Der Unterverband VPT hat seit Anfang Jahr eine neue Struktur
«Kleiner SEV» setzt auf Branchen
Das Fusionsprojekt von SEV und Gewerkschaft Kommunikation sah für die gemeinsame Gewerkschaft eine Branchenstruktur vor. Nachdem die SEV-Entscheidgremien 2007 die Fusion abgelehnt hatten, stellte sich die Frage, wie sich der SEV reformieren soll, um die gewerkschaftliche Arbeit zukunftsgerichtet weiterzuführen. Der Unterverband des Personals privater Transportunternehmungen (VPT) beschloss, die Idee der Branchenstruktur weiterzuverfolgen.
Im Vordergrund der Strukturreform stand für den VPT eine klare Trennung der statutarischen Geschäfte und der gewerkschaftlichen Arbeit. Letztere sollte mit der Neustrukturierung effizienter werden, von den Milizlern im VPT bewältigt werden können und für die Mitglieder an der Basis in den Sektionen verständlich sein und bleiben.
Weil die gewerkschaftliche Arbeit in den Branchen gemacht wird, entschied sich der VPT für die Branchenlösung. Zwei Arbeitsgruppen begannen diese auszuarbeiten und diskutierten Fragen wie: Welche Gremien braucht es? Welches sind die finanziellen Konsequenzen? Welche Änderungen sind in Statuten und Geschäftsreglement vorzunehmen? I
Im Jahr 2009 stimmte der VPT-Zentralvorstand (ZV) der neuen Branchenlösung klar zu: Die bisherigen Branchentagungen Bahn, Bus und Schiff werden weitergeführt. Hinzu kommen neu Tagungen für die vielen Pensionierten und die Mitarbeitenden des Bereichs Touristik, wo diese ihre spezifischen Probleme und Anliegen besprechen können. Zu diesen fünf Branchen können später bei Bedarf weitere dazukommen. Auf den 1. Januar 2010 passte der VPT sein Geschäftsreglement an. Darin aufgeführt sind die Aufgaben und Kompetenzen der neuen Branchen. Jede Branche führt pro Jahr mindestens eine Branchenversammlung durch und wird von Branchenverantwortlichen geleitet, die auch im ZV sind.
Drei alt-neue Branchen
Die Branche Bahn umfasst die rund 3800 VPT-Mitglieder bei den sogenannten Privatbahnen. Die Branchenverantwortlichen sind Bruno Müller von der VPT-Sektion SOB, Jean-François Milani von der Sektion du Jura, Bernhard Siegenthaler von der Sektion BLS und Calogero Ferruccio Noto von der Sektion Bahndienstleistungen. Verantwortlicher SEVGewerkschaftssekretär ist Nick Raduner. Hauptthema der Branchenversammlung vom 16. Februar in Olten war der Wettbewerb im Bahnsektor.
Die rund 2200 VPT-Mitglieder, die bei Busunternehmungen angestellt sind, bilden die Branche Bus-Gatu. Die 1994 unter dem Namen «Groupe autonome des transports urbains» (Gatu) gegründete Vereinigung von VPT-Sektionen bei Westschweizer Nahverkehrsunternehmen mit rund 1800 VPT-Mitgliedern hat sich nach anfänglichen Schwierigkeiten zur Freude aller in diese Branche integriert. Damit arbeiten nun im VPT die Busangestellten aller Sprachregionen unter einem gemeinsamen Dach noch enger zusammen.
In den Branchenvorstand wählte die Versammlung am 22. Februar in Olten Vincent Leggiero von der VPT-Sektion TPG, Gilbert D’Alessandro von der Sektion TPF-Stadtverkehr, Peter Bernet von der Sektion TPL, Ernst Rufener von der Sektion STI und Johan Pain von der Sektion TL in den Branchenvorstand. Letztere drei sind gleichzeitig Mitglieder im VPT-ZV. Seitens SEV ist Gewerkschaftssekretär Christian Frankhauser für die Branche verantwortlich. Diese befasst sich zurzeit vor allem mit der Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, dem Arbeitszeitgesetz (AZG) und Fragen im Zusammenhang mit dem Strassenverkehrsgesetz (SVG).
