Umfrage GAV SBB und SBB Cargo
«Die Resultate zeigen die Qualität unserer Arbeit»
Im Hinblick auf die GAV-Verhandlungen im nächsten Jahr hat der SEV eine Umfrage bei seinen SBB-Mitgliedern gemacht. Ziel der Umfrage war, einen Forderungskatalog zu erstellen, der im Einklang mit den Bedürfnissen der Mitglieder steht. Die Resultate sind bei einer Beteiligung von 36% sehr erfreulich. Dieses Dossier fasst die wichtigsten Resultate zusammen und SEV-Vizepräsident Manuel Avallone, der für die SBB-Geschäfte verantwortlich ist, wagt einen Ausblick auf die kommenden GAV-Verhandlungen.
Mehr als ein Drittel der beim SEV organisierten SBB-Angestellten hat an der Umfrage teilgenommen, die vom Institut GfK im Auftrag vom SEV durchgeführt wurde. Die Resultate der Umfrage bieten Einblick in die Bedürfnisse des SBB-Personals und zeigen, wie wichtig die gewerkschaftliche Arbeit des SEV ist. Der Forderungskatalog wird an der GAV-Konferenz SBB und SBB Cargo am 2. November diskutiert. kontakt.sev sprach mit SEV-Vizepräsident Manuel Avallone, der die Verhandlungen leiten wird.
Manuel, 4730 Mitglieder haben die Umfrage ausgefüllt. Welche Prioritäten ziehst du aus den Resultaten?
68% der Befragten finden den GAV gut, das steht für mich an erster Stelle. Aber es wird noch besser: Die Verbesserungen, die wir in den letzten GAV-Verhandlungen erreichen konnten – zum Beispiel die Erhöhung der Sonntagszulagen oder die Frühpensionierungsmodelle – erzielten bessere Resultate als vor vier Jahren. Das beweist die gute Qualität unserer gewerkschaftlichen Arbeit, denn wir haben Verbesserungen erzielt, die wichtig sind für das Personal.
Damit sprichst du etwas sehr Wichtiges an: Man muss die Mitglieder bei den Forderungen miteinbeziehen …
Ja, denn so haben wir ein klares Mandat von der GAV-Konferenz, das sich auf die wahren Bedürfnisse unserer Mitglieder stützt. Die sehr hohe Beteiligungsrate an der Umfrage bestärkt uns in diesem Vorgehen. Gemäss dem Umfrageinstitut GfK befinden wir uns mit einer Beteiligung von 36% über dem Durchschnitt für Umfragen dieser Art.
Weiter hat die qualitative Analyse der gut 1000 Kommentare, die wir erhalten haben, gezeigt, dass die Mitglieder diese Befragung schätzen. Sie wollen ernst genommen werden und sie wünschen sich, dass der SEV für sie und ihre Sorgen da ist und ihre Interessen verteidigt.
Wenn der SEV für die Mitglieder da ist, dann gäbe es ihn gar nicht ohne sie …
Die GAV-Verhandlungen, die 2018 beginnen, werden kein Spaziergang. Das wissen wir, weil die SBB im Rahmen von Railfit20/30 beim Personal 500 Millionen sparen will, einschliesslich der GAV-Kosten. Um den GAV verteidigen und Verbesserungen erreichen zu können, werden wir die Mitglieder mobilisieren müssen. Deshalb ist folgendes Umfrageresultat besonders wichtig: 41% der Befragten sind bereit, an Versammlungen oder Demonstrationen teilzunehmen. Ihre Kampfbereitschaft haben unsere Mitglieder bereits Ende letzten Jahres gezeigt, als es um die Verteidigung der Berufsinvalidität und um die Risikoprämien bei der Pensionskasse ging. Jetzt geht es darum, den Leuten aufzuzeigen, wie wichtig dieser GAV ist.
Aus der Umfrage geht hervor, dass die Befragten mit ihren Arbeitsbedingungen zufrieden sind. Braucht es wirklich eine Mobilisierung?
Es wäre ein fataler Fehler, sich mit dem Status quo zufriedenzugeben! Wie bereits gesagt: Die SBB wird den GAV angreifen, denn sie findet ihn im Hinblick auf die branchenüblichen Bedingungen zu grosszügig. Man muss die Resultate deshalb differenziert betrachten. Bei SBB Cargo ist das Klima eindeutig schlechter als in den übrigen Divisionen. Das ist wenig überraschend, denn dort jagt eine Reorganisation die nächste – ohne Unterbruch, und das seit zehn Jahren. Und selbst wenn die Mitglieder grundsätzlich zufrieden sind: das Verbesserungspotenzial bleibt gross.
Die Mitglieder wurden aufgefordert, Prioritäten für die Verhandlungen zu setzen. Was kam dabei heraus?
