Bundesverwaltungsgericht rügt SBB wegen «Schnüffelei» in Officine

Illegal und unverhältnismässig

Es war am 7. Mai 2014, als das Personal der «Officine», der SBB-Werkstätte in Bellinzona, die bittere Erfahrung machte, sich von privaten Sicherheitsleuten an den Ausgängen des Geländes durchsuchen lassen zu müssen.

Diese entwürdigende Aktion hat viel Staub aufgewirbelt. Sie wurde ohne jede Diskretion durchgeführt, und da die Officine praktisch mitten in der Stadt stehen, wurde die Sache sofort von den Medien aufgegriffen, was zu allen erdenklichen Diskussionen und Spekulationen führte. Für die Vertreter des Personals war es sogleich klar, dass die Massnahme ohne Rechtsgrundlage erfolgte und unverhältnismässig war, aber jeder Versuch eines Gesprächs scheiterte aufgrund der Sturheit der Divisionsverantwortlichen. So vor ein fait accompli gestellt, wandten sich die Vertreter der Personalkommission und der drei in den Officine aktiven Gewerkschaften – also von SEV, Unia und Transfair – an einen Anwalt, der in einem ersten Schritt von der Division Personenverkehr der SBB verlangte, die Durchsuchung als rechtswidrig anzuerkennen.

Die SBB antwortete allerdings nur ausweichend, die Durchsuchung habe nur den Zweck der Vorbeugung und der Sensibilisierung des Personals gehabt, ausserdem habe die Aktion nicht auf einzelne Personen gezielt.

Gang vor Gericht

Die SBB antwortete ausweichend, vermochte aber das Personal und seine Vertretung nicht davon abzubringen, ans Bundesverwaltungsgericht (BVGer) zu gelangen, um dort die Entscheidung der SBB widerrufen zu lassen und den widerrechtlichen Charakter der Durchsuchung festzustellen, nachdem dies die SBB selbst versäumt hatte. Immerhin hatte die Schnüffelei ohne Rechtsgrundlage und unter Verletzung der Persönlichkeit der Angestellten stattgefunden sowie gegen das Verhältnismässigkeitsprinzip verstossen.

Durchschlagender Erfolg

Am 15. Juli hat nun das BVGer, nachdem es die Argumente beider Parteien vertieft geprüft hat, für die Rekurrenten, also für das Personal, entschieden. Laut BVGer ist die Aktion tatsächlich unrechtmässig, da «die SBB ihre Kontrolle nicht wegen wiederholter Diebstähle von Werkzeugen und Betriebsmaterial durchgeführt» hat, «sondern einzig zum Zweck, die Belegschaft hiergegen sensibilisieren zu wollen».

Auch wenn das BVGer die Notwendigkeit einsieht, dass es nötig sein kann, das Personal für das Problem der Materialentwendungen zu sensibilisieren, so weist es doch darauf hin, dass die SBB auch «eine effiziente Sensibilisierung durch weniger einschneidende Massnahmen hätte erreichen können. Beispielsweise mit einer Informationsveranstaltung, mit einem Informationsschreiben oder mit innerbetrieblich angebrachten Plakaten. Die systematische Kontrolle der gesamten Belegschaft durch eine externe Sicherheitsfirma erscheint daher unverhältnismässig.» Deshalb ist es laut BVGer auch unerheblich, ob sich die Kontrolle aufs Handgepäck beschränkt hat, wie es die SBB behauptete, oder ob auch die Personen selbst kontrolliert wurden, wie es die Rekurrenten unter Angabe von Zeugen sagten.

Auch eine formale Rüge

Das BVGer hat nicht nur den Begehren des Rekurses stattgegeben, sondern auch das rechtliche Vorgehen der SBB gerügt. Die SBB habe sich der von den Rekurrenten verlangten formalen Entscheidung (ähnlich einer «Verfügung») verweigert und lediglich mit einem Schreiben geantwortet, in dem sie ihre Position bekräftigt habe, statt diesem Schreiben einen offiziellen rechtlichen Charakter zu geben, sodass dagegen rechtliche Schritte hätten ergriffen werden können. Das BVGer klärt nun diesen Rechtscharakter und hebt gleichzeitig den formalen Mangel hervor.

Gegen das Urteil kann noch rekurriert werden. Die SBB hat noch nicht reagiert, doch will sie es laut einer Äusserung des Pressesprechers im Radio der deutschen Schweiz offenbar akzep- tieren.

Pietro Gianolli/pan.

Kommentare

  • René Darioly

    René Darioly 12/09/2016 06:21:01

    Il est consternant de voir qu'à la tête des CFF il n'y a plus des hommes mais des managers imbus de leur personne puisque dans leurs livres de chevets on leur fait croire qu'ils sont les meilleurs et unique.