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Dossier Railfit20/30

Die Basis ist gegen Railfit20/30

Seit bekannt geworden ist, dass die SBB die Beratungsfirma McKinsey damit beauftragt hat, ein Kostensenkungsprogramm auszuarbeiten, hat der SEV dagegen protestiert. Was herausgekommen ist, bestätigt, dass die Befürchtungen berechtigt waren.

Was sich mit der schönen Floskel «fit» ziert, entpuppt sich als Abmagerungskur. Abgebaut wird vor allem beim Personal: einerseits weniger Stellen, andererseits weniger für die, die noch bei der SBB arbeiten. Sogar bei den Pensionierten orten die SBB und ihre Berater noch Sparpotenzial. Die SBB hat nicht sinnvolle Sparmassnahmen prüfen lassen, sondern ein Sparziel vorgegeben, das es zu erreichen gilt – mit welchen fragwürdigen Methoden auch immer. Damit kommt sie bei ihren Angestellten schlecht an.

Ein Angriff von oben

Bei der GAV-Konferenz vom letzten Donnerstag, schon vor einem Jahr auf diesen Termin angesetzt, sollte es darum gehen, in bewährter sozialpartnerschaftlicher Manier die betriebliche Mitwirkung weiterzuentwickeln. So ist es Brauch, und so macht es Sinn: Der SEV als Vertreter der Angestellten hat noch nie blind Forderungen aufgestellt, sondern im Interesse der Angestellten den Kompromiss gesucht.

Diesen bewährten Pfad hat die SBB verlassen. Nachdem die Sozialpartner beschlossen hatten, auf Lohnverhandlungen vorderhand zu verzichten, prellte sie vor: Mit einem neuen Abzug greift sie den Angestellten ins Portemonnaie. Und mit der Streichung der RailChecks verteuert oder verunmöglicht sie Pensionierten die Benützung der Bahn.

Die Antwort der Delegierten

Dass die Gewerkschafter in dieser Situation nicht beim «courant normal» bleiben können, versteht sich. Es braucht eine klare Antwort. An der GAV-Konferenz haben die GAV-Delegierten deshalb entschieden, nicht über das ursprünglich traktandierte Thema der betrieblichen Mitwirkung zu diskutieren. Stattdessen wurde darüber debattiert, mit welchen Massnahmen man die Spitze der SBB zur Vernunft bringen könnte. Eine Resolution (siehe nächste Seite) ist ein mildes Mittel. Daneben will man mobilisieren, neue Mitglieder werben und sich auf härtere Massnahmen vorbereiten. Die Bähnler machen einen guten Job. Jene an der Basis. Von der Leitung der SBB kann man dies leider im Moment nicht behaupten. Wie soll man die Kampfansage an die Angestellten auffassen? Und wie darauf reagieren?

Der Wind ist rau geworden. Der SEV stellt sich darauf ein. Wer jetzt den Kopf in den Sand steckt, tut das Falsche, es gilt, sich auf die Kämpfe der Zukunft vorzubereiten.

Peter Anliker


«Die verschlechterten Bedingungen und der Leistungsabbau treffen alle»

Noch bevor die GAV-Konferenz vom letzten Donnerstag überhaupt richtig anfängt, ruft SEV-Präsident Giorgio Tuti die Delegierten dazu auf, die Traktandenliste zu überdenken und sich auf das Railfit-Programm zu konzentrieren. Die 110 Teilnehmenden stimmen diesem Antrag zu; die Diskussion um Railfit nimmt ihren Lauf.

Vor den Delegierten der GAV-Konferenz hielt Giorgio Tuti ein kämpferisches Referat.

Gefährliche falsche Sicherheit

Die vom Stellenabbau direkt betroffenen Unterverbände wie AS berichten, dass sich viele Kolleg/innen neu orientieren wollen. Die Mitarbeitenden fürchten sich vor einer Mehrbelastung der verbleibenden Angestellten, denn die natürliche Fluktuation löst eben nicht alle Probleme. In den vom Stellenabbau nicht betroffenen Berufskategorien sei die Stimmung entsprechend ruhig, die Bereitschaft, gegen Railfit aktiv zu werden, müsse gesteigert werden. Andreas Menet, Zentralpräsident des ZPV, warnt vor diesem falschen Sicherheitsgefühl. Vielen Mitarbeitenden seien die Auswirkungen von Railfit nicht vollumfänglich bewusst. Menet bekundet die Solidarität des ZPV mit den anderen Berufsgruppen, und so tun es am Ende der GAV-Konferenz auch die restlichen Teilnehmenden mit der einstimmigen Annahme der Resolution gegen den Railfit-Sozialabbau.

