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Lucie Waser

«Ich sehe noch Nachholbedarf»

Nach über zehn intensiven und abwechslungsreichen Jahren verlässt Gleichstellungsbeauftragte Lucie Waser den SEV. Zeit, um zurückzublicken auf alles Erreichte, auf schöne und schwierigere Momente.

Lucie, wie steht es um die Gleichstellung in der Schweiz?

Der aktuelle Gender Report des WEF zeigt, dass sich die Schweiz bezüglich Gleichstellung verbessert hat, vor allem aus ökonomischer Sicht. Beim genaueren Hinschauen sieht man allerdings nur minimale Verbesserungen. Zwar schliessen viele junge Frauen ihre Lehre oder das Studium sehr gut ab und bilden in gewissen Bildungsrichtungen die Mehrheit. Bei den sogenannten Mint-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) fehlen sie aber nach wie vor. Dort sehe ich Nachholbedarf. Und nach wie vor fallen Frauen aufgrund von Familiengründung aus der Arbeitswelt oder erhalten nicht die gleichen Karrierechancen, wie ihre männlichen Kollegen, trotz super Abschlüssen.

Trifft das auch auf die öV-Branche zu?

In den öV-Betrieben hat sich der Anteil Frauen in den letzten zehn Jahren vergrössert. Rund 20 Prozent unserer Mitglieder sind weiblich, da sind wir noch nicht am Ziel angelangt. Diese Anzahl deckt sich aber mit derjenigen in den Betrieben. Wo es keine Frauen hat, können wir auch keine SEV-Mitglieder gewinnen!

Du verlässt den SEV nach zehn Jahren. Was hast du erreicht?

Ich bin stolz darauf, dass die Frauenkommission vom Image einer «Kafi-Klatsch-Truppe» weggekommen ist hin zu einer respektablen Fachkommission. Ich werde meiner Nachfolge eine gut aufgestellte Kommission übergeben können, die breit abgestützt ist in den Sprachregionen, Generationen und Berufsgruppen. Ich musste lange dafür kämpfen, dass die Frauenkommission nicht ersatzlos aufgelöst wird, das ist heute nicht mehr der Fall. Die Kolleginnen der Kommission treffen sich heute viel öfter, führen Aktionstage durch und geniessen mehr Sichtbarkeit. Sie packen an und sind motiviert.

An was erinnerst du dich besonders gerne?

Mein Highlight war sicher der grosse und historische Frauenstreik am 14. Juni 2019. Das war unglaublich! Meine Kolleginnen und ich steckten enorm viel Arbeit in die Organisation dieses Grossanlasses, aber jede Minute hat sich gelohnt.

Hattest du auch schwierige Momente?

Grundsätzlich schwierig finde ich, dass die Gleichstellungsthematik nach wie vor einen etwas schweren Stand im SEV hat. Persönlich war es für mich nicht immer ganz einfach, dass Erwartungen an mich mit den Möglichkeiten, die ich hatte, auseinanderklafften; das löst auf allen Seiten Frust aus. Schwierig ist auch auszuhalten, dass es in der Frauenrechtspolitik nur in kleinen Schritten vorwärts geht, oder gar Rückschritte gibt.

Jetzt ziehst du weiter. Wohin führt dich deine Reise?

Ich gehe zurück in meine Heimat in meinen Erstberuf. Ich ziehe also wieder nach St. Gallen und übernehme als Klassenlehrerin eine 3. Klasse. Meine Jahre im SEV haben mir sehr gefallen, mich stark geprägt; dafür bin ich dankbar. Und auch für die unterstützende Teamarbeit. Jetzt freue ich mich aber sehr darauf, wieder nach Hause zu gehen, zu meinem privaten Netzwerk. Und natürlich bin ich auch voller Vorfreude auf meine neue berufliche Herausforderung. Mich treibt die Lust auf etwas Neues an, bevor es dann in kleinen Schritten langsam Richtung Pensionierung geht.

Ich werde dem SEV und meinen Kolleginnen und Kollegen aus den letzten zehn Jahren wohl nach wie vor verbunden bleiben, denn ich bleibe ja Mitglied im SEV AS-Ost. Ein Plan von mir ist, mit den Schülerinnen und Schülern die Welt der Eisenbahn durchzunehmen. Schön wäre es natürlich, wenn ich dazu dann ein paar Ostschweizer SEV-Kontakte aktivieren dürfte, um den Kindern einen vertieften Einblick zu verschaffen.

Der SEV wünscht dir alles Gute auf deinem weiteren Weg.

Chantal Fischer

Bildungstagung der SEV-Frauen

Die diesjährige Bildungstagung der SEV-Frauen findet am Freitag, 15. November statt und widmet sich dem Thema der Rentensituation von Frauen. Die Tagung wartet mit einem Impulsreferat von Gabriela Medici, SGB-Expertin für Sozialversicherungen, auf. Es sind noch wenige Plätze frei: Bildungstagung für Frauen