Welche Rechte und Pflichten haben SBB-Mitarbeitende, die von einer länger dauernden Krankheit oder länger dauernden Unfallfolgen betroffen sind?
Was bedeutet «Reintegrationsprozess»?
Wenn eine Krankheit oder die gesundheitlichen Folgen einer Krankheit länger dauern, beginnt der Reintegrationsprozess (GAV SBB Ziffer 154 ff., GAV SBB Cargo Ziffer 152 ff.).
Ist bei einer gesundheitlichen Beeinträchtigung nicht klar, ob, wann und wie die Arbeit wieder aufgenommen werden kann, besteht eine zweijährige Lohngarantie. Der Beginn der Anspruchsfrist wird spätestens drei Monate nach Eintreten der Problematik zusammen mit dem Reintegrationsplan mitgeteilt. Diese Lohngarantie steht anstelle einer Taggeldzahlung aus Unfall- oder Krankenversicherung und garantiert im ersten Jahr den vollen Grundlohn mit Zulagen. Bei Berufsunfall besteht dieser Anspruch auch im zweiten Jahr. Bei Krankheit wird im zweiten Jahr ein Lohnabzug von höchstens 10 % vorgenommen, wenn keine volle Arbeitstätigkeit möglich ist. Grundlage ist die zeitliche Präsenz am Arbeitsplatz und nicht die Leistungsfähigkeit.
Warum Reintegration?
Die Kündigung ist nie das Ziel des Reintegrationsplanes! Während der Anspruchsfrist besteht ein Kündigungsschutz aus Gesundheitsgründen. Ziel der Reintegrationsmassnahmen ist es immer, eine der Gesundheit angepasste Tätigkeit zu finden. Im besten Fall ist das eine uneingeschränkte Rückkehr in die ursprüngliche Tätigkeit. Möglich ist aber auch die Vermittlung einer anderen Stelle mit oder ohne Umschulung. Priorität hat dabei der SBBinterne Stellenmarkt, es kann aber auch eine externe Stelle sein. Sollte keine neue Arbeitsstelle vermittelt werden können, kann das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der zweijährigen Anspruchsfrist aufgelöst werden.
Was für Rechte habe ich?
Jede betroffene Person hat Anspruch darauf, während dieser zwei Jahre vom Gesundheitsmanagement aktiv unterstützt und begleitet zu werden. Dazu gehört – je nach Situation – auch die Unterstützung durch die IV oder die Suva. Betroffene haben Anspruch auf die Bezahlung des Lohnes, auch wenn keine Arbeitsleistung möglich ist. Kommt es trotzdem zu einer Auflösung, haben Betroffene Anspruch auf Austrittsleistungen, sei das eine Abgangsentschädigung oder Leistungen aus der Pensionskasse. Auch andere Leistungen sind bei einer externen Reintegration möglich und zu vereinbaren gemäss Ziffer 156 GAV SBB.
Welche Pflichten habe ich?
Betroffene haben alles zu unterlassen, was der Gesundheit schadet und alles zu tun, was die Genesung fördert. Das heisst, die Anweisungen der Ärzt/innen und Therapeut/ innen befolgen, wobei Operationen nur dann gemacht werden müssen, wenn es wirklich sinnvoll ist. Klar ist, dass Arztzeugnisse dem Arbeitgeber vorgelegt werden müssen. Weiter ist dem Reintegrationsplan zu folgen. Das heisst, es sind alle Massnahmen mitzumachen, welche mit dem Gesundheitsmanagement und allenfalls auch dem Personaldienst vereinbart wurden. Hier besteht natürlich ein Mitspracherecht. Das bedeutet auch, dass sich die Betroffenen auf zumutbare Stellen bewerben müssen. Was zumutbar ist, ist vor allem eine medizinische Frage und wird vom Medical Service festgelegt. Werden die Pflichten aus dem Reintegrationsplan verletzt, können arbeitsrechtliche Schritte folgen. Vorher braucht es aber ein Gespräch mit einer Abmahnung.
Die Reintegration ist eine schwierige, anspruchsvolle, aber auch spannende Zeit. Die Prozesse, gerade auch mit der Suva und der IV, sind komplex. Und wo der Mensch mit medizinischen Massnahmen zusammentrifft, können Spannungen und Probleme auftreten. Das Rechtsschutzteam beantwortet Fragen in diesem Zusammenhang oder begleitet betroffene Kolleginnen und Kollegen durch den Prozess. Eine wichtige Schlussbemerkung: Im Reintegrationsprozess ist vor allem Vorsicht geboten bezüglich eigenem Einreichen einer Kündigung und beim Unterschreiben einer Austrittsvereinbarung, damit man nicht den Anspruch auf Leistungen verliert.
Rechtsschutzteam SEV