Alle sind betroffen

Giorgio Tuti appelliert an die Solidarität zwischen den Berufskategorien, denn die neue paritätische Aufteilung der PK-Risikoprämien sowie die verschlechterten Bedingungen für die Berufsinvalidität betreffen jede und jeden.

Bei letzterer handelt es sich einerseits um eine massive Verschlechterung der Bedingungen für den Zugang zu einer Rente und somit um einen Sozialleistungsabbau. Andererseits fällt für die SBB der Druck weg, betroffene Mitarbeitende sinnvoll zu reintegrieren. Dies kam bisher für die SBB nämlich günstiger als der Übergang in die Berufsinvalidität, es bestand daher ein Anreiz, für die Betroffenen gute Reintegrationslösungen zu finden.

«Gärtchendenken» überwinden

Tuti betont, dass der GAV nicht in Stein gemeisselt ist, denn im Jahr 2018 stehen neue Verhandlungen an. «Spätestens 2018 wird es um alle gehen. Entweder wir stemmen diese Kiste zusammen, oder wir verlieren», sagt Tuti. Diejenigen, die sich bisher kaum von Railfit betroffen fühlen, müssen über die tatsächlichen Auswirkungen informiert und für deren Bekämpfung mobilisiert werden. «Ich wünsche mir, dass wir nun das Gärtchendenken für einmal auf der Seite lassen und versuchen, unseren GAV zusammen zu verteidigen», so Tuti.

Karin Taglang


In zwei Resolutionen stellen die Delegierten der GAV-Konferenz zentrale Forderungen:

  • Die SBB-Leitung muss die beabsichtigten Massnahmen in Sachen Risikobeiträge und Be- rufsinvalidität sofort rückgängig machen und auf diese Sparmassnahmen zulasten der Mitarbeitenden verzichten.
  • Die SBB soll eine attraktive Arbeitgeberin bleiben und ihre soziale Verantwortung weiterhin wahrnehmen.
  • Die Arbeitsplätze müssen erhalten bleiben.

Die Delegierten verabschiedeten zwei Resolutionen.

Ihre Forderungen untermauern die Delegierten mit folgenden Überlegungen: Die neue paritätische Aufteilung der Prämien für die Risikoversicherung der Pensionskasse SBB bedeutet für die Mit- arbeitenden, dass sie am Ende des Monats 0,8% weniger Geld auf ihr Lohnkonto erhalten. Unter welchem Titel auch immer: Dies ist Lohnabbau! Für die Aufteilung der Risikoprämien ist der Stiftungsrat der Pensionskasse SBB zuständig, die SBB-Leitung kann nicht einseitig darüber beschliessen. Dass die SBB diese Risikoprämie auch künftig vollständig übernimmt, ist ein wichtiges Element der Anstellungsbedingungen, welche die SBB und die Sozialpartner gemeinsam ausgehandelt haben. Die Aufteilung einseitig zu ändern, verstösst gegen Treu und Glauben und beschädigt das sozialpartnerschaftliche Verhältnis. Dies umso mehr, als die Sozialpartner vereinbart haben, auf Lohnverhandlungen zu verzichten. Nur Lohnverhandlungen können die negativen Auswirkungen einer solchen Neuaufteilung der Risikoversicherungsprämien für das Personal abfedern.

Die SBB hat die aktuelle Vereinbarung zwischen ihr und der Pensionskasse SBB zur Berufsinvalidität per 1. Januar 2017 gekündigt. Zwar ist die SBB bereit, neue Bedingungen mit der Pensionskasse auszuhandeln. Das Ziel ist jedoch klar und lautet auch hier, Ein- sparungen zulasten der Mitarbeitenden zu machen. Die Folgen dieser Massnahme wären gravie- rend, besonders bei den Monopolberufen. Damit gefährdet die SBB ihren guten Ruf als Arbeitgeberin, womit die Rekrutierung guter Mit- arbeiter/innen in Zukunft schwieriger würde. Wenn die SBB von der jetzt bestehenden Pflicht, Integrationsstellen zu schaffen, entbunden wird, senkt sich die Schwelle für das Aussprechen von Kündigungen.

Der SEV hat bei der SBB-Leitung interveniert und gefordert, dass sie diese beiden geplanten Massnahmen, die einen Sozialabbau und eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen bedeuten, zurückzieht.

