguelin (ehemaliger Redaktor und Vizepräsident SEV). Danach hatte ich Kontakte zu Gewerkschaftssekretär Olivier Barraud, der damals die SEV-Sektion Lac Léman betreute. Zusammen begleiteten wir in den Jahren 2009 bis 2012 die ganze Restrukturierung der CGN.
Wie bist du CGN-Verwaltungsrat geworden?
Als wir den VR-Sitz für das Personal erreicht hatten, dachte ich ernsthaft, nun sei mein Job getan. Doch dann erhielt ich einen Telefonanruf: «Die Jungs wollen dich als Vertreter!» Diese Aufgabe habe ich mit grosser Freude übernommen.
Wie siehst du diese Aufgabe?
Ich leiste Vermittlungsdienste sowie Lobby- und Überzeugungsarbeit, was sehr spannend ist. Das Amt bringt auch Pflichten mit sich wie das Amtsgeheimnis: Man darf nicht alles sagen, was man im VR hört. Andererseits bat ich die Sektion, bei den Vorstandssitzungen als permanenter Gast dabei sein zu dürfen, um einen direkten Draht zu den Mitarbeitenden zu haben. An GAV-Versammlungen nehme ich nicht teil.
Deine Präsenz im VR ist also nützlich?
Sicher, davon bin ich überzeugt. Allein die Tatsache, im selben Raum zu sein, bringt Geschäfte vorwärts, ohne dass man grosse Reden halten muss. Ich bin hauptsächlich ein Katalysator. Meine Rolle besteht auch darin, Dinge zu erklären. Nur schon weil ich VR-Mitglied bin, können die Direktionsmitglieder nicht irgendetwas behaupten. Sie wissen, dass ich im Bild bin und nichts Unerhörtes durchgehen lassen würde.
Den Kontakt zur Basis zu halten ist aber auch mit einigem Aufwand verbunden…
An allen Versammlungen bitte ich die Kolleginnen und Kollegen, mir alles, was sie beschäftigt, mitzuteilen. Das funktioniert gut. So werden mir systembedingte Probleme bewusst, und ich kann Interventionen besser begründen. Natürlich kümmert sich der VR um strategische Belange, aber manchmal interessiert ihn eben auch das Operationelle, wenn dieses nicht funktioniert. Mein Wissen um die Dinge, die ich an den Sektionsversammlungen und Vorstandssitzungen mitbekomme, erlaubt mir oft, entscheidende Fragen zu stellen, und ist sehr nützlich.
Kannst du ein Beispiel für Informationen geben, die du im VR eingebracht hast?
Der Personalunterbestand. Bei der Personalplanung muss man Entwicklungen wie z.B. den Ausbau des Angebots durch die Anschaffung eines mittelgrossen, raschen Schiffes im Voraus berücksichtigen. Indem wir ständig darauf hingewiesen haben, haben wir erreicht, dass die Bedürfnisse des Personals besser vorausgesehen und eingeplant werden. Man findet Schiffsbesatzungen nicht einfach auf der Strasse. Das höchste Gut des Unternehmens sind – natürlich neben seinen Schaufelraddampfern – seine Mitarbeitenden. Diese Idee haben wir im Unternehmen inzwischen verankern können, zweifellos auch deshalb, weil im VR ein Personalvertreter am Tisch sitzt und man ihn nicht ignorieren kann. Das Wort der Angestellten, die zu 95% gewerkschaftlich organisiert sind, wird gehört, respektiert und hat im VR durchaus Gewicht.
Warum dieser Respekt?
Er ist vor allem der Stärke des SEV im Unternehmen zu verdanken. Er ist gut organisiert, dynamisch, leistet viel und die Qualität seiner Arbeit ist anerkannt, insbesondere von der Direktion. Das ist der erste Trumpf. An den Vorstandssitzungen nimmt ein Unternehmenssprecher teil und fungiert wenn nötig als Verbindungsmann. Dass ich als Personalvertreter anerkannt bin, zeigt sich auch darin, dass ich vier Kommissionen angehöre, darunter die Finanzkommission.
Bist du im VR gut akzeptiert?
Zu Beginn spürte ich Misstrauen. Doch mit meinem Engagement im Projekt CGN+ zur Unternehmenskultur haben alle gemerkt, dass ich kein falsches Spiel spiele, und haben mich mit andern Augen gesehen. So habe ich allmählich meine Rolle gefunden und meinen Handlungsspielraum kennen gelernt. Man muss arbeiten, um Legitimität zu erlangen. Mit der Zeit merkte ich auch, wie ich Vorschläge einbringen kann.
Hast du seit 2013 auch Schlachten verloren?
Was die Personalinteressen betrifft, habe ich nicht den Eindruck, dass ich allzu viel verpatzt habe (lacht). Oder dann kam ich an der folgenden Sitzung auf andere Weise darauf zurück.
Worauf bist du besonders stolz?
Darauf, dass mir das Personal vor ein paar Wochen erneut sein Vertrauen geschenkt hat. Sechs Jahre nach Amtsantritt wiedergewählt zu werden, und einstimmig, und die Unterstützung des Personals im Rücken zu haben, ist für mich sehr wichtig in diesem Job. Man muss sich dabei getragen fühlen. Das habe ich bisher gefühlt. Stolz bin ich auch auf die Entwicklung des Personalbestandes und der Pensionskasse sowie auf die Arbeit an der Unternehmenskultur.
Yves Sancey/Übersetzung: Markus Fischer
Zur Person
Stéphane Montangero, geb. 1971, ist ein Bonvivant und war/ist in vielen Organisationen aktiv: Rotes Kreuz Waadt, WWF, Schweiz. Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände, Fondation Mère Sofia (für die Ärmsten in Lausanne), BD-Festival International von Lausanne, Public Eye, VCS… Er hat ein Masterdiplom in öffentlicher Verwaltung und ist beruflich seit 2009 Generalsekretär des Vereins Fourchette verte Schweiz zur Förderung eines bewussten Ernährungsverhaltens. Dem monatlich tagenden VR der CGN SA gehört er seit 2013 an.
Politisch engagierte er sich kurz im Lausanner Stadtparlament und in dessen Finanzkommission, bevor er 2007 ins Waadtländer Kantonsparlament gewählt wurde. Dessen Finanzkommission gehört er seit 2012 an. 2012 bis 2018 war er Mitglied der Leitung der SP Schweiz. 2014 bis 2018 präsidierte er die SP Waadt. Diesen Herbst kandidiert er auf der Liste der Waadtländer SP für den Nationalrat.