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Von separaten Berufsvereinen zum SEV

Der Weg zur Einheit

Emil Düby, der erste SEV-Generalsekretär, starb nur 46-jährig am 26. Juli 1920, wenige Monate nach seiner Wahl. Deren Einstimmigkeit zeugte von der Dankbarkeit und dem Vertrauen, das ihm die Eisenbahner entgegenbrachten. Sie erinnerten sich bei Dübys Tod an den schwierigen Weg zur Einheit und an die Rolle, die er dabei spielte.

NOB-Streik am 12./13. März 1897 im Bahnhof Zürich.

Der «Eisenbahner» schrieb am 30. Juli 1920: «Düby hielt immer den Gedanken aufrecht, dass die heillose, schädigende Zersplitterung der Organisationsform der Eisenbahner der Schweiz ersetzt werden müsse durch eine allumfassende Verbindung. Das Glück war ihm beschieden, diese schöne Idee verwirklichen zu können. […] Freilich haben die Zeitverhältnisse das ihre dazu beigetragen, dass das Ziel rascher erreicht wurde, als mancher, als wohl er selbst dachte.» Wie kam der Einheitsverband zustande?

Erste Bahngewerkschaften

Bereits Jahrzehnte zuvor hatten sich einzelne Berufskategorien der Eisenbahner gewerkschaftlich organisiert. Schon ab 1876 gab es den Verein Schweiz. Lokomotivführer VSLF, der 1919 den SEV nicht mittrug – im Gegensatz zum Schweizerischen Lokomotivpersonalverband (SLPV), der damals das meiste Lokpersonal organisierte und 1889 als Verein schweiz. Lokomotivheizer entstanden war. Den Schweizerischen Zugpersonalverein (SZPV) gründeten Bremser, Kondukteure und Zugführer im Jahr 1885.

Zwei weitere, viel mehr Mitglieder umfassende Organisationen wiesen bereits früh die später auch für den SEV typische Aufteilung in Unterverbände auf: der 1889 gegründete Verein Schweizerischer Eisenbahn- und Dampfschiffangestellter (VSEA), der weitgehend aus dem Stations- und Verwaltungspersonal – inklusive besser bezahlten Beamten – bestand, sowie die Arbeiterunion Schweizerischer Transportanstalten (AUST) von 1895. Diese umfasste die Eisenbahnarbeiter und die in Depots und Werkstätten, im Streckenunterhalt, im Güterumschlag und in der Reinigung beschäftigten Kategorien. Die AUST misstraute dem VSEA lange, doch die beiden fanden 1919 mit dem SLPV und dem SZPV zum SEV zusammen.

Vom «Aarauer Tag» zum Streik bei der Nordostbahn (NOB)

Einheit entsteht auch im Kampf. Ab 1895 organisierten die Eisenbahnergewerkschaften die erste grosse Lohnbewegung. Ein erster Höhepunkt der Mobilisierung war am 16. Februar 1896 die Kundgebung von 12000 Eisenbahnern aus dem ganzen Land in Aarau. Anders als die meisten andern Privatbahnen weigerte sich die NOB grundsätzlich, mit den Gewerkschaften zu verhandeln. Deshalb streikten am 12. und 13. März 1897 bei der NOB rund 5400 Eisenbahner und legten einen grossen Teil des Schweizer Bahnnetzes lahm. Der erste grosse Bahnstreik auf dem europäischen Kontinent fand beim grössten Teil der Bevölkerung Verständnis. Unter bundesrätlicher Vermittlung kam es am zweiten Tag zu einer Einigung.

1. Weltkrieg und Generalstreik schweissen Bähnler zusammen

Die Kriegsjahre waren geprägt von einer rasanten Teuerung, welche die bestehenden sozialen Ungleichheiten verstärkte und den Lebensstandard der lohnabhängigen Bevölkerungsschichten verminderte. Davon betroffen waren auch die Eisenbahner. Deshalb schlossen sich die Eisenbahnergewerkschaften dem Oltener Aktionskomitee an, das die Führungsspitzen der grössten Gewerkschaften und der sozialdemokratischen Partei vereinigte. Die «SEV-Gründungsväter» Emil Düby, Harald Woker und Paul Perrin nahmen im Oltener Komitee Einsitz.

Dass während dem Generalstreik fast keine Züge mehr fuhren, war für seine Wirkung wichtig. Die Entwicklung hin zu einer einheitlicheren Organisation der Eisenbahner zeichnete sich nicht nur während der drei Generalstreiktage ab, sondern in einer allgemeineren Bewegung, die beschleunigend wirkte. Die Eisenbahner schlossen sich dem Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) an, obwohl es unter ihnen auch Widerstand dagegen gab. Das Prestige von Streikführer Emil Düby spielte auch eine Rolle.

Der Streik beseitigte die letzten Hindernisse auf dem Weg zur Fusion der Eisenbahnerverbände. Als auch beim VSEA die Führung und der überwiegende Teil der Mitglieder den Streik mittrugen, schwanden bei den schon dem SGB angeschlossenen Verbänden des Arbeiter-, Zug-, Rangier-, Wärter- und Lokomotivpersonals die Vorbehalte gegenüber dem VSEA.

Die «SEV-Väter», die 1918 dem Oltener Komitee angehörten, im Jahr 1919: 1) Emil Düby, 2) Harald Woker, 3) Paul Perrin. Das Bild zeigt noch fünf weitere Bähnler.

Yves Sancey / Übersetzung: Fi

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