Güterverkehr: Bähnler und Camionneure kämpfen gemeinsam für bessere Rahmenbedingungen
Handshake der Schweizer Transporteure
Die SBB und der Nutzfahrzeugverband Astag fordern gemeinsam den Ausbau der Transportinfrastruktur sowie die Durchsetzung von Sozialstandards und Kabotageverbot.
Auf dem Containerterminal des Güterbahnhofs Wolf in Basel unterschrieben die Spitzen von SBB Cargo und Astag ein Positionspapier mit dem Titel «Ko-Modalität statt Konkurrenz – für einen zukunftsfähigen Güterverkehr in der Schweiz». SBB-CEO Andreas Meyer und Astag-Präsident Adrian Amstutz wollen enger zusammenarbeiten, um die steigenden Qualitätsansprüche der Kundschaft zu erfüllen. Bahn und Strasse sollten nicht nur ihre «Hausaufgaben» machen, sondern sich auch gemeinsam für bessere Rahmenbedingungen einsetzen, sagten die Chefs von Bahn und Camionneuren.
Als Hausaufgabe erwähnten Andreas Meyer und Nicolas Perrin, Chef von SBB Cargo, etwa die Nutzung moderner Technologien für Echtzeit-Informationen zu laufenden Transporten oder den im Dezember eingeführten Taktfahrplan für Güter mit einer häufigeren Bedienung wichtiger Standorte. Die Effizienzsteigerungen in der Produktion hätten SBB Cargo letztes Jahr «trotz schwierigem Umfeld eine schwarze 1» gebracht, also eine Million Franken Gewinn, nach 22 Mio. Verlust im Vorjahr. Weil die SBB die Feinverteilung der Güter nicht gleich wirtschaftlich machen könne wie der Strassenverkehr, fördere sie den kombinierten Verkehr, so Meyer weiter. Da-rum plane sie den Container-Terminal in Basel Nord. Dieser bringe die nötigen Umschlagskapazitäten, um das Güterverkehrswachstum zu bewältigen.
Infrastrukturausbau nötig
Bis 2040 erwarte das Bundesamt für Raumentwicklung in der Schweiz gegenüber 2010 40% mehr Tonnenkilometer auf der Schiene und 33% mehr auf der Strasse. «Die paar Stumpengleise hier können nicht die Zukunft des kombinierten Verkehrs sein», sagte Meyer auf dem Containerterminal Wolf, der mittelfristig der Stadtentwicklung Platz machen soll.
«Die Zusammenarbeit von Strasse und Schiene klappt immer besser», lobte Amstutz. «Es gibt genug Arbeit für beide, wir müssen uns nicht gegenseitig kaputt machen, sondern gemeinsam dafür sorgen, dass die Infrastrukturprobleme von Strasse und Schiene gelöst werden.» Beide Seiten müssten die Ideologie und das «Säulendenken» ablegen.
«Die Transporteure haben ihre Hausaufgaben gemacht», fuhr Amstutz fort. Sie hätten nämlich ihre Fahrzeugflotten laufend erneuert und damit umweltfreundlicher und sicherer gemacht, die Leerfahrten reduziert und die betriebliche Effizienz auch sonst gesteigert. «Doch die vielen Staustunden auf dem Schweizer Strassennetz fressen die Effizienzgewinne wieder auf», klagte Amstutz. Und forderte die rasche Beseitigung der Kapazitätsengpässe, vor allem den durchgehenden dreispurigen Ausbau der A1 zwischen Lausanne und Winterthur. Dringend nötig seien auch mehr Ausstellplätze für Lkw entlang der Nationalstrassen und in den Agglomerationen.
Meyer seinerseits forderte neben dem Ausbau der Terminalkapazitäten auch die Beseitigung der Engpässe im Schienennetz, prioritär am Jurasüdfuss und zwischen Zürich und Winterthur. Zudem setzt er sich dafür ein, dass der Güterverkehr genügend, bessere und preislich faire Trassen erhält.
«Geltende Sozialstandards» gemeinsam durchsetzen
Beide Seiten betonten, dass das Lohn- und Sozialdumping auf Strasse und Schiene stärker bekämpft werden muss, um den Schweizer Transportunternehmen das Überleben und ihrem Personal ein anständiges Auskommen zu sichern. Konkret fordern SBB und Astag bessere Kontrollen.
«Ausländische Transporteure zahlen ihren Chauffeuren Hungerlöhne von 500 Euro und halten Vorschriften zur Arbeitszeit usw. nicht ein», hielt Amstutz fest. «Polizei, Grenzwache und Zoll kontrollieren zu wenig und schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu: das ist organisierte Unverantwortlichkeit!» Das Positionspapier hält u.a. fest: «Astag und SBB Cargo sprechen sich klar für die Einhaltung branchenüblicher Löhne in der Schweiz aus.»
Kabotage verhindern
Weiter fordert das Papier die Bildung einer «zentralen Anlauf- und Koordinationsstelle für Kabotagefragen und -meldungen auf Bundesebene». Das Verbot der Kabotage – also des Gütertransports zwischen Orten in der Schweiz durch ausländische Transporteure – sei durchzusetzen, betonte Astag-Vizepräsident Josef Jäger. Denn ausländische Lkw würden auf dem Heimweg immer häufiger mit solchen Aufträgen zum Billigtarif ausgelastet.
Markus Fischer
Kommentar: Rahmen- und Arbeitsbedingungen verbessern
Endlich geht der Güterverkehr in die Offensive: Ob auf der Strasse oder der Schiene, um in Zukunft den Güterverkehr in und durch unser Land stemmen zu können, braucht es Rahmenbedingungen. Nach wie vor genügen die Schienenkapazitäten nicht, und die Produkte müssen verbessert werden. Verfügbarkeit und Pünktlichkeit sind kundenrelevante Eckwerte. Doch auch beim Preis muss nachgeholfen werden, damit es im Interesse von Umwelt und Strassenbenützer/innen gelingt, mehr Verkehr von der Strasse auf die Bahn zu verlagern. Deshalb muss der «Fluch der Eigenwirtschaftlichkeit» über SBB Cargo endlich gebrochen werden. Und richtigerweise sind soziale Standards durch- zusetzen und die Arbeitsbedingungen auf der Strasse anzuheben.
So begrüssenswert es ist, dass die Strassen- und Bahnvertreter dem Lohn- und Sozialdumping den Kampf ansagen, bleibt doch eine Frage: Weshalb wurden die Sozialpartner für dieses gemeinsame Anliegen nicht an den Tisch gebeten? Ist es etwa möglich, dass die Arbeitgeber diese sozialen Standards lieber alleine, nach eigenem Gusto, definieren? Da hat vielleicht jemand das Schweizer Modell des «sozialen Friedens noch nicht ganz begriffen. Gerne rufen wir dieses in Erinnerung – mit diesen Zeilen und wenn nötig auch mit den üblichen gewerkschaftlichen Instrumenten, wenn diese besser verstanden werden.
Philipp Hadorn, Gewerkschaftssekretär, Leiter SEV-Team Cargo und Nationalrat SP/SO
Kommentare
Johann Riedwyl 20/04/2017 10:19:50
Leider wird den Arbeitern, den Gewerkschaften und allen irgendwie Abhängigen auch in der Schweiz keinen anderen Weg mehr offen stehen. Den die klar geäusserten Geschäfts-Grundlagen aller CEOs lautet nach wie vor: "...keine Presse, keine Gewerkschaft und wir wollen Geld verdienen." Weit und breit nichts von sozialem Frieden und schon gar nicht irgendwelcher sozialen Verantwortung. Das war einmal.