Smood
Kuriere kämpfen gegen Uberisierung
Die Kurier:innen des Essenslieferdienstes Smood führen ihre Mobilisierung gegen die Ausbeutung auch nach über drei Monaten weiter. Das Arbeitsschiedsgericht in Genf unterstützt ihre Forderungen. Sie werden vom Anwalt Christian Dandrès vertreten.
Welches sind die Hauptforderungen der Streikenden bei der Smood SA?
Die Kurier:innen kämpfen vorab um ihre Würde. Sie verlangen, dass der Arbeitgeber ihnen eine ausreichende Zahl von Einsatzstunden garantiert. Sie wollen bei der Arbeitsplanung respektiert werden. Der Arbeitgeber soll ihre Familienbedürfnisse berücksichtigen und einsehen, dass sie mehrere Anstellungen nebeneinander brauchen. Das ist bei diesen Löhnen notwendig. Aber seit September geht Smood bei der Einsatzplanung nicht mehr auf die Wünsche der Kurier:innen ein. Die verfügbaren Einsatzstunden werden über eine App den mehreren hundert Kurier:innen «zum Frass hingeworfen». Wer als erste:r klickt, erhält den Einsatz und den Lohn. Das führt dazu, dass die Kuriere und Kurierinnen den ganzen Tag auf der Lauer liegen, auch bis tief in die Nacht hinein. Zum Zeitpunkt, als die Mobilisierung begann, wurden die verfügbaren Einsatzstunden mitten in der Nacht aufgeschaltet, offensichtlich mit dem Ziel, dass der Arbeitgeber Stromkosten für seine Webserver einsparen konnte. Die Kurier:innen verlangen zudem, dass Smood die Zusammenarbeit mit dem Arbeitsvermittler Simple pay aufgibt und diese Aufgaben selbst übernimmt. Für Smood ergeben sich aus dieser Zusammenarbeit in mehreren Kantonen Einsparungen, da sie nicht alle verfügbaren Stunden zahlen muss. Ebenso verlangen die bei Simple pay Beschäftigten, dass sie für die ganze Zeit bezahlt werden, die sie im Einsatz sind. Tatsächlich kommt es jedoch vor, dass sie stundenlang auf der Strasse oder im Fahrzeug sind und auf eine Bestellung warten.
Welche Rolle spielt Simple pay?
Simple pay scheint eine leere Hülle zu sein. Tatsächlich ist es Smood, die lenkt, organisiert und bezahlt. Smood ist eine Art Schaufenster, in dem sich ihre Verantwortlichen als Vorbild darstellen. Smood erklärt immer wieder, sie müsse gegenüber Uber abgegrenzt werden, dass sie ihr Personal bezahle. Hinter dieser Fassade wirkt jedoch Simple pay und liefert die nötigen Leute, damit Smood funktionieren kann. Smood erreicht auf diesem Weg für einen beträchtlichen Teil ihrer Kurier:innen Arbeitsbedingungen, die jenen von Uber sehr ähnlich sind, abgesehen von den Leistungen an die Sozialversicherungen.
Übermässige Flexibilität, Niedriglöhne: Führen die Kurier:innen von Smood einen Kampf gegen die Uberisierung?
Das Modell von «Smood» geht weiter als die Instrumente, die Arbeitgeber in der Schweiz üblicherweise anwenden, um die Flexibilisierung der Arbeitszeit zu erhöhen (etwa durch Jahresarbeitszeit). Smood verdreht das Kernelement des Arbeitsvertrags: Der Arbeitgeber will den Arbeitnehmer, die Arbeitnehmerin an sich binden und einseitig entscheiden, ob er ihm, ihr Arbeit und Lohn gibt oder nicht. Dieses System wird noch zugespitzt durch die Beschäftigung von vielen Teilzeiter:innen, vor allem in der Westschweiz.
Wo steht der Kampf zurzeit?
Nach mehreren Streikwochen kam es zu Verhandlungen vor dem Genfer Arbeitsschiedsgericht (CRCT). Leider sind sie gescheitert. Der Arbeitgeber verweigert jeden ernsthaften Fortschritt, lehnte auch den Kompromissvorschlag der Gewerkschaften ab. Das CRCT hat sich der Herausforderung gestellt. In umfangreichen Empfehlungen listet es auf, was es als Minimalbedingungen in der Schweiz erachtet. Diese Empfehlungen sind nicht verpflichtend, aber sie haben politisches Gewicht, da das CRCT aus Vertretungen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zusammengestellt ist.
Stoppen die Druckversuche des Arbeitgebers (Entlassungen, Reduktion der Einsatzstunden usw.) die Bewegung?
Der Arbeitgeber macht Druck an allen Fronten. Er verbreitet überall die Geschichte, Smood sei vor dem Abschluss eines GAV mit Syndicom gestanden, als Unia eingegriffen habe, um diesen zu verhindern, und die Mitarbeitenden manipuliert und zum Streik gedrängt habe, mit Hilfe einiger zweifelhafter Anführer, die Smood entlarvt und entlassen habe. Die grösste Bedrohung für die Bewegung ist, dass Smood zusätzliches Personal angestellt hat, um die Konkurrenz untereinander noch zu verschärfen. Sie kann dies gut tun mit Verträgen ohne Fixstunden, da sie nur die Stunden bezahlt, die sie bezieht.
Müssen sich die Beschäftigten aus herkömmlichen Branchen und dem Service public mit diesem Kampf solidarisieren?
Online-Plattformen wie Airbnb, Uber und weitere wurden vom Bundesrat und den Neoliberalen als Quellen des Profits und Instrument gegen Arbeitslosigkeit dargestellt. Die Arbeitskämpfe, die zeigen, was die Beschäftigten dort erleben, haben deshalb grosses politisches Gewicht. Diese Unternehmen stellen die Grundsätze des Arbeitnehmerschutzes fundamental in Frage, so das Prinzip, wonach Arbeitnehmer:innen Fähigkeiten und Zeit dem Arbeitgeber für Lohn zur Verfügung stellen. Die Plattformen öffnen Einfallstore, durch welche sich die übrigen Arbeitgeber hineindrängen. Diese Art Ausbeutung gibt es ja nicht nur bei den Kurierdiensten. Unternehmen in der privaten Pflege funktionieren heute schon ähnlich wie Smood. Die Solidarität aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist deshalb äusserst wichtig.
Yves Sancey / Übers. Peter Moor