Swiss: Massenentlassung ist inakzeptabel
Die Swiss will mit einem Abbauprogramm bis zu 780 Mitarbeitende entlassen. SEV-GATA, die Luftfahrtabteilung des SEV, die das Swiss-Bodenpersonal organisiert, fordert den Stopp dieser Massenentlassung.
Die Swiss will das gesetzliche Konsultationsverfahren bis Mitte Juni abschliessen. Darin will sie mit den Personalvertreter/innen nach Lösungen suchen, «um die Zahl allfälliger betriebsbedingter Kündigungen so niedrig wie möglich zu halten und einen beabsichtigten Abbau sozialverträglich zu gestalten. (...) Für alle Personalkörper – ausser für das Cockpitpersonal – bestehen bereits Sozialpläne.»
Für Philipp Hadorn, Präsident von SEV-GATA «müssen Bund und Politik jetzt gemeinsam mit uns Gewerkschaften diese Abbaumassnahmen verhindern, um nicht nur viele Mitarbeitende bei der Swiss vor der Arbeitslosigkeit zu bewahren, sondern auch etliche in vor- und nachgelagerten Branchen.» Seine Argumente:
SEV-Zeitung: Was sagst du zu den Abbauplänen des neuen Swiss-CEO?
Philipp Hadorn: Die Swiss muss weiter am bisherigen Kurs festhalten, ihre Strukturen möglichst beizubehalten, um bereit zu sein, wenn sich der Luftverkehr wieder normalisiert. Auch dank der Impfkampagne und digitaler Nachweise, dass die Passagiere «corona-clean» sind, stehen die Chancen gut, dass der Bundesrat bald einmal die Reisebeschränkungen lockern und stabilisieren kann, wie dies SEVGATA zusammen mit einer breiten Allianz fordert (siehe zweite Box). Wobei die Gesundheit für uns prioritär bleibt. Sicher ist, dass es gerade in der Schweiz einen Flugnachholbedarf gibt. Neben Familien, denen es wegen der Coronakrise dramatisch schlecht geht, gibt es auch solche, die ihr Ferienkässeli prall gefüllt haben, weil sie nicht mehr verreisen konnten und geplante Flüge hinausschieben mussten. Deshalb wurden auch Bezüge von Dienstaltersgeschenken aufgeschoben. Folglich sind die Perspektiven der Swiss mittelfristig nicht schlecht, sofern sie dann diese Chance packen kann und nicht anderen das Feld überlässt.
Was würde die Swiss mit einem Personalabbau riskieren?
Dass ihr dann Fachpersonal fehlt wie zum Beispiel Flugzeugmechaniker, die sechs Jahre Ausbildung benötigen, bis sie die nötigen Lizenzen haben. Wenn die Swiss jetzt Personal in die Wüste schickt, werden ihr beim Wiederaufschwung Fachkräfte und Knowhow fehlen. Das wäre dann ein Marktnachteil. Darum müsste auch die Schweizerische Luftfahrtstiftung, die über die Einhaltung der standortpolitischen und operativen Auflagen der Bundesbürgschaft an die Swiss zu wachen hat, vor einem solchen Abbau warnen. Aus gewerkschaftlicher Sicht steht jedoch der Joberhalt für die Mitarbeitenden im Vordergrund. Ihre Arbeit ist zum Teil so spezialisiert, dass es für sie nicht so einfach wäre, auf dem aktuellen Arbeitsmarkt rasch etwas zu finden. Darum hat die Swiss für sie auch eine soziale Verantwortung.
Aber ewig kann die Swiss ja nicht Defizite schreiben?
Nein, aber ihr Bankkredit ist ja noch nicht mal zur Hälfte aufgebraucht. Darum gibt es keinen dringenden Handlungsbedarf, erst recht nicht jetzt, wo das Ende des Tunnels allmählich in Sicht ist. Diese Defizite für den Strukturerhalt sind eine Investition in die Zukunft. Diese Strategie wurde auch vom Amtsvorgänger von Dieter Vranckx mitgetragen und war ganz klar eine Absicht der Bundesbürgschaft: Nicht nur, um die weltweite Luftanbindung der Schweiz weiter zu garantieren, sondern auch aus volkswirtschaftlichen Gründen, wegen all der Jobs, die von der nationalen Airline abhängen. Zudem ist es für den Staat ein Nullsummenspiel, ob er Arbeitslose unterstützen muss oder weiterhin Kurzarbeitsentschädigungen bezahlt, mit dem Vorteil des Strukturerhalts. Aber es wäre ein asoziales Verhalten der Swiss, wenn sie jetzt in einer KMU-Logik noch rasch Stellen abbauen wollte, solange dies noch über die Kurzarbeit möglich ist. Übrigens stehen die Chancen gut, dass die Kurzarbeit nochmals über den September hinaus verlängert wird, wie auch von SEV-GATA gefordert. Kurz: Die Swiss würde mit einem übereilten Abbau viel Goodwill verspielen, vor allem bei ihrem Personal. Stattdessen sollte sie besser den Bund ersuchen, die Bürgschaft wenn nötig teilweise in einen A-fonds-perdu-Beitrag umzuwandeln.
Markus Fischer
Entlassung von bis zu 780 Mitarbeitenden
Die Swiss begründete am 6. Mai die geplante Massenentlassung mit der anhaltenden weltweiten Corona-Pandemie, welche die Erholung der Luftfahrt weiterhin hinauszögert, sowie damit, dass sie mittelfristig mit einem strukturellen Rückgang der Gesamtnachfrage von 20 Prozent rechnen müsse, vor allem bei der Business Class. Darum will sich die Swiss mit dem Programm «reaCH» redimensionieren und transformieren und «nachhaltig» rund 500 Mio. Franken einsparen. Von 90 eigenen und geleasten Flugzeugen will sie 15 stilllegen. Die bisherigen Sparmassnahmen und der schon laufende Abbau von 1000 Vollzeitstellen (FTE) bis Ende 2021 durch natürliche Fluktuation und freiwillige Massnahmen (wie Pensenreduktionen und Frühpensionierungen) genügten nicht mehr.
Von betrieblichen Kündigungen seien «potenziell» bis zu 780 Mitarbeitende oder 650 FTE betroffen, davon rund 200 beim Bodenpersonal, 60 in der Technik, 400 beim Kabinenpersonal und 120 im Cockpit, schreibt die Swiss. Ein solcher Abbau von rund 1700 Vollzeitstellen würde einem Minus von über 20 Prozent gegenüber den 9500 Mitarbeitenden oder 7550 FTE vor Pandemiebeginn entsprechen.
Allianz «Back in the Air»
Am 15. April erhielt Bundespräsident Guy Parmelin von einer breiten Allianz von Unternehmen und Vereinigungen der Luftfahrt sowie Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen, darunter SEV-GATA und SGB, drei Kernforderungen überreicht, mit denen die Reisefreiheit wiederhergestellt werden soll:
• Zwischen Ländern mit ähnlichem Ansteckungsrisiko soll es keine Reisebeschränkungen mehr geben, stattdessen sollen Impfungen, Tests und Tracing für Sicherheit sorgen.
• Wer nachweislich geimpft, genesen oder negativ auf Covid 19 getestet ist (ein Antigentest soll ausreichen), soll frei aus- und einreisen und sich in der Schweiz bewegen können.
• Die Nachweise dafür sollen digitalisiert sowie international standardisiert und anerkannt werden.