Die meisten organisierten Angestellten der Schifffahrtsgesellschaften auf Schweizer Seen gehören der VPTBranche Schiff an, ca. 450 VPT-Mitglieder. Branchenverantwortliche und ZV-Mitglieder sind Barbara Schraner von der VPT-Sektion Zürichsee und Patrick Clot vom VPT Lac Léman. Zuständiger SEV-Gewerkschaftssekretär ist Olivier Barraud. Hauptthemen an der Branchenversammlung vom 27. Januar waren die Probleme bei der Bodenseeschifffahrt und der CGN, neben dem Dauerbrenner Arbeitszeitgesetz: Dessen Bestimmungen müssen trotz knapp bemessenen Personalbeständen auch in der Hochsaison und auf langen Kursen eingehalten werden. Ebenfalls öfters zu reden gab an den letzten Tagungen die Binnenschifffahrtsverordnung.
Branche Touristik birgt viel Potenzial
Die erste Branchenversammlung Touristik fand am 15. Januar im Seilbahnkompetenzzentrum in Meiringen statt und machte deutlich, wie wichtig die Wahrung der Arbeitnehmerinteressen bei den Betrieben im Tourismusbereich ist. Diese sind stark saisonal ausgerichtet, was es für die Angestellten nicht einfach macht, eine gute Ausbildung und faire, fortschrittliche Arbeitsbedingungen zu erhalten, vor allem im Seilbahnbereich. Bei den Pistendienst- und Skiliftangestellten herrschen bei den Arbeitszeiten schwierige Verhältnisse mit langen Präsenzzeiten und ohne Zeitzuschläge. Auch bei der Sicherheit besteht die Tendenz, die Verantwortung an die Angestellten zu delegieren. Immer wieder muss der SEV auf die Einhaltung der Vorschriften pochen. Als Erstes verlangt er, dass die Pistendienste wieder dem Arbeitszeitgesetz unterstellt werden.
Drei Fragen an VPT-Zentralpräsident Kurt Nussbaumer
kontakt.sev: Was hat beim Zentralvorstand geändert?
Kurt Nussbaumer: Der ZV wurde von 27 auf 20 Mitglieder verkleinert. Jede Branche hat ZV-Mandate entsprechend der Mitgliederzahl: Bahn 4, Bus-Gatu 3, Schiff 2, Touristik 2, Pensionierte 2. Diese ZV-Mitglieder werden neu durch die Branchenversammlungen statt durch die Delegiertenversammlung (DV) gewählt. Neu muss der ZV auch über das Budget befinden. Wir erhoffen uns von der direkteren Bindung der ZV-Mitglieder an Branchen, dass deren gewerkschaftlichen Schwerpunkte in den ZV einfliessen und so die Kupplung zur Basis verbessert wird. Jede Branche soll mit Themen an den ZV gelangen, die dann eventuell an der DV, im SEV-Vorstand oder sogar am Kongress behandelt werden müssen. Das Ganze muss sich zuerst mal einspielen.
Von den fünf Branchen darf natürlich keine zu kurz kommen?
Jeder Branche werden die gleichen Rechte eingeräumt: Sie können selber einen Branchenvorstand bilden und ihre Aktivitäten und Schwerpunkte auch selber festlegen, natürlich innerhalb des festgelegten Branchenbudgets. Von diesen Freiheiten erhoffen wir uns eine Steigerung der Aktivitäten innerhalb der Branche, zugunsten unserer Mitglieder.
Die Strukturreform ist nun geschafft. Was sind die nächsten Vorhaben des VPT?
Wir wollen als Erstes die Branchenstrukturen «leben», aber uns auch nicht scheuen, eventuell Anpassungen vorzunehmen. Unser Ziel ist und bleibt, unseren Mitgliedern eine gute Plattform (Unterverband) mit effizienten Strukturen zu bieten. Was natürlich nicht fehlen darf, ist die aktive Mitgliederwerbung. Mein Ziel ist, dass der VPT künftig wieder über 11 000 Mitglieder hat. Was auch noch verbessert werden kann und muss, ist der Kontakt zu den Sektionen, natürlich in Zusammenarbeit mit den Sektionsbetreuer/innen des SEV.
