Frust beim Personal der Zentralbahn
Statt mehr Lohn gibt es den «Corona-Bettel»
Die Mitarbeitenden der Zentralbahn haben mit ihrem enormen Einsatz auch im Geschäftsjahr 2019 einen Millionengewinn generiert. Trotzdem wollte die Leitung in den letzten Jahren weder einen Teuerungsausgleich noch eine generelle Lohnerhöhung gewähren. Und nicht nur das: Mit dem einseitigen Abbruch der Lohnverhandlungen entsagt die Zentralbahn dem Personal auch jede Möglichkeit, seine Forderungen und Wünsche überhaupt einzubringen.
Auch für 2019 weist der Geschäftsbericht der Zentralbahn einen Gewinn von über 5,8 Mio. Franken aus, fast so viel wie im Vorjahr. Im Namen des VR bedankt sich die Zentralbahn zwar bei allen Beteiligten, verschweigt jedoch die Höhe des ausgewiesenen Gewinns und ist nicht willens, das Personal am finanziellen Erfolg zu beteiligen. War die Geschäftsleitung schon in den vorgängigen Verhandlungsrunden und Vorjahren nicht besonders entgegenkommend, hat sie die für den 8. Mai geplante dritte Verhandlungsrunde kurzfristig abgesagt und die Verhandlungen komplett abgebrochen.
Die Zentralbahn zieht damit auch ihr Angebot einer an Bedingungen geknüpften generellen Lohnerhöhung zurück und beschränkt sich auf die bereits im GAV vereinbarten individuellen Lohnerhöhungen. Sie begründet das Aussetzen einer generellen Lohnerhöhung mit den zu erwartenden Defiziten aufgrund der Coronakrise. «Viele Mitarbeitende zeigen Verständnis, dass wegen des touristischen Einbruchs der Zeitpunkt für eine generelle Lohnerhöhung nicht unbedingt stimmig war», erzählt SEV-Gewerkschaftssekretär Toni Feuz. «Doch die Art und Weise, wie der Abbruch und die Kommunikation erfolgte, befremdete die Kolleg/innen.»
Noch Ende März – also schon mitten in der Coronavirus-Krise– hielt die Zentralbahn in ihrem «Blitz» an die Mitarbeitenden am erklärten Ziel eines gemeinsamen Abschlusses der Lohnverhandlungen mit den Gewerkschaften fest – offenbar ein leeres Versprechen. «Dass die Zentralbahn die Verhandlungen noch vor dem eigentlichen Termin absagte, zeigt, dass sie die direkte Konfrontation mit dem Personal scheut», erklärt Toni Feuz.
So hatte die Verhandlungsdelegation noch nicht einmal die Möglichkeit, die an der Mitgliederversammlung vom März beschlossenen Forderungen auf den Tisch zu bringen (die SEV-Zeitung berichtete). «Wir empfinden dies als komplettes Desinteresse an den Vorstellungen und Wünschen des Personals», so Toni Feuz. Damit praktiziere die Zentralbahn selbst nicht, was sie fordert: nämlich miteinander zu reden und Solidarität. «Der einseitige Abbruch ist weder solidarisch noch zeugt er von einer gesunden Gesprächskultur», betont der Gewerkschaftssekretär. So schreibt auch ein SEV-Mitglied: «Wir sind alle sehr enttäuscht über dieses respektlose Vorgehen und den Umgang mit unseren Bedürfnissen.» Via Mitarbeiter-Info-Flash bedauert CEO Michael Schürch zwar das abrupte Ende der Lohnverhandlungen und rechtfertigt die eingeschlagene Kommunikation, vergisst aber, dass die Verhandlungsdelegation so jeder Chance zu Gespräch und Verhandlung beraubt wurde. Mit Postkarten an den CEO will das Personal jetzt seine Enttäuschung zum Ausdruck bringen, dass den Angestellten statt einer Lohnerhöhung nun der «Corona-Bettel» vor die Füsse geworfen wird. Denn: «Grillplausch und Poolparty reichen nicht, um dem Personal Wertschätzung zu zeigen», heisst es auf der Rückseite der Karte.
Drei Forderungen des SEV
Dabei ist der SEV überzeugt, dass mit gutem Willen durchaus Möglichkeiten bestünden, die Mitarbeitenden am Unternehmenserfolg der letzten Jahre zu beteiligen. So erwirtschaftete die Zentralbahn von 2013 bis 2019 mit Ausnahme von 2016 jedes Jahr einen satten Gewinn von über 5 Mio. Franken. Der ausgewiesene Finanzertrag von rund 80 Mio. Franken im Geschäftsbericht 2019 weist darauf hin, dass auch die Zentralbahn mit ihren Anlagen von einem guten Börsenjahr profitierte und mit dem ausgewiesenen ausserordentlichen Erfolg von 25 Mio. Franken mehr als im Vorjahr eigentlich über genügend Mittel verfügt, um eine Anpassung des Lohnsystems nachhaltig zu finanzieren. «Im Gegensatz zu anderen Schmalspurbahnen, die neben generellen Lohnerhöhungen auch noch individuelle Vergütungen in Form von Prämien ausbezahlt haben, gehen die Mitarbeitenden der Zentralbahn trotz überaus erfolgreichen Geschäftsjahren leer aus», bedauert Toni Feuz. Damit dies nicht so bleibt, verlangt der SEV zumindest eine Gewinnbeteiligung in Form einer «Corona-Prämie»: «An der Generalversammlung vom 22. Juni hat die Zentralbahn traktandiert, erneut einen Vortrag von 8,2 Mio. Franken auf das neue Rechnungsjahr zu übertragen. Wir fordern, dass sie wenigstens hier ein Einsehen hat und mindestens den grossen Einsatz des Personals während der Corona-Pandemie mit einer grosszügigen Prämie honoriert», so Toni Feuz.
Zusätzlich stellt der SEV die Forderung nach dem Verzicht der Auszahlung von Boni und Zuwendungen an Geschäftsleitung und Kader: «Wenn die Mitarbeitenden schon um die Lohnerhöhung gebracht werden, ist es nur eine logische Folge, dass das Kader ebenfalls auf die entsprechenden Beträge verzichtet», erklärt Toni Feuz. Die Unternehmensleitung kann hier ein Zeichen setzen, das an der Basis wohlwollend aufgenommen würde und den bestehenden Graben nicht zusätzlich vertieft.
Elisa Lanthaler