800 Stellen und 170 Bedienpunkte im Visier: «Fitnessprogramm» ist eine gefährliche Abmagerungskur

SBB Cargo verlagert Güter auf die Strasse

SBB Cargo plant bei Personal und Wagenladungsverkehr den Kahlschlag. Dieser ist übereilt, strategisch falsch, stösst die Kunden vor den Kopf und verlagert Güter auf die Strasse – auf Kosten von Bevölkerung, Umwelt und Personal. Darum ist der SEV dagegen. Dass die SBB-Führung gleichzeitig den Kündigungsschutz im GAV angreift, ist sozial unsensibel und völlig inakzeptabel.

Der schlecht aufgegleiste «WLV17» ist nur dank grossem Engagement der Cargo-Mitarbeitenden in Fläche und Zentrale nicht völlig abgestürzt. Zum Dank sollen nun Hunderte ihre Stelle verlieren?

Der für Cargo zuständige SEV-Gewerkschaftssekretär Philipp Hadorn kritisiert den Abbau Hunderter Stellen in Fläche und Zentrale im Eiltempo als vermessen und schädlich: «Die letzten Reorganisationen sind noch nicht fertig umgesetzt und führen schon jetzt zu Personalengpässen und prekären Situationen. Die Verunsicherung der Mitarbeitenden ist enorm, viele arbeiten am Limit oder darüber. Zusammen mit den ungeheuerlichen Forderungen der SBB bei den GAV-Verhandlungen kann dieser weitere Angriff auf das Personal zu Massnahmen des Zornes und Kampfes führen! Mit den betroffenen Mitgliedersektionen werden wir unser weiteres Vorgehen besprechen.»

SBB-Spitze dramatisiert

Die SBB-Führung begründet den massiven Abbau von Stellen und Bedienpunkten mit dem Cargo-Defizit 2017 und dem «beschleunigten Rückgang» der Nachfrage beim Einzel-WLV im letzten Jahr. Doch sie verschweigt, dass sie diesen Rückgang selber mitverursacht hat, indem sie den Start des «WLV17» im Dezember 2016 dermassen schlecht plante, dass unzählige Pannen die Kunden vergraulten und ständige Notlösungen und Korrekturen nötig machten, was den Aufwand erhöhte, während der Umsatz sank. «Hätten nicht die Mitarbeitenden mit grossem Einsatz und hoher Flexibilität vieles zurechtgebogen, wären noch mehr Kunden abgesprungen», hält Philipp Hadorn fest. «Die Führungsfehler soll nun das Personal ausbaden. Zudem litt der WLV unter der mehrwöchigen Sperre der Rheintalstrecke bei Rastatt (D), einem weiteren Sonderereignis. Die Wertberichtigung von 189 Millionen ist auch eine spezielle Geschichte und wirft Fragen zur Transparenz der Rechnungsführung von SBB Cargo auf. Und die von Andreas Meyer an der Medienkonferenz effektvoll beklagte Milliarde an Cargo-Verlusten, die der SBB-Konzern 2003 bis 2012 decken musste, betraf ein ganzes Jahrzehnt, ist nicht neu und rechtfertigt auch nicht einen solchen Abbau. So wenig wie die geplante Teilprivatisierung, für die man sich offenbar schön machen will.»

Kurzsichtige Schrumpfung

«Auch die kleineren Bedienpunkte tragen in der Summe zur Auslastung des Gesamtsystems WLV bei. Darum haben die laufenden Schliessungen in den letzten Jahren zu einer Abwärtsspirale geführt», gibt Hadorn zu bedenken. «Kapazitätsabbau ist auch deshalb strategisch falsch, weil für den Güterverkehr in der Schweiz bis 2040 ein Wachstum von 45% prognostiziert wird. Und die Mittel der Digitalisierung werden den Einzel-WLV wieder konkurrenzfähiger machen.»

Verkehrspolitisch falsch

«Vor allem verlagert die SBB mit der geplanten Schliessung von Bedienpunkten Güterverkehr auf die Strasse und missachtet so den vom Stimmvolk mehrfach geäusserten Wunsch, Güter möglichst auf der Schiene zu transportieren. Deshalb erwartet der SEV von SBB Cargo, dass sie mit den Kunden, dem Eigner Bund und den lokalen Behörden Lösungen sucht, die solche Verkehrsverlagerungen auf die Strasse verhindern, wenn nötig in Abweichung vom Prinzip der Eigenwirtschaftlichkeit zugunsten von Bevölkerung und Umwelt!»

Monopolist SBB will vor allem Aufwand reduzieren

Laut SBB ist die Überprüfung der Bedienpunkte im Berner Oberland und Jura besonders dringend. Anzustreben seien regionale Zusammenlegungen wie in Cadenazzo, mit Kombiverkehr auf den letzten Kilometern. Man suche in der neuen «Interessengemeinschaft WLV» mit dem Verband der verladenden Industrie (VAP) und dem VöV gute Lösungen für die Kunden. Doch Frank Furrer, Generalsekretär des VAP, zeigt sich gegenüber kontakt.sev nicht begeistert: «Wie geht man damit um, wenn der Monopolanbieter sagt: Unter fünf Wagen im Tag findet bei uns kein WLV statt? Obwohl der Bund Kunden ab 720 Wagen im Jahr unterstützt – was pro Arbeitstag übrigens mehr als zwei sind.»

Widersprüchlicher Bund –und Hoffen auf die Kantone

Der Bund subventioniert also die Gleisanschlussbesitzer weiter, doch die SBB will sie nicht mehr bedienen, da sie ab 2019 vom Bund keine Subventionen mehr kriegt, wie Andreas Meyer vor den Medien betonte. Wo bleibt die Logik? Kantone können laut Gesetz zwar Güterverkehr bestellen, so wie Regionalverkehr. Doch bisher tut das nur der Kanton Graubünden.