Allem voran die Löhne und die ungenügenden Aufstiegsmöglichkeiten. Eine weitere Priorität – und davon gingen wir aus – sind die Lohngarantien, die der SEV bei der Einführung des Lohnsystems Toco verhandelt hat. An ihnen gibt es nichts zu rütteln, denn sie waren die Gegenleistung dafür, dass wir das neue Lohnsystem akzeptiert haben. Es kommt also nicht in Frage, dass eine Verbesserung der Löhne mit irgendeinem Kompromiss an die Lohngarantien gekoppelt wird.
Bei der Prioritätensetzung in der Umfrage sind die Werte für die 2014 verhandelten Sozialleistungen in die Höhe geschnellt – die Bedürfnisse in diesem Bereich scheinen noch aktuell zu sein. Wie erklärst du dir das?
Die Frühpensionierungsmöglichkeiten haben 17 Punkte mehr erhalten als vor vier Jahren; das ist enorm! Aber dieser Fortschritt zeigt noch nicht, ob die gefundene Lösung gut ist oder nicht. Dass dieser Bereich heute für die Mitglieder wichtiger ist, hängt auch mit der Erschöpfung gegen Ende der Karriere in einer immer härteren Arbeitswelt zusammen.
Die Kommentare zeigen, wie wichtig der Contrat social ist, auch wenn gewisse Leute diesen Kündigungsschutz als veraltet betrachten …
Ja, für unsere Mitglieder ist er heute sogar noch wichtiger als vor vier Jahren, und zwar wegen der Unsicherheit, die ein Stellenverlust in Monopolberufen mit sich bringt und auch aufgrund der Angst vor Railfit20/30.
Auch die Leistungsbeurteilung war Thema in der Umfrage. Wo hapert es in diesem Bereich?
Die Befragten sind der Meinung, dass die Beurteilung korrekt abläuft, jedoch finden 61% das Mittel nicht geeignet. Es kam heraus, dass sich vor allem die Jungen zwischen 15 und 29 Jahren sowie Personen, die seit weniger als vier Jahren bei der SBB tätig sind, eine stärkere Verbindung zwischen dem Lohn und der Leistungsbeurteilung wünschen.
Jetzt, wo die Resultate bekannt sind – wie geht es weiter?
Die GAV-Konferenz muss am 2. November einen Forderungskatalog erstellen. Die Verhandlungen beginnen Anfang 2018 und müssen vor dem Sommer beendet sein, damit der neue GAV auf den 1. Januar 2019 für vier Jahre in Kraft treten kann.
Aber davor werden wir Mitglieder wie auch Nicht-Mitglieder treffen und sie auf die Qualität des GAV aufmerksam machen.
Vivian Bologna/kt
Die Umfrage bei den SEV-Mitgliedern dauerte vom 29. Mai bis am 23. Juni. Die Beteiligungsrate betrug 36%.
Die Befragten sind grundsätzlich zufrieden mit ihren Arbeitsbedingungen, die sie mit 65 Punkten bewerten (von 100 möglichen Punkten, dabei gelten Bewertungen über 80 als sehr gut). Diese Zahl bleibt im Vergleich zu 2013 stabil. Bei Cargo ist die Note mit 56 Punkten eindeutig tiefer.
Der GAV ist mit 71 Punkten gut bewertet. Hier ist kein Vergleich möglich, weil diese Frage vor vier Jahren nicht gestellt wurde.
Von den evaluierten Themen erhalten die Sozialleistungen mit 69 Punkten die höchste Bewertung, an Bedeutung gewinnen vor allem die Frühpensionierungsmodelle (+17 auf 50 Punkte) und der Kündigungsschutz «Contrat social» (+7 auf 77 Punkte).
In diesem Bereich ist zu bemerken, dass die Elternschaftsurlaube viel bessere Resultate erzielten als 2013. Der Vaterschaftsurlaub,der bei den Verhandlungen für den aktuellen GAV von 5 auf 10 Tage erhöht wurde, erhält 6 Punkte mehr als vor vier Jahren (neu 69 Punkte). Der Mutterschaftsurlaub von 18 Wochen (früher waren es 16) erhält sehr gute 81 Punk- te (+4). Jedoch sind es vor allem die 50- bis 65-Jährigen, die hier gute Noten verteilen, die 15- bis 29-Jährigen sind weniger enthusiastisch. Für sie muss der Vaterschaftsurlaub unbedingt verbessert werden.
Nach den Sozialleistungen stehen Arbeitszeit und Arbeitsorganisation mit 67 Punkten auf dem zweiten Platz.Bemerkenswert ist hier, dass die Möglichkeiten zur Teilzeitarbeit um 7 Punkte besser bewertet wurden als 2013 (neu mit 67). Die Männer verteilen hier klar weniger Punkte (64) als die Frauen (78).
Darauf folgen Gesundheitsschutz sowie Arbeitssicherheit mit 63 Punkten, die Personalentwicklung (59 Punkte), Löhne und Zulagen (56 Punkte) und die Personalbeurteilung (51).