Die Delegierten der GAV-Konferenz bekunden mit den Resolutionen ihre Entschlossenheit, gegen Railfit20/30 zu kämpfen.

Die beiden Resolutionen stehen rechts zum Download bereit.

pan.

Berufsinvalidenpension

Eine notwendige Einrichtung soll verschlechtert werden

Was landläufig unter «Invalidität» zu verstehen ist, wissen wir alle. Doch bei der Rentenversicherung wird unterschieden zwischen der Erwerbsinvalidität und der Berufsinvalidität. Erstere bezeichnet die Unfähigkeit zum Gelderwerb aufgrund von Krankheit oder Gebrechen. «Berufsinvalidität liegt vor, wenn der aktive Versicherte aus gesundheitlichen Gründen für seine bisherige oder für eine andere ihm zumutbare Beschäftigung nicht mehr tauglich ist und keinen Anspruch auf eine Rente der IV oder nur Anspruch auf eine Teilrente der IV (25%, 50% oder 75%) hat.» So steht es im Art. 40 des Vorsorgereglements der Pensionskasse SBB. Dabei geht es um weit mehr als den «klassischen» Bandscheibenvorfall.

Eine Berufsinvalidität kann vielfältige Ursachen (seien es Unfälle oder Krankheiten) haben und sich auch in unterschiedlichen Beeinträchtigungen manifestieren: Da gibt es den 50-jährigen Rangierer, der wegen verstopfter Beinarterien plötzlich nicht mehr gehen kann. Trotz Rehabilitation ist dann an eine Tätigkeit im Gleisfeld nicht mehr zu denken. Eine zunehmende Kurzsichtigkeit kann einer Interventionsspezialistin die Tätigkeit verunmöglichen, eine Allergie einem Reinigungsmitarbeiter, eine Depression dem Informatiker. (Berufs-)Unfälle können schwere Folgen psychischer oder physischer Art haben, die oft trotz therapeutischer Massnahmen nicht verschwinden.

Bei der SBB werden Angestellte, die eine solche Berufsinvalidität erleiden, heute durch einen «Case Manager» betreut. Falls eine Weiterbeschäftigung nach der Reintegrationsfrist, die in der Regel zwei Jahre beträgt, nicht möglich ist, kommt es zu einer «Pensionierung aus medizinischen Gründen». Das bedeutet, dass jemand, der oder die keine IV-Rente erhält, von der PK der SBB eine «Berufsinvalidenpension» und eine «IV-Ersatzrente» ausgerichtet erhält. Voraussetzung dafür ist gemäss Reglement, dass der oder die Mitarbeitende mindestens 10 Jahre bei der SBB gearbeitet hat und mindestens 50 Jahre alt ist. Ist eine teilweise Weiterbeschäftigung möglich, muss eine mindestens 10-jährige Anstellung bei der SBB vorangegangen sein.

Diese Rente wird zwar von der PK SBB ausbezahlt, aber von der SBB finanziert. Deshalb will sich die SBB jetzt hier aus der Verantwortung für die Reintegration stehlen und aus Spargründen die Voraussetzungen, die für die Pensionierung aus medizinischen Gründen gelten, verschärfen. Künftig sollen Angestellte erst nach 25 Jahren Betriebszugehörigkeit und ab Alter 55 Anspruch auf diese Pensionierung aus medizinischen Gründen haben. Und da gleichzeitig die SBB die Prämien der PK SBB für die Risikoversicherung hälftig auf die Beschäftigten überwälzen will, sollen die Angestellten für die verschlechterte Leistung gleichzeitig mit zusätzlichen Lohnabzügen bestraft werden!

Damit noch nicht genug: Wie angetönt, wird bei den Angestellten nach einem Unfall oder einer Krankheit eine Reintegration ge- prüft und gefördert. Nun hat aber die SBB gleichzeitig mit dem Pro- jekt Railfit20/30 ein Projekt «Ponte» gestartet, in dessen Rahmen von den rund 90 Stellen der Mitar- beitenden in Arbeitsmarktcenter (AMC), Gesundheitsmanagement und Sozialberatung 11,2 Stellen gestrichen wurden. Damit wird den von Berufsinvalidität Bedrohten zugemutet, dass sie von weniger Leuten betreut werden und damit die Chance sinkt, eine neue Stelle zu finden, – und gerade im Zusammenhang mit den Stellenstreichungen durch den Railfit20/30-Murks wird die Zahl der Betroffenen, welche nicht reintegriert werden können, steigen.

pan.


