Cargo-Abbau: Jura lacht, Berner Jura weint
Aufschub im Kanton Jura, aber nicht im Berner Jura: SBB Cargo hat mit der jurassischen Regierung und den Jurabahnen (CJ) vereinbart, in allen drei jurassischen Bezirken Bedienpunkte beizubehalten, inklusive Meterspurlinie Glovelier–La Chaux-de-Fonds. Die bernjurassischen Bedienpunkte Tavannes, Tramelan und Les Reussilles jedoch werden geschlossen. Und 2020 werden die Bedienpunkte erneut überprüft…
Im April hatte SBB Cargo angekündigt, fast alle Bedienpunkte im Kanton Jura ausser Delémont zu schliessen. Nun haben Kanton, CJ und SBB Cargo am 17. Oktober nach einem halben Dutzend Verhandlungsrunden eine Vereinbarung unterzeichnet, die bis Ende 2020 die Erschliessung des Kantons durch den Schienengüterverkehr sichert. Dieser wird vor allem für den Holz- und Zuckerrübentransport genutzt. Zuvor schon hatte der Kanton Neuenburg den Erhalt des Bedienpunkts Le Locle Col-des-Roches erreicht (siehe SEV-Zeitung Nr. 14/2018), doch wird er nicht mehr täglich bedient, sondern nur noch auf Bestellung.
Mobilisierung gegen den Abbau
Die jurassische Regierung erklärte sich mit dem zweijährigen Moratorium «zufrieden». «Nachdem SBB Cargo den Verkehr im Jura fast ganz einstellen wollte, haben wir ein Angebot ausgehandelt, das genügt, um die davon abhängigen Wirtschaftszweige weiterzuführen», sagte Umweltminister David Eray von der christlichsozialen Partei PCSI gegenüber Radio RTS.
Möglich war dies nur dank der politischen Mobilisierung, die vom SEV, und Mitgliedern des Kantonsparlaments wie Vincent Hennin (PCSI) angestossen wurde und bei der Kantonsregierung Unterstützung fand. Zur Lösung beigetragen hat auch intensives Lobbying von Ständerat Claude Hêche (SP) in Bern. David Eray sprach von einem «kleinen Sieg für die jurassische Regierung. Nachdem sich der Bund 2015 bei der Klimakonferenz ‹COP21› in Paris verpflichtet hatte, den CO₂-Ausstoss zu reduzieren, hätte der Entscheid von SBB Cargo zu einer Verlagerung von der Schiene auf die Strasse geführt, was den eingegangenen Verpflichtungen zuwidergelaufen wäre.»
Kosten reduzieren
Mittelfristig soll der Güterverkehr vor allem über die Bedienpunkte Delémont, Glovelier und Alle (mit einer neuen Verladeplattform) laufen. Umsatzstärkster Bedienpunkt im Kanton ist Delémont, wo u.a. Alcosuisse tätig ist. In der Ajoie werden neben Alle auch Bure und Porrentruy im Rahmen von Kundenvereinbarungen weiterbedient. In den Freibergen führen die CJ den Güterverkehr weiter. Sie verpflichten sich in der Vereinbarung, Lösungen zur Senkung der Kosten zu finden, vor allem beim Übergang zwischen Meter- und Normalspur. «Als Unterakkordant von SBB Cargo haben wir damit eine grosse Verantwortung übernommen», erklärte CJ-Direktor Frédéric Bolliger gegenüber der Zeitung «ArcInfo». In der Vereinbarung ist auch von Automatisierung die Rede.
SEV-Gewerkschaftssekretär Jean- Pierre Etique reagierte auf die Vereinbarung «mit einem lachenden Auge für den Kanton Jura und einem weinenden Auge für den Berner Jura. Damit erhält der Schienengüterverkehr eine zweijährige Gnadenfrist. In dieser Zeit müssen die CJ die Kosten des Güterverkehrs senken und zeigen, dass dieses Angebot lebensfähig ist. Es ist zu befürchten, dass auf dem Rücken des Personals gespart wird und Stellen gestrichen werden.»
Der grosse Verlierer ist der Berner Jura, wo die Bedienpunkte Tramelan, Les Reussilles und vor allem Tavannes wegfallen. Der Transfer zwischen dem Meterspurnetz der CJ und dem Normalspurnetz soll auf jurassischer Seite nur noch in Glovelier erfolgen.
Keine Hilfe von der SVP
Die einzigen Politiker, die im Berner Jura zusammen mit Wirtschaftskreisen gegen die Streichung der Bedienpunkte, vor allem in Tavannes, kämpften, waren die Grossräte Hervé Gulloti (SP) und Moussia de Watteville (Grüne): Sie reichten eine Interpellation ein und schrieben Briefe. Seitens SVP setzten sich weder Nationalrat Manfred Bühler noch der bernische Regierungspräsident Christoph Neuhaus für die Bahn ein.
Jean-Pierre Etique rechnet mit vielen zusätzlichen Lastwagen im Berner Jura, weil die Bahn nun für Holztransporte nicht mehr interessant sein werde. Auch die Celtor-Deponie in Tavannes, wo u.a. Hauskehricht aus der Region entsorgt wird, werde künftig mit Lastwagen angefahren. «Das Vorgehen von SBB Cargo erinnert an jenes der Post bei den Poststellenschliessungen: Zuerst das Angebot unattraktiv machen und dann den Umsatzrückgang als Grund für die Schliessungen anführen…»
Yves Sancey / Fi