Fragen: Fi
Nur eine starke Gewerkschaft kann bessere Arbeitsbedingungen erreichen. Leider sind im Touristikbereich von den rund 10 000 Beschäftigten in etwa 650 Betrieben erst rund 500 im VPT organisiert. Es gibt hier also noch ein riesiges Werbepotenzial – da steht eine grosse Arbeit bevor!
Als Branchenverantwortliche und ZV-Vertreter gewählt wurden Andreas Häsler von der VPT-Sektion Jungfraubahnen und Eric Russi von der Sektion MGB. Verantwortlicher SEV-Gewerkschaftssekretär ist Hans Bieri. Er betreut zusammen mit SEV-Gewerkschaftssekretär Peter Peyer die Mitglieder in der Branche Touristik.
Branche Pensionierte – auch eine wichtige Kraft
Der VPT zählte am 1. Januar rund 3400 Pensionierte, was fast einem Drittel der 10 350 VPT-Mitglieder entspricht. Um so wichtiger ist es, dass auch die Anliegen der Pensionierten nicht zu kurz kommen. Deshalb ist es für den VPT selbstverständlich, auch für sie Tagungen durchzuführen.
Am 16. Oktober 2009 fand in Bern die erste Pensioniertentagung statt und stiess auf grosses Interesse: 66 Kolleg/innen waren anwesend. SGB-Zentralsekretär Peter Sigrist referierte über die «Altersarmut in der Schweiz» und die Einbindung der Rentner/innen in die Wirtschaft. Bei den pensionierten Angestellten im öffentlichen Verkehr gibt es kaum Privilegierte. Der SEV kämpft für die Erhaltung anständiger Renten sowohl bei der AHV als auch bei der 2. Säule.
Am Nachmittag referierte Nationalrätin Silvia Schenker über die aktuelle Situation und die Zukunft der Sozialversicherungen in der Schweiz. Leider wollen bürgerliche Politiker/innen bei allen Versicherungen abbauen. Bei der Sanierung der Pensionskassen ist darauf zu achten, dass diese paritätisch erfolgt und nicht auf Kosten der Versicherten, also auch nicht der Rentner/innen.
Viel zu diskutieren geben bei den Rentner/innen immer wieder die Fahrvergünstigungen (FVP), da es für sie sehr entscheidend ist, den öffentlichen Verkehr preiswert benützen zu können. Leider kann der SEV darauf nur beschränkt Einfluss nehmen, da er im zuständigen Organ des VöV nicht vertreten ist.
Als Branchenverantwortliche wählten die Delegierten Marc-Henri Brélaz und Felix Murk, beide ZV-Mitglieder. Seitens SEV ist Gewerkschaftssekretär Vincent Brodard für die Branche verantwortlich.
Anliegen der Basis kommen direkt in die Führungsorgane
Da die Liberalisierung und der Wettbewerb im öffentlichen Verkehr weiter voranschreiten und die Herausforderungen immer umfangreicher und komplizierter werden, braucht es eine effiziente, zukunftsgerichtete gewerkschaftliche Arbeit.
Dafür ist der VPT heute gut aufgestellt, denn mit den fünf Branchen trägt er die gewerkschaftliche Arbeit noch mehr an die Mitglieder an der Basis heran: Diese können an den Branchentagungen ihre spezifischen Anliegen vorbringen und diskutieren. Aus jeder Branche bringen zwei Vertreter/ innen die Anliegen direkt in den ZV, das VPTFührungsorgan, und der Zentralausschuss richtet seine Tätigkeit entsprechend aus. Im ZA arbeiten Zentralpräsident Kurt Nussbaumer und Gilbert D’Alessandro mit, die beiden VPT-Vertreter im SEV-Vorstand. Sie können in diesem strategischen Führungsorgan des Gesamtverbandes direkt wichtige Geschäfte und Forderungen deponieren.
Der VPT ist somit gerüstet für die gewerkschaftliche Arbeit der Zukunft.
Christian Neff, Zentralsekretär VPT