Eurobus
GAV ist dringend!
Für die einen ist der inländische Fernbusverkehr eher ein Spielzeug für gewinnsuchende Unternehmen, der SEV hingegen bleibt auf Kurs und fordert einen GAV für Personal mit bedenklichen Bedingungen.
Anfang November hat der SEV eine Aktion bei den Chauffeuren von Eurobus Swiss Express durchgeführt. «Wir haben mit Betroffenen gesprochen, deren Pausen dies nicht wirklich sind, da sie das Gepäck der wartenden Reisenden vor der Abfahrt einladen müssen, statt sich auszuruhen», erzählt SEV-Gewerkschaftssekretär Christian Fankhauser, der die Aktion mit fünf Kollegen und Aktivisten vorbereitet hat. «Wir konnten uns ein Bild machen über die Lohnsituation dieser Fahrer. Wir haben festgestellt, dass diese eher bescheiden ist und sich für einige noch verschlechtern könnte, wenn die Arbeitsorte verändert werden, da ihr Unternehmen das Angebot reduzieren will (siehe unten).» Um ihnen den bestmöglichen Schutz bieten zu können, will der SEV mit Eurobus einen GAV abschliessen. «Wir haben vor den Sommerferien die Direktion getroffen», hält Barbara Spalinger, Vizepräsidentin SEV, fest. «Aber zurzeit herrscht Funkstille von Seiten Eurobus. Ein GAV ist unabdingbar. Weder das Bundesamt für Verkehr noch wir kennen das Personalreglement von Eurobus Swiss Express. Wir befürchten, dass der Mindestlohn, den das BAV festgelegt hat, nicht eingehalten wird. Und das BAV macht keine Kontrollen!»
Dem Personal seine Rechte erklären
Diese erste nationale SEV-Aktion auf den drei Linien, die Eurobus zurzeit bedient (Zürich Flughafen – Lugano via Basel, Genf–St. Gallen und Chur–Sitten) – hatte zum Ziel, die Arbeitssituation der Angestellten kennenzulernen, aber auch den SEV bekanntzumachen, die grösste Gewerkschaft des öffentlichen Verkehrs mit ihren 40000 Mitgliedern. «Wir haben daran erinnert, dass wir gemeinsam stärker sind, aber auch, dass die individuellen Leistungen des SEV hervorragend sind, angefangen beim Berufsrechtsschutz und der Kontrolle der Dienstpläne. Denn wir sind die Spezialisten fürs Arbeitszeitgesetz», erinnert Christian Fankhauser. Dieser Aktion werden weitere folgen.
Ein Markt in Aufruhr
Wie um die Notwendigkeit eines GAV noch weiter zu betonen, folgen im eben erst geborenen Markt, der von Eurobus seit Juni abgedeckt wird, bereits die ersten Umbauten.
Eurobus Swiss Express, die sich mit dem europäischen Marktführer Flixbus verbunden hat, ist bereits daran, das Angebot umzustellen. Die Linie Sitten–Chur wird auf den Abschnitt Bern–Montreux beschränkt und die Zahl der Haltestellen reduziert. So sollen die Linien attraktiver werden, indem die Fahrpläne besser eingehalten und die Frequenzen erhöht werden, wie das Unternehmen in mehreren Medien bekannt gab. Darüber hinaus sollen Zürich und Luzern direkt verbunden werden. Bessere Angebote will Eurobus vor allem auch zwischen Bern und Zürich anbieten.
Die Änderungen sind beim BAV beantragt worden; dieses will innert «nützlicher Frist» entscheiden, ohne aber genauere Angaben zu machen. Eurobus hofft auf eine Antwort aus Bern vor Ende Jahr. Und erwartet vom Bundesamt auch noch eine Antwort zum Gesuch für zusätzliche Konzessionen auf neuen Linien.
Ein neuer Anbieter taucht auf
In diesen ungewissen Zeiten für Eurobus, die keine Zahlen über die (zu schwache) Auslastung veröffentlicht, will ein neuer Akteur auf die Bühne treten: Dr. Richard. Die österreichische Firma arbeitet in der Schweiz unter dem Namen Albus Zürich und hat Konzessionen für vier Linien beantragt: Zürich Flughafen–Zürich–Bern, Zürich–Basel– Bern, Zürich–Luzern–Bern und Zürich Flughafen –Zürich–Sargans –Landquart–Chur–Domat/Ems. Sie möchte so bald als möglich zwei bis sieben Verbindungen täglich anbieten.
Dieses Wettbewerbsklima erinnert an die Anfänge der Fernbusse in Deutschland, das sich bald zu einem Monopol von Flixbus entwickelt hat, verbunden mit Preissteigerungen um 30 Prozent, oder die kürzlich erfolgte Ankündigung der SNCF, Ouibus an Blablacar zu verkaufen. Die SNCF würde ihrerseits Aktien des Anbieters von Mitfahrgelegenheiten übernehmen.
Was bewirkt diese Marktentwicklung in der Schweiz und Europa? Barbara Spalinger richtet den Blick zuerst auf die Schweiz: «Der Leistungsabbau bei Eurobus zeigt vorab, dass die Bedarfsabklärungen nicht so gemacht wurden, wie es vor dem Start von Fernbusangeboten nötig gewesen wäre. Zudem bestätigt die Ausrichtung auf anscheinend rentable Linien, dass die Fernbusunternehmen nur finanziell interessante Strecken bedienen wollen. Sie wollen also die Bahn konkurrenzieren, die ihrerseits aber auch weniger rentable Fernverkehrsstrecken abdecken muss. Damit schaden die Fernbusse dem Service public.»
Die europäischen Beispiele vermögen nicht zu überzeugen. Unternehmen wie Flixbus verlagern das Risiko auf Subunternehmer, die die Linien betreiben. Die Löhne und die Dienstpläne sind nicht akzeptabel. «Diese Unternehmensmodelle belasten die Angestellten. Man offeriert billige Fahrpreise und schädigt damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Es ist höchste Zeit, dass man diese Logik von Low-Cost um jeden Preis in Frage stellt!», hält Barbara Spalinger fest.
Vivian Bologna/pmo