Pensionskasse: eine Versicherung, zwei Beiträge

Wer das Reglement ändern kann

Auf unserer Lohnabrechnung sind nicht nur der Lohn und die Zulagen aufgeführt, sondern auch die Abzüge: etwa AHV/IV, ALV, PK, NBU. Für die Pensionskasse werden genau genommen zwei Beiträge erhoben: die Risiko- und die Sparbeiträge.

Die Risikobeiträge betragen laut Gesetz «in der Regel 3 bis 4%» des versicherten Verdienstes. Sie die- nen der Finanzierung der Leistungen im Todes- bzw. Invaliditätsfall und kommen bildlich gesprochen «in ei- nen grossen Topf», haben also keine direkte Verbindung zum Versicherten. Daher besteht auch keine Freizügigkeit. Die Beitragspflicht für die Risikoversicherung beginnt am 1. Januar des Jahres, in dem die versicherte Person 18-jährig wird. Damit hat diese Versicherung bezüglich Beitragspflicht und Finan- zierung eigentlich recht viele Ähnlichkeiten mit der AHV. Und die Höhe der Leistungen richtet sich nach dem versicherten Verdienst statt den bisher bezahlten Prämien.

Anders sieht es aus bei den Sparbeiträgen, die der Finanzierung der Pensionskassenrenten dienen und die pro versicherte Person abgerechnet und verzinst werden. Bei Eintritt der Rentenberechtigung hat das Kapital – oft wird es als «Alterskapital« bezeichnet – eine gewisse Höhe erreicht, die auch die Höhe der Rente bestimmt nach der Formel «Kapital x Unwandlungssatz».

Die Altersversicherung ist ab dem 25. Altersjahr obligatorisch, doch sehen die meis- ten Pensionskassen ein früheres Eintrittsalter vor, die PK SBB beispielsweise 22 Jahre. Der gesetzliche Mindestsparbeitrag liegt je nach Alter der versicherten Person zwischen 7% und 18%, wobei, wie bei den Risikobeiträgen, mindestens die Hälfte vom Arbeitgeber übernommen werden muss. Bei der SBB liegen die Sparbeiträge laut Reglement – das für die Arbeitgeber bessere Bedingungen vorsehen kann als die gesetzlichen Mindestbedingungen – zwischen 7% und 11,5%.

Bei den Angestellten der SBB wird der Abzug für die Sparbeiträge wie bei den meisten Pensionskassen bei Arbeitgeber wie - nehmer/in vorgenommen, nicht aber jener für die «Risikoprämie». Diese Prämie beträgt laut dem Reglement der Pensionskasse SBB 2% der Lohnsumme und wird voll von der SBB übernommen. Nur Angestellte bis 22 Jahre bezahlen eine Risikoprämie in der Höhe von 0,5% ihres Lohnes, gleich viel wie die SBB.

Im Rahmen der Sparmassnahmen will die SBB nun das Reglement an- passen und die Hälfte der Risikoprämie den Angestellten belasten bzw. vom Lohn abziehen. 1% des versicherten Verdienstes sollen also abgezogen werden, das bedeutet eine Lohnkürzung von 0,8% – spürbar für alle auf dem Lohnkonto! Für die Beschäftigten ist dabei unerheblich, weshalb sie plötzlich weniger bekommen – wird der Betrag zuunterst auf der Lohnabrechnung kleiner, ist das ein klarer Kaufkraftverlust!

Die SBB begibt sich mit der einseitigen Änderung rechtlich auf dünnes Eis. Die Pensionskasse beauftragte den Rechtsanwalt Hermann Walser mit der Klärung der damit zusammenhängenden Rechtsfragen, und dieser hält jetzt in aller Klarheit fest, die Pensionskasse SBB könne «weder den Anteil an der Risikoprämie noch die überparitätische Finanzierung der Spargutschriften einseitig reduzieren», und weiter: «Es bleibt somit […] dabei, dass eine Reduktion bzw. Modifizierung der Arbeitgeberbeiträge nur auf dem Weg einer ordentlichen Reglementsänderung möglich ist.»

Für eine solche Revision ist der Stiftungsrat der Pensionskasse SBB zuständig, in dem die Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter/innen je die Hälfte der Sitze innehaben. Damit besteht weiterhin die Chance, dass diese Verschlechterung, dieser Raubzug auf die Lohntüte aller Angestellten der SBB, doch noch gestoppt werden kann.

pan.