Fi

SBB verweist auf Konkurrenz der Strasse, Defizit, Digitalisierung und Pensionierungen

SBB Cargo habe 2017 einen operativen Verlust von 37 Mio. Franken erlitten, trotz 8 Mio. Gewinn bei Cargo International, erklärte Andreas Meyer, SBB-CEO und Verwaltungsratspräsident von SBB Cargo, am 1. März vor den Medien. Denn bei Cargo Schweiz habe es einen Gewinn- und Mengeneinbruch gegeben: In Ganzzügen seien 4,1% weniger (beladene) Wagen befördert worden als 2016, im System-WLV (FahrplanZüge zwischen Regionen) 0,8% weniger und im Einzel-WLV 14,5% weniger. Letzterer sei – «entgegen den gemeinsamen Entwicklungsplänen mit den Kunden» – beschleunigt zurückgegangen. Dieser kleinteilige, unregelmässige Einzel-WLV sei wenig rentabel und gegenüber der Strasse immer weniger konkurrenzfähig. Darum wolle SBB Cargo bis 2023 von heute 344 Bedienpunkten jene 170 «überprüfen», wo im Schnitt nur zwei Wagen pro Tag zugestellt werden.Vor allem aber wolle man bis Ende 2020 wieder schwarze Zahlen schreiben, indem man 330 der heute 2200 Stellen bis Ende 2020 abbaut: 150 beim Rangier, 100 in der Verwaltung und 80 beim Lokpersonal. Das «Sanierungsprogramm» sei auch nötig, weil SBB Cargo zulasten des Ergebnisses 2017 eine Wertberichtigung von 189 Mio. macht – vor allem bei Fahrzeugen (141 Mio.) und Software (48 Mio.).Digitalisierung in Phase 2

2021 bis 2023 sollen weitere 470 Stellen verschwinden, vor allem dank Digitalisierungsprojekten (z.B. automatische Bremsprobe mit Kameras und Sensoren, automatische Kupplung, Informationssysteme). SBB Cargo investiere 90 Mio. in die Digitalisierung und 10 Mio. in die Weiterbildung des Personals sowie 20 Mio. in den Sozialplan. Der Abbau von 800 Stellen bis 2023 sei sozialverträglich möglich, denn 750 Stellen würden durch «natürliche Fluktuation», vor allem Pensionierungen, frei. Das Cargo-Personal sei im Durchschnitt 48-jährig. Die Digitalisierung mache die gefährliche, harte Arbeit im Rangier sicherer und attraktiver.

Motion

Alte Cargo-Führung will noch schnell Fakten schaffen

Philipp Hadorn bekämpft den Cargo-Abbau auch politisch als Nationalrat mit seinerMotion «SBB Cargo. Denkpause – keine Missachtung der Eigner-Auflagen durch SBB & SBB Cargo». 91 Nationalratskolleg/innen haben sie mitunterzeichnet. Die Motion beauftragt den Bundesrat, «sicherzustellen, dass SBB und SBB Cargo keinerlei strategische Weichenstellungen zur Zukunft von SBB Cargo vornehmen, bis der Verwaltungsrat von SBB Cargo unter der Leitung eines unabhängigen Präsidiums eine neue Strategie entwickelt hat, die der Unternehmung eine nachhaltige Weiterentwicklung sichert».

Kommentare

  • Demage Roger

    Demage Roger 15/03/2018 07:08:18

    Bonjour,
    CFF Cargo se plaint du manque de rentabilité du transport de marchandises.
    À qui la faute ? Avant que je parte en retraite, le 01.01.2012, la plupart des trains
    étaient tirés par deux locs, et surtout de bonne heure le matin, voire la nuit.
    Aujourd'hui, je suis effaré quand je vois passer un de ces trains, composé que
    de 3 ou 4 wagons, et ceci à toute heure de la journée . CFF Cargo voudrait se saborder
    qu'elle ne s'y prendrait pas autrement. Que font les dirigeants de la volonté populaire
    de transférer les marchandises de la route au rail ? Un tel mépris ainsi qu'une incapacité à diriger l'entreprise vont immanquablement mener CFF Cargo à sa perte.
    Avec mes cordiales salutations,
    Roger Demage

  • Markus Roner

    Markus Roner 26/10/2018 07:13:10

    Angesichts der dauernden Horrormeldungen bei den SBB, aber auch aller anderen Bahnunternehmungen, in Sachen Personalabbau, Outsourcing von Arbeiten, Verlagerungen von der Bahn auf für Straße, Stellenstreichungen, Schließung von Verladepunkten, Abbau von Zulagen, Verschlechterungen von Arbeitsbedingungen, Lohnsenkungen etc, scheint es mir an der Zeit, das der SEV einmal dem Personal seine Sicht der Dinge kundtut. Wie sehen die Werte aus für die sich der SEV einsetzt. zB eine Zusammenführung mit Verstaatlichung der Normalspur Bahnen, ein anzustrebender GAV aus Sicht des SEV für alle Sparten etc. Aus Sicht der Mitglieder möchte ich wissen wie eine ideale Eisenbahn aus sich des SEV aussieht. Kann ich mich mit den Zielen des Verbandes identifizieren. Es reicht meiner Ansicht nach nicht, wenn der SEV ständig publiziert was die Bahnen wieder an Abbau und Outsourcing Vorhaben und der SEV dann Feuerwehr spielt. Ohne Visionen wird nicht nur die SBB über kurz oder lange zusammenbrechen, sondern auch die Mitglieder des Vertrauen verlieren.