SEV-Leute im Bundeshaus: Berichte aus der Sommersession des Nationalrats

Der Strassenfonds NAF wird zur halben Milchkuh

Während das Volk der Milchkuh-Initiative eine deutliche Abfuhr erteilte, will der Nationalrat Autofahrende schonen: Mit einer halben Milchkuh soll der Volkswille ausgetrickst werden.

Zurecht versenkte das Volk an der Urne die Milchkuh-Initiative. Eine derartige Einnahmenerosion für den Bund hätte wichtige Aufgaben des Staates wie Bildung, öV, Infrastruktur und Entwicklungshilfe gefährdet. In den vergangenen Jahren sind im öV die Billettpreise satt gestiegen. Eine Gleichbehandlung der Autofahrer ergäbe eine massive Erhöhung des Benzinpreises. Wie bei Fabi versprochen, gilt es Hand zu bieten für die Schaffung eines Strassenfonds. Im Strassenraum bewegen sich aber nicht nur Autos; auch Fussgänger, Velofahrerinnen, Trams, Busse und gelegentlich auch Bahnen gehören dazu. Gerade die Finanzierung der Agglomerationsprogramme ist ein Eckpfeiler einer ausgewogenen Verkehrspolitik im Interesse aller Verkehrsteilnehmenden.

Weil das Parlament die Benzinpreiserhöhung gegenüber dem bundesrätlichen Vorschlag reduziert hat, sind die Strassenprojekte faktisch ungenügend finanziert. Der Nationalrat will nun schlicht den Bundesanteil der Erträge aus der Mineralölsteuer senken und hat mit anderen Massnahmen weitere Mittel in den Strassenfonds umgeleitet. Insgesamt resultiert ein Einnahmenausfall von rund 650 Millionen Franken für die Bundeskasse.

Entsprechend müssten in den kommenden Jahren, wo der Bundesrat mit dem «Stabilisierungsprogramm» bereits 800 bis 1000 Millionen pro Jahr einsparen will, in anderen Bereichen die Ausgaben gekürzt und Leistungen abgebaut werden.

Vorsätzliche Destabilisierung der Bundesfinanzen

Mit dem (De-)Stabilisierungsprogramm, der Unternehmenssteuerreform III und der Abschaffung der Stempelsteuer planen rechtsbürgerliche Kreise bereits einen Frontalangriff auf den Staat. Dazu soll nun auch noch eine halbe Milchkuh kommen. Dabei verkennt die Ratsmehrheit, dass der soziale Ausgleich mit effizienten staatlichen Leistungen und passen- den sozialen Massnahmen die Grundlage des sozialen Friedens ist.

Als Gewerkschaften wissen wir sehr wohl: Erwirtschaftete Güter müssen angemessen verteilt und investiert werden in einen leistungsstarken Staat. Bildung, Verkehr, Altersvorsorge und auch internationale Solidarität sind Grundlage für einen nachhaltigen Wohlstand. Es ist zu hoffen, dass der Ständerat dem NAF noch Zähne zieht, die als finanzielle Eigengoals gewertet werden müssten. Den Steilpass haben wir gegeben!

Philipp Hadorn, Gewerkschaftssekretär SEV, ist Nationalrat SP/SO seit 2011. Er ist Mitglied der Finanzkommission, der Verkehrskommission KVF und der Neat-Aufsichtsdelegation NAD; www.philipp-hadorn.ch

Service public, ein Kernanliegen von SEV und SP

Die Volksabstimmung über den Service public war unter uns Nationalrätinnen und Nationalräten ein zentrales Thema in der Sommersession. Unser Service public in der Schweiz ist eine Erfolgsgeschichte und hält dank dem grossen Einsatz des Personals unser Land zusammen. Die Stimmbevölkerung hat mit der deutlichen Ablehnung der Pro-Service-public-Initiative bestätigt, dass sie diesen vom SEV und der SP mitgestalteten Service public schätzt und sich nicht auf ein politisches Abenteuer einlassen will, welches das gute Angebot schwächen könnte und die Arbeitsplätze gefährdet. Unsere Arbeit geht weiter: Service public bedeutet, dass bei den Arbeitsbedingungen verbindliche, in einem GAV festgeschriebene Vorgaben gelten wie Löhne, Gleichstellung, Angebote für Menschen mit Behinderungen sowie ein gutes Angebot an Lehrlingsplätzen. Lohn- und Sozialdumping sind auszuschliessen, auch in ausgelagerten Unternehmenseinheiten.

AZG-Teilrevision unter Dach

Nach dem Nationalrat hat auch der Ständerat zu einem zeitgemässen Arbeitsrecht für das Personal des öffentlichen Verkehrs ja gesagt. Jetzt ist der Ball wieder bei der tripartiten Kommission, die die Verordnung und die Umsetzung für die Unternehmen ausarbeitet.

Mobilität 4.0

In der Fachkommission Verkehr und Kommunikation der SP Schweiz diskutierten wir unter dem Stichwort «Mobilität 4.0» aktuelle Entwicklungen und Innovationen im Verkehrsbereich. Digitalisierung und Vernetzung nehmen zu und haben grossen Einfluss auf die Mobilität und unser Mobilitätsverhalten. Uns interessiert, welchen Nutzen Innovationen im Verkehrsbereich – unabhängig davon, ob auf der Strasse oder auf der Schiene – für Mensch und Umwelt haben. Was bedeutet «Mobilität 4.0» für den Menschen und sein Lebens- und Arbeitsumfeld, für die Umwelt, für die Raumplanung, für Transport und Logistik und für die Gesellschaft als Ganzes? Das Ziel dieser Sitzung war, einen ersten Überblick darüber zue erhalten, welche Innovationen im Verkehrsbereich stattfinden.

Ausblick im Bahnbereich

Verschiedene Vorlagen stehen vor der Türe: Finanzierung und Substanzerhalt SBB 2017– 2020, Botschaft zur Finanzierung des regionalen Personenverkehrs 2018–2021 sowie zur Reform des regionalen Personenverkehrs. Die SP und der SEV werden sich für eine langfristig ausreichende Finanzierung des öV und für faire Löhne einsetzen.

Edith Graf-Litscher, Gewerkschaftssekretärin SEV und Nationalrätin SP/TG seit 2005. Sie ist Vizepräsidentin der Verkehrskommission KVF und Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission sowie des Büros des Nationalrats; www.edith-graf.ch